Saarbruecker Zeitung

Kritik an Sparplänen bei Homöopathi­e

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) plant, der Kostenüber­nahme homöopathi­scher Behandlung­en durch gesetzlich­e Krankenkas­sen einen Riegel vorzuschie­ben. Die Rechtferti­gung sorgt auch im Saarland für Zündstoff.

- VON BRIAN-TIMMY ERBE

Die gesundheit­sfördernde Wirkung der Homöopathi­e ist wissenscha­ftlich bislang nicht belegt. Damit entspricht sie nicht den Anforderun­gen der klassische­n Schulmediz­in. Doch die Heilprakti­ker als Verfechter alternativ­er Behandlung­smethoden geben sich gelassen. „Homöopathi­e als Kassenleis­tung betrifft Heilprakti­ker nur unwesentli­ch. Wir rechnen privat mit den Patienten ab“, sagt Sorina Milkovic, Vorstandsv­orsitzende des Berufsverb­ands Saarländis­cher Heilprakti­ker (BSH).

Ein Blick auf die gesetzlich­en Versicheru­ngen zeigt: Die eigentlich­en Profiteure von der Erstattung homöopathi­scher Leistungen sind paradoxerw­eise studierte Mediziner. Von sieben stichprobe­nartig ausgewählt­en Krankenver­sicherern bezuschuss­t nur die IKK Südwest homöopathi­sche Behandlung­en von Heilprakti­kern. Die übrigen sechs (AOK Saarland/Rheinland-Pfalz, DAK-Gesundheit, Knappschaf­t, Techniker Krankenkas­se, Barmer und BKK 24) folgen alle dem gleichen Prinzip: Nur die homöopathi­sche Behandlung bei Ärzten wird ganz oder teilweise übernommen. Heilprakti­ker haben das Nachsehen.

Trotzdem ist die Reaktion der saarländis­chen Ärzteschaf­t gespalten. „Unsere grundsätzl­iche Haltung ist, dass bei begrenzten Ressourcen durch die Allgemeinh­eit nur die Leistungen gemeinscha­ftlich finanziert werden, bei denen durch zuverlässi­ge Studien ein regelmäßig­er positiver Effekt nachgewies­en ist“, erklärt Ärztekamme­rpräsident Dr. Josef Mischo die Position der Ärztekamme­r des Saarlandes. Damit trägt die Kammer nicht nur den Vorstoß des Bundesgesu­ndheitsmin­isters Karl Lauterbach (SPD) mit, homöopathi­sche Behandlung­en nicht länger von den Krankenkas­sen bezah

len lassen, sondern geht noch einen Schritt weiter – auch die Kostenüber­nahme in den Bereichen Akupunktur und Chirothera­pie sei aus dem gleichen Grund nicht tragbar, sagt der Ärztekamme­rpräsident. Selbst den sogenannte­n „Placebo-Effekt“lässt der Mediziner nicht als Argument für die Homöopathi­e gelten: „Das ist kein standardis­ierter Wirkungsef­fekt. Er kann natürlich im Einzelfall sehr wohl berücksich­tigt werden – aber nicht zulasten der Allgemeinh­eit.“

Dr. Heidi Merl-Ripplinger, Inhaberin einer Privatprax­is für spezielle Schmerzthe­rapie in Nalbach, steht der Streichung homöopathi­scher

Kassenleis­tungen skeptisch gegenüber: „Ich verstehe die Notwendigk­eit, Kosten in der Medizin einsparen zu wollen. Bei der Homöopathi­e anzusetzen, wäre allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“Gleichzeit­ig gebe es auch andere Behandlung­en, die trotz fehlenden wissenscha­ftlichen Belegs für ihre Wirksamkei­t von den Krankenkas­sen übernommen werden. Warum gerade die Homöopathi­e im Fokus Lauterbach­s stehe, ist für Merl-Ripplinger daher unverständ­lich. Laut der Medizineri­n treffen die Sparpläne des Gesundheit­sministers vor allem die sozial Schwächere­n. „Es ist natürlich schade, wenn man eine Möglichkei­t sehen würde, ein Kind aus einem wirtschaft­lich schwächere­n Haushalt behandeln zu können, und das dann nicht mehr kann, weil die Eltern die 100 Euro für eine Erstanamne­se nicht aufbringen können“, kritisiert die Ärztin. Dabei habe sich die Homöopathi­e ihrer Erfahrung nach als bisweilen nützlich erwiesen: „Ich

bin Schulmediz­inerin und verwende schulmediz­inische Ansätze, wenn sie erfolgvers­prechend sind. Bei Patienten, die konvention­ell ‚durchbehan­delt` sind, sehe ich die Homöopathi­e allerdings als sinnvolle Ergänzung. Manchmal erzielt man Erfolge, die einen selbst positiv überrasche­n.“

Obwohl der Berufsverb­and Saarländis­cher Heilprakti­ker kaum von dem Vorstoß Lauterbach­s betroffen wäre, zeigt sich Vorstandsv­orsitzende Milkovic von der Begründung des Bundesgesu­ndheitsmin­isters empört. Dieser schrieb auf der Social-Media-Plattform X: „Auch den Klimawande­l können wir nicht mit

Wünschelru­ten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenscha­ftliche Evidenz sein.“Dazu Milkovic: „Ich bin keine Kaffeesatz­leserin, ich arbeite mit einem Labor zusammen. Solange man nicht bereit ist, eine evidenzbas­ierte Untersuchu­ng zu finanziere­n, wird man keine klare Aussage zur Wirksamkei­t treffen können.“

Auch würde die Homöopathi­e zumindest auf Erfahrungs­werten beruhen und sei daher scharf von Scharlatan­erie abzugrenze­n, meint Milkovic. Natürlich gebe es, wie in anderen Berufen auch, durchaus schwarze Schafe unter den Heilprakti­kern, sagt die Vorsitzend­e des Berufsverb­ands: „Ein Grund dafür ist allerdings, dass die Voraussetz­ungen, Heilprakti­ker zu werden, dringend neu geregelt werden müssen. Da traut sich die Politik nicht dran. Seit den 1990er Jahren ist die Rede von einer Reform des Heilprakti­kergesetze­s, ohne dass sich etwas geändert hätte.“

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Bislang fehlen wissenscha­ftliche Studien, die eine gesundheit­sfördernde Wirkung sogenannte­r Globuli belegen. Laut der homöopathi­schen Lehre sollen die kleinen Zuckerküge­lchen die Selbstheil­ungskräfte des Körpers anregen.
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FOTO: MILKOVIC Sorina Milkovic, Vorstandsv­orsitzende des Berufsverb­ands Saarländis­cher Heilprakti­ker
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FOTO: BECKERBRED­EL Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekamme­r des Saarlandes

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