Ein Mann wie ein Bär wird zu einem Häufchen Elend
Abfahrer Dreßen und sein letzter Platz in Wengen.
WENGEN (sid) Thomas Dreßen kämpfte mit den Tränen, er rang um seine Worte, in seiner Stimme schwang beinahe so etwas wie Endzeitstimmung mit. Der erfolgreichste deutsche Abfahrer der WeltcupGeschichte wirkte angesichts seiner anhaltenden körperlichen Probleme verzweifelt. „Beschissen“gehe es ihm, sagte er nach seinem deprimierenden letzten Platz beim Klassiker am Lauberhorn in Wengen.
Dreßen (30), von der Statur her ein Mann wie ein Bär, glich einem Häufchen Elend. „Man haut sich voll rein und ich probiere wirklich alles, aber es ist bitter, wenn halt einfach der Körper nicht mehr so mitspielt“, sagte er schwer atmend. „Es tut halt einfach weh, wenn man die Stimmung und die Strecke sieht. Was ich für eine Lust hätte, da zu fahren.“Er fuhr ja auch – aber irgendwie dann doch nicht.
Dreßen kämpfte sich ins Ziel, hatte das Rennen am Kernen-S aber eigentlich schon aufgegeben. „Wenn du in eine Kurve reinfährst und spürst mehr oder weniger deinen Haxen nicht, dann ist es halt scheiße“, sagte er. Schon bei einem Sprung im oberen Abschnitt habe er „gemerkt, dass das Knie wieder nachgibt“. Später sei es gewesen, „als wäre ich nur auf einem Haxen gefahren, den rechten Fuß habe ich nicht gespürt“.
Dabei war er mit so viel Optimismus in die Saison gegangen. „Gesundheitlich bin ich zufrieden“, betonte er im Oktober 2023, er sei halt „wie ein Oldtimer, der gehört gepflegt“. Auch was „das Fahrerische angeht, bin ich besser als letztes Jahr, ich suche schon wieder das Limit“. Spätestens nach dem Rennen am vergangenen Samstag muss Dreßen wohl erkennen, dass die Realität eine andere ist.
Dreßen sparte nicht mit Kritik am Weltverband FIS. „Ich glaube, dass man sich überlegen muss, was überhaupt noch zielführend ist, wenn ich überlege, wie viele Rennen geplant sind“, sagte er über die Belastung für die Athleten. Mit Alexis Pinturault und Aleksander Aamodt Kilde fallen zwei Topstars nach schweren Stürzen in Wengen lange aus.
In dieser Woche nun wartet Kitzbühel, wartet die Streif. Dreßen hat dort 2018 sensationell gewonnen, danach folgten weitere Glanztaten – aber auch zu viele Operationen und Rückschläge. Er benötige jetzt „auf jeden Fall“„viel Physiotherapie“, sagte Dreßen. Und dann? „Schau`n mer mal, was Kitzbühel bringt.“