Irans Schattenkonflikt mit Israel
Raketenangriffe von iranischem Boden auf Ziele in Syrien und Irak markieren eine neue Dimension des Konflikts in Nahost.
(dpa) Irans Revolutionswächter ( IRGC) haben inmitten der Spannungen in Nahost zahlreiche Raketen auf Ziele im Irak und Syrien abgefeuert. Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim veröffentlichte am Dienstag ein Video, in dem mehrere ballistische Raketen aufsteigen und den nächtlichen Himmel kurz zum Leuchten bringen. „Als Reaktion auf die jüngsten terroristischen Verbrechen der Feinde des islamischen Iran wurden Spionagezentralen und Versammlungen antiiranischer Terrorgruppen (...) angegriffen und zerstört“, lautet eine erste IRGC-Mitteilung.
In der Nacht zum Dienstag, als erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs Raketen von iranischem Staatsgebiet abgefeuert wurden, ist die Sorge vor einer Eskalation so präsent wie nie zuvor. Die Angriffe mit zwei Dutzend Raketen seien Vergeltung unter anderem für die jüngsten Terroranschläge im Iran sowie die Tötung eines hochrangigen IRGCOffiziers Ende Dezember, war auf dem IRGC-Webportal zu lesen. „Wir versichern unserem geliebten Volk, dass die Offensivoperationen der Revolutionsgarde so lange fortgesetzt werden, bis auch der letzte Tropfen Blut der Märtyrer gerächt ist“, hieß es in einer Erklärung.
In der nordirakischen Metropole Erbil schlugen Raketen ein, die mindestens vier Menschen töteten. Das Ziel beschrieb Irans Revolutionsgarde als Spionagezentrale des israelischen Geheimdienstes Mossad. Ein bekannter Geschäftsmann soll unter den Opfern sein, dem laut iranischen Medienberichten Verbindungen zu Israel unterstellt werden. In Syrien wurden nach Darstellung von Staatsmedien vor allem Extremisten und Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der Provinz Idlib attackiert.
Bei dem Angriff handelte es sich mit einer Strecke von mehr als 1200 Kilometern um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Landes. Dies dürfte auch ein klares Signal an den Erzfeind Israel sein. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Landes aus benötigen, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen.
Mehr als drei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs nehmen die Spannungen in der Region immer weiter zu. Während Israels Armee nach intensiven Gefechten allmählich Kampfverbände aus dem Küstenstreifen abzieht, droht an der Grenze im Norden mit der libanesischen Hisbollah-Miliz seit Monaten die
Lage jederzeit zu eskalieren. Auch die Situation am Roten Meer und im Jemen schürt Sorgen, seitdem die militant-islamistischen Huthi Schiffe auf der wichtigen Seeroute nach Israel attackieren. Die USA reagierten bereits mit Luftangriffen auf Stellungen der Huthi-Miliz, von denen sich die Miliz bisher unbeeindruckt zeigte. Die Huthi sowie die Hisbollah sind eng mit dem Iran verbunden.
Experten und Beobachter sind der Meinung, dass die Welt gegenwärtig einen gefährlichen Schattenkonflikt zwischen den Vereinigten Staaten, Israel und dem Iran erlebt. Dessen Staatsführung hatte kurz nach der
Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel den Angriff als Akt des Widerstands gelobt, eine direkte Verstrickung aber vehement zurückgewiesen. Stattdessen attackierten mit dem Iran verbündete schiitische Milizen in der Region sowohl im Irak als auch Syrien mehrfach US-Stützpunkte. Teheran bekräftigt, keine Befehle zu erteilen. Die Gruppen agierten vielmehr autonom, sagte Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian zuletzt.
Neben der Bedrohung durch ein massives Raketen- und Drohnenarsenal fürchtet Israel auch Irans umstrittenes Atomprogramm. Die USA hatten Teheran immer wieder unterstellt, nach Nuklearwaffen zu streben. Der Iran bestreitet die Vorwürfe und beteuert, dass Massenvernichtungswaffen unvereinbar mit dem Islam seien.