Das Ford-Desaster nimmt kein Ende
Auch nach eineinhalb Jahren gibt es keinerlei greifbare Erkenntnisse über einen neuen Investor für das Ford- Gelände in Saarlouis. Die Landesregierung, der Betriebsrat und auch die IG Metall tragen viel Mitverantwortung an der Hilflosigkeit der Belegschaf
kann sie nicht mehr hören und auch nicht mehr länger ertragen: die ständigen Ausreden von Seiten aller Beteiligten, warum es auch eineinhalb Jahre nach der Entscheidung des Ford-Managements, die Autoproduktion in Saarlouis spätestens 2025 nicht fortzusetzen, immer noch keine Klarheit über einen Investor für dieses Werk gibt.
Gibt es ihn überhaupt? Nicht einmal diese Frage ist bis heute seriös beantwortet. Falls ja, warum besitzt dieser nicht einmal so viel Entschlossenheit, zumindest sein grundsätzliches Interesse in der entscheidenden Phase der Verhandlungen öffentlich zu bekunden? Wo sollen die FordBeschäftigten angesichts der Welle des allgegenwärtigen Schweigens überhaupt noch ihre Motivation hernehmen, auch einem neuen Investor noch mit Vertrauen und Motivation ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen? Auch die Höhe eventueller Subventionen durch das Land für ein solches Engagement sind zum jetzigen Zeitpunkt kein Grund mehr für die Geheimhaltung angeblicher Gespräche.
Unterdessen zünden am Mittwoch die IG Metall und der Ford-Betriebsrat die nächste Eskalationsstufe gegenüber dem Ford-Management. Auch sie scheinen nicht mehr so recht an einen Investor zu glauben. Stattdessen schalten sie in den „Endzeitmodus“für das Werk und versuchen mit Warnstreiks alles daran zu setzen, von Ford einen finanziell möglichst hohen Sozialtarifvertrag zu erzwingen, der den noch verbliebenen Beschäftigten das Ende der Produktion erträglicher machen soll. Nach der Devise: Wenn Ford schon nicht den Standort hält, dann soll das Ende wenigstens möglichst teuer werden. Am heutigen Mittwoch um
9.30 Uhr wird die Frühschicht raus gerufen (inklusive einer Kundgebung), am Donnerstag um fünf Uhr die Nachtschicht sowie um 17 Uhr die Mittagsschicht, hier wiederum in Verbindung mit einem Demonstrationszug und einer Kundgebung.
Jörg Köhlinger, Bezirksleiter Mitte der IG Metall, bringt die Strategie auf den Punkt: „Die Sozialtarifverhandlungen bei Ford in Saarlouis stocken.
Eine belastbare Investorenlösung für den Standort steht weiterhin aus. Insofern sind wir gezwungen, die Schließung des Standortes so teuer wie möglich für das Unternehmen zu machen. Wesentlich lieber wäre uns allerdings, wenn Ford sich im Sinne der Beschäftigten endlich bewegen würde und einer Zukunft des Standortes und des angrenzenden Zulieferparks nicht länger im Wege stehen würde.“Stattdessen scheint
Ford noch zusätzliche Hürden aufzubauen. Wie aus einem Schreiben an einen Ford-Lieferanten hervorgeht, das der Saarbrücker Zeitung vorliegt, plant das Unternehmen offenbar, die Autoproduktion von zwei auf eine Schicht zu reduzieren, möglicherweise schon ab April.
Auch das wird den Warnstreiks Zündstoff geben. Allerdings stellt sich mittlerweile auch eine Grundsatzfrage: wozu das Ganze noch? Sind die Warnstreiks wirklich noch ein Druckmittel gegen Ford? Zweifel sind angebracht. Das Management hat den Standort definitiv abgehakt, die Beschäftigten spielen keine Rolle mehr. Sie bekommen weiter ihren Lohn bis zur Werksschließung. Und es wird am Ende auch einen Sozialvertrag geben. Ob sich die finanziellen Bedingungen dafür wirklich noch in die Höhe treiben lassen, ist sehr fraglich.
Die Gewerkschaft und der Betriebsrat müssen sich heute fragen lassen, ob sie nach dem Schließungsbeschluss durch Ford die richtige Strategie betrieben haben. In der Hoffnung, möglichst eng in die Suche nach einem neuen Investor eingebunden zu werden, haben sie sich in die Geheimhaltung der Ver
handlungen einbinden lassen, im Gegenzug aber ihre Unabhängigkeit aufgegeben, um in allen Phasen der Verhandlungen öffentlich konstruktiv Opposition und Kritik am Verhandlungsprozess ausüben zu können. So ist zu erklären, dass auch dem Betriebsrat und der IG Metall der Name des Investors bis heute nicht über die Lippen gekommen ist. Auch sie sind deshalb mitverantwortlich für die große Verunsicherung der Beschäftigten über ihre Zukunft. Ohnehin müssen sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass das weltweit tätige US-Unternehmen den Sozialtarifvertrag aus der Portokasse bezahlen wird. Ernsthaft in Bedrängnis kommt Ford dadurch nicht. Der Standort Saarlouis ist aus dessen Sicht faktisch schon tot.
Bleibt die Rolle der Landesregierung zu klären. Ihre Kommunikationspolitik in Sachen Ford ist seit langem unseriös. Sie spielt permanent auf Zeit. Das begann schon mit der Reise von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und ihres Wirtschaftsministers Jürgen Barke (SPD) in die Unternehmenszentrale nach Dearborn. Die Initiative an sich war löblich, hätte man sonst sicherlich im Saarland den Vorwurf
erhoben, nicht alles unternommen zu haben. Das Verwerfliche beginnt mit der Rückkehr an die Saar. Beide Politiker wurden in Dearborn von der Ford-Führung eiskalt abgewatscht, versuchten dann aber öffentlich den Eindruck zu erwecken, es ließe sich noch etwas machen.
Schon damals wurden falsche Hoffnungen geweckt. Am Kommunikationsverhalten hat sich bis heute nichts geändert. Zuletzt stellte die Wirtschafts-Staatssekretärin Elena Yorgova-Ramanauskas öffentlich eine Lösung bis Weihnachten in Aussicht. Für ihre Äußerung wurde die Staatssekretärin jedoch ganz schnell wieder zurückgepfiffen. Wer ist überhaupt noch gewillt, dieser permanenten Hinhaltetaktik Glauben zu schenken?
Nur ein gemeinsames öffentliches Statement der saarländischen Landesregierung und des Investors über seine Absichten könnte einen weiteren Vertrauensverlust verhindern. Oder die Landesregierung bekennt, dass es keine Einigung gibt. Und die Suche weitergeht. Schweigt sie weiter, kann man ihr nicht mehr vertrauen. Die Quittung käme dann spätestens bei den nächsten Wahlen.