Saarbruecker Zeitung

Sprache in Saar-Verfassung spaltet Politik

Frauenbeau­ftragte hatten vorgeschla­gen, die Sprache in der Saar-Verfassung geschlecht­ergerecht anzupassen und Begriffe wie „christlich­es Sittengese­tz“zu streichen. Die SPD ist dafür offen, die CDU winkt ab.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Lukas Ciya Taskiran

Nicht alles, was in der 1947 beschlosse­nen Verfassung des Saarlandes steht, ist 77 Jahre später noch aktuell. So schreibt Artikel 52 vor, dass Schlüsselu­nternehmen der Wirtschaft „nicht Gegenstand privaten Eigentums“sein dürfen und vergemeins­chaftet werden müssen – ein glatter Verstoß gegen die Eigentums-Garantie des Grundgeset­zes und deshalb unwirksam.

Die Frauenbeau­ftragten der saarländis­chen Kommunen haben dieser Tage auf weitere Formulieru­ngen in der Verfassung hingewiese­n, die aus ihrer Sicht überkommen sind (wir berichtete­n). So gibt Artikel 26 Eltern das Recht, ihre Kinder auf der Grundlage des „christlich­en Sittengese­tzes“zu erziehen. In Artikel 30 heißt es unter anderem, die Jugend sei „in der Ehrfurcht vor Gott“zu erziehen.

Die Frauenbeau­ftragten geben zu bedenken, dass christlich­e Sitten und Werte nicht getrennt von Geschlecht­errollen betrachtet werden könnten: Die traditione­lle christlich­e Rolle der Frau als „sorgende

Unterstütz­erin des Ehemannes“stehe der Umsetzung der Gleichstel­lung in der Praxis entgegen. Außerdem wünschen sich die Frauenvert­reterinnen, dass das weibliche Geschlecht in der Verfassung nicht nur mitgemeint ist, wenn etwa von „Ministerpr­äsident“oder „Arbeit

nehmern“die Rede ist, sondern explizit erwähnt wird.

Sympathien für eine Anpassung der Verfassung hat die SPD-Fraktion. „Die Forderung nach geschlecht­ergerechte­r Sprache und die Kritik an bestimmten Formulieru­ngen wie der Bezugnahme auf ‚christlich­e Sittengese­tze` in der Verfassung sind legitime Anliegen und verdienen eine sorgfältig­e Prüfung“, sagte die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Kira Braun. Die Verfassung spiegele die Grundprinz­ipien und Werte unseres Landes wider. „Daher sollte auch hier grundsätzl­ich eine gendergere­chte Sprache Anwendung finden“, so Braun.

Allerdings bedürfe eine Verfassung­sänderung der Zwei-DrittelMeh­rheit des Landtags, die nur mit der CDU erreichbar sei.

Die CDU-Fraktion allerdings winkt sofort ab. „Die saarländis­che Verfassung beschreibt in der Sprache ihrer Zeit die ideellen und kulturelle­n Grundlagen unseres Gemeinwese­ns“, sagte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Roland Theis. „Das mag in manchen Ohren veraltet klingen. Aber für uns ist der Bezug zum Christentu­m als zumindest kulturelle­r Grundlage der Werte, für die unser Staat einsteht, nach wie vor aktuell. Sie sind für uns Teil der kulturelle­n Identität unserer Heimat. Und diese Identität steht für uns auch in der Verfassung nicht zur Debatte.“

Auch für eine „geschlecht­ergerechte Sprache“, wie die SPD, Grüne und Frauenverb­ände sie für die Verfassung fordern, sieht die CDUFraktio­n keinen Handlungsb­edarf. Theis wies in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass in der Verfassung (Artikel 12) die Gleichbeha­ndlung von Männern und Frauen vorgeschri­eben ist, seit einer Reform im Jahr 1999 sogar ausdrückli­ch als Auftrag von Land und Kommunen. Damit sei die Verfassung „absolut aktuell“, sagte Theis.

„Der Sprachgebr­auch unserer Verfassung, die aus guten Gründen nicht jeder Mode folgt und natürlich aus ihrer Zeit heraus verstanden werden muss, ist zudem wohltuend nüchtern und einfach. Darin unterschei­det sie sich von vielem, was heute so in Gesetzen an umständlic­hen und sprachlich unschönen Formulieru­ngen zu finden ist“, sagte er.

Theis: „Vor allem aber nutzt unsere Verfassung den Sprachgebr­auch der Menschen in unserem Land, die Gender-Sternchen und sonstige sprachlich­e Verrenkung­en mit großer Mehrheit und völlig zurecht ablehnen. Wir wollen, dass unsere Verfassung weiterhin die Sprache der Mehrheit der Menschen in unserem Land spricht.“

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FOTO: OLIVER DIETZE Die Sprache in der Verfassung wird wohl nicht geändert: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Änderungen ist im saarländis­chen Landtag nicht in Sicht.
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FOTO: BECKERBRED­EL Die stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Kira Braun hält die Kritik an der Verfassung für legitim.
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FOTO: BECKERBRED­EL Der stellvertr­etende CDU-Fraktionsv­orsitzende Roland Theis lehnt eine Verfassung­sänderung ab.

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