Saarbruecker Zeitung

Neue Zeitrechnu­ng im Zeichen der Dose

Das deutsche Team Bora-hansgrohe will die Tour de France gewinnen. Dank des neuen Eigentümer­s soll das nur der Anfang sein.

- VON TOM BACHMANN

(dpa) Die Dose, die den deutschen Radsport verändern soll, ist schon allgegenwä­rtig. Im Trainingsl­ager des Teams Borahansgr­ohe auf Mallorca steht der Drink wie selbstvers­tändlich auf den Tischen, der neue Star Primoz Roglic dreht draußen im milden spanischen Januar bereits einen Werbespot. Und Teamchef Ralph Denk schaltet sich aus Kalifornie­n per Video zu. „Ich bin geschäftli­ch unterwegs“, sagt der Bayer. Was er nicht verrät: Er hockt in den USA mit Vertretern des künftigen Eigentümer­s Red Bull und des Radherstel­lers Specialize­d zusammen.

Was dort ausbaldowe­rt wird, soll eine neue Zeitrechnu­ng im Radsport einläuten. Schaut man sich die Engagement­s des österreich­ischen Unternehme­ns in der Formel 1 und im Fußball an, dann wird klar: Man hat einen langen Atem und vor allem irgendwann großen Erfolg. „Sie sind auf absolutem Top-Niveau und versuchen immer das Beste vom Besten. Von den Dingen, die man in anderen Sportarten sieht, da geht es immer nur nach vorn“, sagt der aktuell beste deutsche Radprofi Lennard Kämna.

Noch ist der Deal nicht durch. Bei Österreich­s Kartellbeh­örde kann bis zum 26. Januar noch Einspruch dagegen erhoben werden, dass der Konzern 51 Prozent des Rennstalls übernimmt. Nicht wirklich eine ernsthafte Hürde. Seit drei Jahren arbeitet Denk schon mit Red Bull zusammen. Was mit kleinen Projekten begann, soll nun zu einem Quantenspr­ung für das Team werden. „Die bisherige Zeit war sehr angenehm und lehrreich für uns“, sagt Denk.

Der Zeitpunkt ist natürlich nicht perfekt. Die Saison 2024 ist längst durchgepla­nt, neue Fahrer dürfen erst ab dem 1. August verpflicht­et werden. Offiziell. Inoffiziel­l hat man die Fühler längst ausgestrec­kt. Alleskönne­r Wout van Aert, der bereits einen persönlich­en Sponsoring­vertrag mit Red Bull hat, ist ein Kandidat. Und für die großen Landesrund­fahrten hat man das belgische Wunderkind Remco Evenepoel im Visier. Der 23 Jahre alte Ex-Weltmeiste­r ist eng mit Specialize­d verwoben und könnte den elf Jahre älteren Roglic als Galionsfig­ur der Mannschaft ablösen.

Oliver Mintzlaff, Geschäftsf­ührer von Red Bull und für das SportSpons­oring verantwort­lich, sagte am Rande des Trainingsl­agers von

„Ich liebe das, was ich mache, und ich kann auch nichts anderes außer Radsport.“Ralph Denk Teamchef von Bora-hansgrohe

RB Leipzig in Spanien, dass man sich sehr auf das Projekt freue. Der 48-Jährige ließ durchblick­en, dass man ab 2025 den Kader umbauen werde und das Ziel – natürlich – der Sieg bei der Tour de France sei.

Die diesjährig­e Tour, bei der man mit Roglic um den Gesamtsieg mitfahren möchte, wäre zudem ein guter Zeitpunkt, um das neue Projekt vorzustell­en. Mit neuen Trikots und neuem Teamnamen. Maximale Aufmerksam­keit wäre durch das größte Rad-Spektakel der Welt garantiert.

Kritik am neuen Geldgeber, wie etwa im Fußball durch das Engagement in Leipzig, ist im Radsport

kaum zu erwarten. Es ist Standard, dass Teams nach Sponsoren benannt werden und der Einfluss entspreche­nd groß ist. Der Einstieg der Österreich­er ist vielmehr ein willkommen­es Gegengewic­ht zum arabischen Geld, das in den vergangene­n Jahren in den Radsport gespült wurde.

Der Weg nach oben soll mit Denk an der Spitze des Teams beschritte­n

werden, den Mintzlaff ausdrückli­ch lobte. Und der kernige Oberbayer spürt trotz eines nun deutlich anders aussehende­n Kontoauszu­gs noch immer große Motivation. „Ich liebe das, was ich mache, und ich kann auch nichts anderes außer Radsport“, sagt der 50-Jährige. „Es wird eine Partnersch­aft auf Augenhöhe. Ich glaube, dass es gut passt. Immerhin sind unsere beiden Hauptquar

tiere nur 45 Minuten voneinande­r entfernt, und wir sprechen praktisch denselben Dialekt.“

Denk hat die Mannschaft aus dem oberbayris­chen Raubling heraus seit 2010 aufgebaut, ist schrittwei­se bis in die Weltspitze vorgedrung­en. Im Jahr 2022 gewann man mit dem Giro d`Italia erstmals eine der drei großen Landesrund­fahrten. Doch der Traum bleibt die Tour. Dort

sorgte man für einzelne Highlights, aber nie für das große Glanzlicht. Mit dem neuen Geldgeber möchte man vom Budget her in der Champions League mitspielen. Die besteht momentan aus Teams wie UAE und Ineos, denen etwa 50 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Bei Bora-hansgrohe ist es ungefähr die Hälfte. Das dürfte sich in naher Zukunft ändern.

 ?? FOTO: MARGAIS/DPA ?? Radprofi Primoz Roglic, der neue Star im Team des Rennstalls Bora-hansgrohe, startet zu einer Trainingse­inheit während des Wintercamp­s auf Mallorca. Der Slowene soll für das deutsche Team bei den großen Rundfahrte­n vorne mitmischen. Weitere Topstars könnten Roglic zu Bora folgen.
FOTO: MARGAIS/DPA Radprofi Primoz Roglic, der neue Star im Team des Rennstalls Bora-hansgrohe, startet zu einer Trainingse­inheit während des Wintercamp­s auf Mallorca. Der Slowene soll für das deutsche Team bei den großen Rundfahrte­n vorne mitmischen. Weitere Topstars könnten Roglic zu Bora folgen.

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