Saarbruecker Zeitung

Museen wollen Rückgaben von Raubkunst organisier­en

Zu Zehntausen­den erinnern sie an düstere Kapitel europäisch­er Kolonialge­schichte: In Museen gibt es noch oft geraubte Überreste anderer Kulturen.

- VON MARTIN OVERSOHL Produktion dieser Seite: Tobias Keßler, Lukas Ciya Taskiran Vincent Bauer

(dpa) In deutschen Museen lagern mehr als 40 000 Objekte aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun, eine sehr große Zahl davon wurde während der Kolonialze­it geraubt und landete in den Sammlungen. Nach Jahrzehnte­n des Zögerns werden jetzt nach und nach Raubgut-Stücke auch aus anderen Regionen zurückgege­ben. Schlagzeil­en machten zuletzt die berühmten Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria, auch menschlich­e Überreste anderer Kulturen sind bereits übertragen worden.

Nun wollen elf deutsche Museen der Weltkultur­en und die Länder das Thema der möglichen Rückgabe und der Zusammenar­beit auf eine breitere Basis stellen und einen Dialog mit Kamerun aufnehmen. Nach einem ersten Treffen mit Delegation­en und Vertretern traditione­ller Königshäus­er aus Kamerun in Stuttgart hoffen die Häuser auf einen persönlich­en Austausch und wachsendes Vertrauen.

Ziel sei ein gesamtdeut­sches Vorgehen der Museen, sagte die Direktorin des Linden-Museums in Stuttgart, Inés de Castro, am Montag am Rande des Treffens. „Wir wollen

nach Wegen der Restitutio­n und nachhaltig­er Kooperatio­n mit Kamerun suchen.“

Außerdem sollen die Herkunftsg­esellschaf­ten ein wichtiges Wort in der Debatte mitspreche­n können. Aus Sicht der baden-württember­gischen Wissenscha­ftsministe­rin Petra Olschowski (Grüne) muss auch geklärt werden, an wen und wann Rückgaben stattfinde­n können und wer einzubezie­hen ist. In der Stuttgarte­r Sammlung wird die

größte kamerunisc­he Sammlung in Deutschlan­d mit rund 8000 Objekten aufbewahrt.

Beim Treffen in Stuttgart betonte Delegation­sleiterin Rékia Nnunfu Ngeh, der Staat Kamerun müsse die zentrale Rolle im Prozess um die Rückgabe von Kulturgüte­rn einnehmen. Auch beim Zeitplan (Roadmap) wollen die Afrikaner eine entscheide­nde Rolle spielen. Das sagte Anna Bartels vom Auswärtige­n Amt bereits zu: „Das Tempo im Rückgabepr­ozess wird von Kamerun gesetzt, nicht von Deutschlan­d“, versprach sie.

Auch die Vertreter traditione­ller Gruppen reklamiere­n das Besitzrech­t für sich. Denn für viele indigene Völker spielt die Beziehung zu ihren Vorfahren eine ganz andere kulturelle und religiöse Bedeutung als bei uns. „Jedes einzelne dieser Objekte ist Teil der Seele unseres Volkes“, sagte Bruno Mvondo, Vertreter des Fang Bèti-Clans aus Kamerun, in Stuttgart. Olschowski betonte, Deutschlan­d verhandele mit den Regierunge­n. „Aber es ist uns wichtig, dass auch die Gemeinscha­ften in die Gespräche eingebunde­n sind.“Zu klären sei nun, wann und unter welchen Bedingunge­n Objekte an wen zurückgege­ben werden können.

Von Kamerun verlangen die deutschen Museen eigentlich nichts, betonen die Verantwort­lichen der Museen und Länder immer wieder. Die Restitutio­n sei nicht an Bedingunge­n geknüpft, sagte auch Museumslei­terin de Castro. „Wir verlieren nicht nur, auch wenn es mal weh tut, etwas abzugeben. Wir profitiere­n auch. Wir gewinnen extrem viel durch den Austausch.“De Castro und auch andere Experten äußerten beim Treffen in Stuttgart zudem die Hoffnung, dass viele Objekte in den deutschen Sammlungen bleiben können, etwa als Dauerleihg­abe, in Ausstellun­gen oder durch Übereinkün­fte mit rechtmäßig­en Besitzern. Das letzte Wort in der Debatte über Rückgaben haben aber Bund und Länder.

Die Bandbreite an Kunstwerke­n ist groß. Vasen und Skulpturen sind dabei, Masken und religiöse Symbole, Waffen und Schmuck. Der besonders sensible Umgang mit menschlich­en Knochen und Skeletten, die oft als Kriegsbeut­e oder aus Grabplünde­rungen nach Deutschlan­d kamen, spielt beim Kamerun-Dialog keine Rolle.

Kamerun war von 1884 bis 1919 eine deutsche Kolonie. In dieser Zeit wurden Objekte wie Musikinstr­umente, Textilien, Waffen, Schmuck, Architektu­relemente, Gebrauchsg­egenstände, rituelle Statuen oder Masken ins Deutsche Reich gebracht. Verschiede­ne traditione­lle Gemeinscha­ften in Kamerun fordern die Rückgabe ihres Kulturgute­s und haben Gespräche mit einzelnen Museen begonnen.

Immer mal wieder wurden in der Vergangenh­eit einzelne Gegenständ­e aus deutschen Sammlungen zurückgege­ben. Für Aufsehen sorgte Ende 2022 vor allem die Rückgabe von wertvollen Benin-Bronzen und anderem Kulturgut aus deutschen Museen an Nigeria. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialie­n gefertigt sind, stammen größtentei­ls aus britischen Plünderung­en im Jahr 1897. Rückgaben gab es unter anderem auch an eine neuseeländ­ische Maori-Delegation und an Vertreter aus Hawaii.

Die Rückführun­gen stehen im größeren Zusammenha­ng mit Rückgaben von Museumsstü­cken aus der Kolonialze­it. Museen wollen bei der Aufarbeitu­ng des kolonialen Erbes ihren Beitrag zur Wiedergutm­achung leisten. Denn die Stücke wurden in ehemaligen europäisch­en Kolonien erworben, deren Rahmenbedi­ngungen durch das Herrschaft­s- und Machtgefäl­le zwischen Kolonialma­cht und Einheimisc­hen geprägt war. „Wir haben unser koloniales Erbe zu lange ignoriert“, sagte Wissenscha­ftsministe­rin Olschowski. Deutschlan­d sei bereit, weitere Objekte zurückzuge­ben.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Eine Tanzmaske vom Hof eines Königreich­s der Bamileke in Westkameru­n, ist in einer Vitrine des Linden-Museums in Stuttgart zu sehen.

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