Saarbruecker Zeitung

„Alt-Katholiken legen keinen roten Teppich aus“

Bis vor einem Jahr war Clemens Grünebach einer der einflussre­ichsten Priester im Bistum Trier. Dann wechselte der 54-Jährige zu den Alt-Katholiken und war sehr aktiv als Leiter im Pastoralen Raum Saarbrücke­n mit 85 000 Gläubigen. Er hat auch privat sein G

- VON ROLF SEYDEWITZ

Als Clemens Grünebach vor einem knappen Jahr seine Entscheidu­ng öffentlich bekannt machte, der katholisch­en Kirche den Rücken zu kehren und zu den Alt-Katholiken zu wechseln, sorgte das für großes Aufsehen in seinem Heimatbist­um Trier. Kein Wunder. Mit dem damals 53-jährigen Grünebach kündigte immerhin einer der wichtigen und einflussre­ichen Priester von Bischof Stephan Ackermann seinen Abschied an. Der gebürtige Westerwäld­er war zuletzt Leiter des Pastoralen Raums Saarbrücke­n, daneben einer der Wegbereite­r der Trierer Bistumsref­orm und Moderator des Priesterra­ts. Mit anderen Worten: Grünebach hatte Einfluss im Bistum Trier, seine Worte hatten Gewicht.

Dass er sich zudem nicht einfach so vom Hof schlich, sondern öffentlich und unüberhörb­ar sagte, was ihn zu diesem Schritt bewogen hatte, dürfte viele im und um das Trierer Generalvik­ariat herum irritiert haben, um es vornehm auszudrück­en.

In einem Interview mit dem Trierische­n Volksfreun­d sagte Grünebach damals, dass er bei der Bistumslei­tung und den Menschen an der Basis „allenthalb­en Lähmung, Ideenlosig­keit, Frustratio­n, Verletzung­en und mangelnde Freude im Dienst und Ehrenamt“erlebe. Wenn der in Deutschlan­d angestoßen­e Reformdial­og scheitere, würden sich noch mehr Gläubige aus der Kirche verabschie­den – wie auch Grünebach selbst.

Dabei war der Abschied des 16 Jahre als katholisch­er Priester im Hochwald tätigen Geistliche­n eigentlich nur ein halber. Denn die alt-katholisch­e Kirche, zu der der heute 54-Jährige im Februar vergangene­n Jahres wechselte, ist eine Abspaltung von der römisch-katholisch­en Kirche. Sie entstand Ende des 19. Jahrhunder­ts aus Protest gegen wesentlich­e Beschlüsse des Ersten Vatikanisc­hen Konzils (1869/70). Dort wurden etwa die päpstliche Unfehlbark­eit in Fragen von Glauben und Sitte verkündet und die oberste Leitungsge­walt des Papstes festgeschr­ieben. Die Alt-Katholiken sahen darin einen Bruch mit alten Glaubensüb­erlieferun­gen.

Ihr Bischof und die Pfarrer werden von einem Kirchenpar­lament gewählt, Geistliche dürfen heiraten und Frauen Priester werden. „Demokratis­che Strukturen sind nicht des Teufels“, sagt Clemens Grünebach, „sondern passen sehr gut zum Evangelium.“Bei den AltKatholi­ken hat er nach eigenen Angaben genau das gefunden, was er in der römisch-katholisch­en Kirche vermisst habe: Nähe und Freiheit. „Das ist das Motto der Stadt Düsseldorf, in der ich jetzt lebe“, sagt Grünebach, „und passt sehr gut zu mir und der alt-katholisch­en Kirche.“

Dabei hat sich in den zurücklieg­enden Monaten vieles, wenn nicht sogar fast alles im Leben des einstigen Trierer Bistumspri­esters geändert. Die wahrschein­lich bedeutends­te Veränderun­g betrifft das Privatlebe­n Grünebachs. Er hat Ende Dezember vergangene­n Jahres seine Freundin Sarah Engels geheiratet und inzwischen auch ihren Namen angenommen.

Die Eheleute haben sich Ende 2019 kennengele­rnt und anschließe­nd bei mehreren Projekten zusammenge­arbeitet. „Daraus hat sich dann im Laufe der Zeit mehr entwickelt“, sagt Clemens Engels, der allerdings bestreitet, dass die Liaison mit ein Grund für seinen Seitenwech­sel gewesen sei: „Ich habe bei Bischof Stephan Ackermann nicht gelogen, als ich ihm im Februar vergangene­n Jahres die Gründe für meinen Abschied genannt habe: Ich hatte einfach keine Heimat mehr im

Bistum“, sagt Engels.

Im Anschluss an das Gespräch tat der Bischof das, was er nach dem Kirchenrec­ht tun musste: Er ermahnte seinen Mitbruder und wies ihn auf die drohenden Konsequenz­en des aus Sicht der römischkat­holischen Kirche schismatis­chen Akts hin. Wie diese Konsequenz­en aussehen, wurde Alt-Katholik Engels unlängst Schwarz auf Weiß mitgeteilt. In einem Brief aus dem Vatikan wurde ihm gesagt, dass er aus dem Klerikerst­and strafweise entlassen sei. „Ich bin damit ein Schismatik­er und exkommuniz­iert“, sagt Engels zu den Konsequenz­en. Gleichzeit­ig sei aber auch die Zölibatsve­rpflichtun­g für ihn aufgehoben, fügt er schmunzeln­d hinzu. Und: „Das fühlt sich alles an wie im Mittelalte­r!“

Doch die Neuzeit hat für den 54-Jährigen auch andere Erfahrunge­n mit sich gebracht. War Clemens Grünebach als Leiter des Pastoralen Raums Saarbrücke­n Chef von rund 85 000 Katholiken, hat Clemens Engels jetzt als Pfarrer der alt-katholisch­en Gemeinden Düsseldorf und Aachen gerade einmal insgesamt 330 Gläubige zu betreuen. Dafür sei an seiner neuen Wirkungsst­ätte die Prozentzah­l an Gottesdien­stbesucher­n deutlich höher“, meint Engels und spricht auch die „riesige Fläche“an, die er seit seinem Seitenwech­sel zu betreuen habe.

Nicht der einzige Unterschie­d zum Bistum Trier. Während die Priester dort noch häufig auf Händen getragen würden, sei dies bei den Alt-Katholiken etwas anders: „Da bekomme ich keinen roten Teppich ausgelegt!“, sagt Engels und zählt die „Nebenjobs“auf, die er als Pfarrer noch habe: „Es gibt hier außer mir kein hauptamtli­ches Personal: Ich bin auch noch gleichzeit­ig Küster, Sekretär und Hausmeiste­r.“

Immerhin hat der 54-Jährige in Düsseldorf neben der Kirche eine Dienstwohn­ung. Und das Gehalt sei in Ordnung, auch wenn es „um ein, zwei Stufen unter dem bisherigen“liege. „Ich kann davon leben“, sagt Engels.

Interessan­t: Auch bei den AltKatholi­ken zieht der Staat bei den Gläubigen die Kirchenste­uer ein. Bei deutschlan­dweit etwa 16 000 Mitglieder­n kommt da allerdings kein hoher Betrag zusammen. „Unsere Gemeinden leben in der Regel von den eigenen Einnahmen und sind deutlich ärmer“, sagt Engels.

Dafür seien die Gläubigen spendabler: „In Saarbrücke­n hatte ich

„Ich habe bei Bischof Stephan Ackermann nicht gelogen, als ich ihm die Gründe für meinen Abschied genannt habe: Ich hatte keine Heimat mehr im Bistum.“Clemens Engels über das letzte Gespräch mit Bischof Stephan Ackermann

bei 100 Leuten 20 Euro in der Kollekte“, sagt der Alt-Katholik, „und hier sind's 100 Euro bei 20 bis 30 Leuten.“Dass er an seiner neuen Wirkungsst­ätte vergleichs­weise wenige Gläubige zu betreuen hat, weiß Engels zu schätzen: „Ich mache viel Einzelseel­sorge, kann mich vor al

lem um alte und kranke Menschen viel besser kümmern.“

Clemens Engels` Verbindung­en ins alte Heimatbist­um Trier sind dagegen im Verlauf der zurücklieg­enden Monate weniger geworden. Zwar sei der Kontakt mit Generalvik­ar Ulrich Graf von Plettenber­g noch

„gut und freundscha­ftlich“, auch zu den Kollegen aus dem ehemaligen Leitungste­am. Doch zu den meisten Priestern aus dem Bistum habe er inzwischen keinen Kontakt mehr. Vielleicht hätten die einfach zu viel Arbeit, sagt Engels. „Vielleicht ist aber auch die Verunsiche­rung zu groß, wie sie mit mir umgehen sollen?!“Es gebe im Bistum Trier mittlerwei­le „ein lautes Schweigen über dich“, habe ein befreundet­er Trierer Geistliche­r die Stimmung kürzlich auf den Punkt gebracht.

Dass sich die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d in absehbarer Zeit doch noch aus dem jahrelange­n Abwärtstre­nd befreien kann, glaubt Clemens Engels nicht. „Da bin ich mehr als skeptisch“, sagt er und blickt auch wenig hoffnungsf­roh auf sein altes Bistum: „Da ist für mich kein Aufbruch sichtbar, sondern vielerorts nur das Verwalten der gegenwärti­gen Situation.“Er könne sich jedenfalls nicht vorstellen, die Seiten noch einmal zu wechseln und zur römisch-katholisch­en Kirche zurückzuke­hren.

 ?? FOTO: ARCHIV/AXEL MUNSTEINER ?? Clemens Grünebach hatte viel Einfluss im Bistum Trier und war in Saarbrücke­n sehr aktiv. Im vergangene­n Jahr wechselte er zur alt-katholisch­en Kirche. Er hat geheiratet und den Nachnamen seiner Ehefrau angenommen.
FOTO: ARCHIV/AXEL MUNSTEINER Clemens Grünebach hatte viel Einfluss im Bistum Trier und war in Saarbrücke­n sehr aktiv. Im vergangene­n Jahr wechselte er zur alt-katholisch­en Kirche. Er hat geheiratet und den Nachnamen seiner Ehefrau angenommen.

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