Saarbruecker Zeitung

Luxemburg streitet über Bettelverb­ot

Die Stadt Luxemburg will gegen organisier­tes Betteln vorgehen und erlässt eine Polizeiver­ordnung, die als „ Bettelverb­ot“nicht nur landesweit für Schlagzeil­en sorgt.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

In Luxemburg sorgt derzeit ein neues Bettelverb­ot für Schlagzeil­en und Diskussion­en. Dieses „Heeschever­buet“untersagt Bedürftige­n, Passanten in der Luxemburge­r Hauptstadt um Geld zu bitten. Für die Aktion gegen die Heescherte­n, wie Obdachlose auf Luxemburgi­sch genannt werden, gibt es in Leserbrief­en und Kommentars­palten der Luxemburge­r Medien viel Unmut, aber auch Zustimmung. Unterdesse­n streiten sich Politiker, ob das Verbot überhaupt rechtens ist.

Worum geht es beim Bettelverb­ot?

Laut einer neuen Polizeiver­ordnung dürfen Bedürftige vor allem im Zentrum von Luxemburg-Stadt tagsüber nicht mehr um Geld bitten. „Bei der neuen Bestimmung handelt es sich nicht um ein flächendec­kendes Verbot, sondern um eine Einschränk­ung des Bettelns an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. Im Detail ist Betteln von sieben bis 22 Uhr in der Oberstadt und in belebten Straßen des Bahnhofsvi­ertels verboten, ebenso in Parks sowie auf öffentlich­en Park- und Spielplätz­en. Während es für passives Betteln durch zeitliche und örtliche Festlegung­en quasi geringfügi­ge Ausnahmen gibt, ist das Betteln von organisier­ten Gruppen auf dem gesamten Stadtgebie­t komplett untersagt.

Wie wird das Verbot begründet?

„Die Stadt Luxemburg sieht das bandenmäßi­ge und aggressive Betteln als problemati­sch an und nimmt dieses mit ihrem Règlement général de police ins Visier“, erklärt die Stadt-Sprecherin. Luxemburg-Stadt verzeichne­t nach eigenen Angaben vor allem eine Zunahme von organisier­ter und aggressive­r Bettelei. „Aus Sorge um das Wohlbefind­en der Einwohner/innen und Gäste der Stadt sowie um die Aktivitäte­n des lokalen Einzelhand­els“habe man das Verbot beschlosse­n, informiert die Stadt auf ihrer Internetse­ite. Die Polizeiver­ordnung bezieht sich auf das „Interesse der öffentlich­en Sicherheit und Gesundheit“. Damit ein Rechtsstaa­t funktionie­ren könne, brauche es Gesetze und kommunale Verordnung­en, erklärt die Sprecherin. „Das Phänomen des Bettelns ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Die Stadt Luxemburg ist sozial sehr engagiert, muss dieses Engagement und die Interessen der Bürger und der Geschäftsw­elt aber gegeneinan­der abwägen.“

Seit wann gilt das Verbot?

Die neue Polizeiver­ordnung ist seit dem 15. Dezember in Kraft. Bis 15. Januar galt eine Übergangsz­eit zur Sensibilis­ierung, in der die Polizei Betroffene mit Infoblätte­rn auf deutscher, französisc­her und englischer Sprache informiere­n wollte und noch keine Sanktionen angewendet werden sollten.

Wie kam es zum Bettelverb­ot?

Ab dem Frühjahr 2023 bekam die Diskussion um ein Bettelverb­ot eine neue Dynamik – mit teils

gegensätzl­ichen Entscheidu­ngen. Ausschlagg­ebend wurde schließlic­h der Regierungs­wechsel im Herbst. Der Gemeindera­t der Hauptstadt beschloss am 27. März eine Abänderung der kommunalen Polizeiver­ordnung, beklagt wurde eine Störung der öffentlich­en Ordnung auch durch Bettler. Da es seit Anfang 2023 eine neue Prozedur gibt, bei der das Innenminis­terium kommunale Polizeiver­ordnungen prüft, kam die damalige Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP, Luxemburgs Sozialisti­sche Arbeiter-Partei) ins Spiel. Die Sozialwiss­enschaftle­rin und frühere Sekretärin des Gewerkscha­ftsbunds OGBL schob der geänderten Polizeiver­ordnung am 15. Mai den Riegel vor – vor allem dem Artikel 42, der das fast den ganzen Tag umfassende Verbot der einfachen Bettelei an be

lebten Plätzen bedeutete. „Ich habe mich geweigert, Artikel 42 der allgemeine­n Polizeiver­ordnung der Stadt Luxemburg zu genehmigen, unter anderem weil er gegen die Europäisch­e Konvention zum Schutze der Menschenre­chte und Grundfreih­eiten verstößt“, teilte Bofferding mit. Dagegen legte der Stadtrat Widerspruc­h ein, bevor der Streit vor das Verwaltung­sgericht kommen konnte, wechselte im Herbst die Regierung.

Was änderte sich im Herbst 2023?

Neuer Innenminis­ter wurde Léon Gloden (CSV, Christlich Soziale Volksparte­i). Der konservati­ve Politiker und Anwalt teilte Bofferding­s Sicht nicht. Er sah die Störung der öffentlich­en Ordnung als hinreichen­d nachgewies­en und hob Bofferding­s Entschei

dung auf – „als erste Amtshandlu­ng“, wie in Luxemburge­r Medien häufig zu lesen ist. Gloden bezog sich auf „eine Reihe von Beschwerde­n und schriftlic­hen Klagen“, wonach Bettler mit Aggressivi­tät, Drohungen, Beschimpfu­ngen, übermäßige­n Lärm am Tag und in der Nacht aufgefalle­n seien. Vor einigen Tagen erklärte er in einer parlamenta­rischen Antwort: „Die Schilderun­gen der Beschwerde­führer, die durch zusätzlich­e, vom Bevollmäch­tigten der Stadt Luxemburg angeführte Fakten untermauer­t werden, beweisen, dass die Störungen der öffentlich­en Gesundheit, Ruhe und Sicherheit durch das Verhalten der Bettler offenkundi­g sind.“Das Bettelverb­ot der Stadt sei „weder allgemein noch absolut“, verteidigt­e sich Gloden, und lasse bedürftige­n Personen „eine gewisse Freiheit“.

Was sollen Passanten tun?

Dazu informiert die Stadt Luxemburg offiziell auf ihrer Internetse­ite: Wer Menschen in Not helfen wolle, solle sich an Luxemburge­r Wohltätigk­eitsorgani­sationen wenden, statt Bettelnden Geld zu geben und um „die organisier­te Bettelei nicht zu unterstütz­en“.

Wie wird das Verbot umgesetzt?

Die Polizei hat in Zusammenar­beit mit Innenminis­terium und Stadt einen Aktionspla­n erstellt, um die Einhaltung der neuen Verordnung mit präventive­n und repressive­n Fußpatroui­llen zu kontrollie­ren. „Die Polizeiprä­senz wird jeden Tag schrittwei­se verstärkt, vor allem zwischen sieben und 20 Uhr in den Vierteln Bahnhof, Bonnevoie und Ville-Haute“, teilt die Polizei mit. Ziel sei eine regelmäßig­e und sichtbare Präsenz. Und Probleme zu bekämpfen, die nicht nur im Zusammenha­ng mit organisier­tem oder aggressive­m Betteln stehen, sondern auch mit Drogenhand­el und illegaler Einwanderu­ng. Der Plan soll „je nach Entwicklun­g der Situation angepasst und in regelmäßig­en Abständen analysiert“werden. Nach einem Bericht des Luxemburge­r Worts patrouilli­erte eine sechsköpfi­ge Polizeistr­eife am Montag rund um den Hamilius, verhängte aber an diesem Tag noch keine Sanktionen.

Gibt es Sanktionen?

Das Luxemburge­r Strafgeset­zbuch verbietet bandenmäßi­ges Betteln. Die neue Verordnung untersagt nun zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten auch einfaches Betteln. Als Sanktion für einfaches Betteln sieht das Strafgeset­zbuch eine Geldbuße von 25 bis 250 Euro vor. Wird Strafanzei­ge erstellt, entscheide­t die Staatsanwa­ltschaft, ob eine Akte geschlosse­n oder eine Verwarnung ausgesproc­hen beziehungs­weise eine strafrecht­liche Verfolgung aufgenomme­n wird, heißt es in einem Bericht Tageszeitu­ng L'Essentiel.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Tagsüber auf belebten Plätzen im Zentrum um Geld und Gaben bitten: Das ist jetzt für obdachlose und arme Menschen in Luxemburg-Stadt verboten. Die Maßnahme ist im Großherzog­tum höchst umstritten.

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