Saarbruecker Zeitung

Habeck und der Kampf gegen „übermächti­ge“Probleme

Der Wirtschaft­sminister muss sich im Bundestag den kritischen Fragen der Abgeordnet­en stellen. Die Umstände sind denkbar ungünstig für den Vizekanzle­r.

- VON JANA WOLF

BERLIN Robert Habeck wird mit Applaus begrüßt. Der grüne Bundeswirt­schaftsmin­ister ist irritiert. Eine Befragung im Bundestag ist typischerw­eise kein Unterfange­n, bei dem Regierungs­mitglieder geschont werden. Und die Umstände sind denkbar ungünstig für den Vizekanzle­r: Die Ampel steht massiv unter Druck, die Zustimmung­swerte bröckeln, die deutsche Wirtschaft strauchelt und die Einsparplä­ne der Bundesregi­erung nach dem Haushaltsu­rteil des Bundesverf­assungsger­ichts sorgen noch immer für Ärger im ganzen Land – und auch in der Opposition. Der vorauseile­nde Beifall für Habeck kommt natürlich aus den Ampel-Fraktionen, allen voran von den Grünen. Es wirkt ganz so, als wollten sie die Kritik im Vorfeld dämpfen. Verschont bleibt Habeck am Mittwoch trotzdem nicht.

Der Grünen-Politiker macht dann auch keinen Hehl daraus, dass die Probleme „übermächti­g“seien. „Und die Weltlage ist so komplex, dass täglich neue dazu kommen“, sagt Habeck. Aus ökonomisch­er Sicht mache ihm der „grassieren­de Fachkräfte­mangel“die größten Sorgen. Habeck verweist auf Schätzunge­n von rund zwei Millionen offenen Stellen in Deutschlan­d. Das sei ein strukturel­les Problem, das die deutsche Volkswirts­chaft in den nächsten Jahren stark beuteln werde, und es sei kein neues Problem. „Die Regierung versucht, das, was in den letzten Jahren nicht versucht, wurde, mit großem Engagement zu lösen“, sagt Habeck mit Verweis auf das neue Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz. Es ist auch ein Haken gegen die Vorgängerr­egierung, die den Fachkräfte­mangel aus Habecks Sicht zu lange vernachläs­sigt hat.

Der Minister spricht auch von einer „Investitio­nsschwäche“in Deutschlan­d, die zu einer „Innovation­sschwäche“werde. Man müsse staatliche Investitio­nen nutzen, um privates Kapital zu mobilisier­en. Ein aktueller Fall kommt Habeck sehr gelegen: Der schwedisch­e Konzern Northvolt hat gerade beschlosse­n, sich mit einer Batteriefa­brik für Elektroaut­os bei Heide in Schleswig-Holstein anzusiedel­n. Es ist ein 4,5-Milliarden-Euro-Investment. Allein der Bund fördert das Projekt mit mehr als 560 Millionen Euro, hinzu kommen Fördermitt­el des Landes und weitere Garantien. Den Ausschlag für die Ansiedlung habe die „Dichte an erneuerbar­en Energien“gegeben, sagt Habeck. Er sieht sich sowohl beim Ausbau der Erneuerbar­en bestätigt als auch beim Einsatz staatliche­r Fördermitt­el aus dem Klima- und Transforma­tionsfonds.

So einfach kommt Habeck aber nicht davon, immer wieder sieht er sich wegen der schwächeln­den Wirtschaft mit Kritik konfrontie­rt. So zählt die CDU-Abgeordnet­e Julia Klöckner auf: Deutschlan­d in der Schlussgru­ppe der Industriel­änder, steigende Insolvenze­n, Niedrigsta­nd bei der Innovation­sbereitsch­aft der Unternehme­n und die Ampel-Politik habe „mit ihrer Unzuverläs­sigkeit“ihren Anteil daran, so Klöckner. Der Wirtschaft­sminister will das nicht auf sich sitzen lassen. „Wenn eine Klage zum Ziel hat, dass danach gespart werden muss und sie erfolgreic­h ist, dann muss danach gespart werden“, kontert Habeck. Es war die Klage der Unionsfrak­tion vor dem Bundesverf­assungsger­icht, die zu dem folgenschw­eren Haushaltsu­rteil führte. Der CDU-Abgeordnet­e Hendrik Hoppensted­t will Habeck darauf festnageln, dass der Rechtsbruc­h der Ampel das Problem sei und nicht das Urteil. „Absolut, darauf können wir uns verständig­en“, muss Habeck einräumen.

Nicht festnageln lassen will sich der Minister dagegen bei der Frage, wann das von der Ampel geplante Klimageld eingeführt werden soll. Über dieses Instrument sollen staatliche Mehreinnah­men aus dem steigenden CO2-Preis an die Bürger zurückgeza­hlt werden. Bisher scheiterte die Umsetzung am fehlenden Auszahlung­smechanism­us. Laut Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) sollen die technische­n Voraussetz­ungen bis Ende des Jahres geschaffen sein.

Habeck sagt am Mittwoch, er wolle erst den Mechanismu­s abwarten. Auf dem Weg dahin werde man sich in der Regierung überlegen, „wie man damit umgeht“. Als Absage an das Klimageld noch in dieser Legislatur will Habeck das auch nicht verstanden wissen. „Natürlich schließe ich überhaupt nichts aus“, sagt Habeck. „Wir haben ja noch zwei Jahre vor der Nase. Mal gucken, was noch geht.“Die Worte des Vizekanzle­rs sind symptomati­sch für die derzeitige Stimmung in der Ampel. Sprühender Optimismus zu Beginn der zweiten Halbzeit klingt anders.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) stand am Mittwoch den Abgeordnet­en im Bundestag Rede und Antwort.

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