Habeck und der Kampf gegen „übermächtige“Probleme
Der Wirtschaftsminister muss sich im Bundestag den kritischen Fragen der Abgeordneten stellen. Die Umstände sind denkbar ungünstig für den Vizekanzler.
BERLIN Robert Habeck wird mit Applaus begrüßt. Der grüne Bundeswirtschaftsminister ist irritiert. Eine Befragung im Bundestag ist typischerweise kein Unterfangen, bei dem Regierungsmitglieder geschont werden. Und die Umstände sind denkbar ungünstig für den Vizekanzler: Die Ampel steht massiv unter Druck, die Zustimmungswerte bröckeln, die deutsche Wirtschaft strauchelt und die Einsparpläne der Bundesregierung nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sorgen noch immer für Ärger im ganzen Land – und auch in der Opposition. Der vorauseilende Beifall für Habeck kommt natürlich aus den Ampel-Fraktionen, allen voran von den Grünen. Es wirkt ganz so, als wollten sie die Kritik im Vorfeld dämpfen. Verschont bleibt Habeck am Mittwoch trotzdem nicht.
Der Grünen-Politiker macht dann auch keinen Hehl daraus, dass die Probleme „übermächtig“seien. „Und die Weltlage ist so komplex, dass täglich neue dazu kommen“, sagt Habeck. Aus ökonomischer Sicht mache ihm der „grassierende Fachkräftemangel“die größten Sorgen. Habeck verweist auf Schätzungen von rund zwei Millionen offenen Stellen in Deutschland. Das sei ein strukturelles Problem, das die deutsche Volkswirtschaft in den nächsten Jahren stark beuteln werde, und es sei kein neues Problem. „Die Regierung versucht, das, was in den letzten Jahren nicht versucht, wurde, mit großem Engagement zu lösen“, sagt Habeck mit Verweis auf das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz. Es ist auch ein Haken gegen die Vorgängerregierung, die den Fachkräftemangel aus Habecks Sicht zu lange vernachlässigt hat.
Der Minister spricht auch von einer „Investitionsschwäche“in Deutschland, die zu einer „Innovationsschwäche“werde. Man müsse staatliche Investitionen nutzen, um privates Kapital zu mobilisieren. Ein aktueller Fall kommt Habeck sehr gelegen: Der schwedische Konzern Northvolt hat gerade beschlossen, sich mit einer Batteriefabrik für Elektroautos bei Heide in Schleswig-Holstein anzusiedeln. Es ist ein 4,5-Milliarden-Euro-Investment. Allein der Bund fördert das Projekt mit mehr als 560 Millionen Euro, hinzu kommen Fördermittel des Landes und weitere Garantien. Den Ausschlag für die Ansiedlung habe die „Dichte an erneuerbaren Energien“gegeben, sagt Habeck. Er sieht sich sowohl beim Ausbau der Erneuerbaren bestätigt als auch beim Einsatz staatlicher Fördermittel aus dem Klima- und Transformationsfonds.
So einfach kommt Habeck aber nicht davon, immer wieder sieht er sich wegen der schwächelnden Wirtschaft mit Kritik konfrontiert. So zählt die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner auf: Deutschland in der Schlussgruppe der Industrieländer, steigende Insolvenzen, Niedrigstand bei der Innovationsbereitschaft der Unternehmen und die Ampel-Politik habe „mit ihrer Unzuverlässigkeit“ihren Anteil daran, so Klöckner. Der Wirtschaftsminister will das nicht auf sich sitzen lassen. „Wenn eine Klage zum Ziel hat, dass danach gespart werden muss und sie erfolgreich ist, dann muss danach gespart werden“, kontert Habeck. Es war die Klage der Unionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht, die zu dem folgenschweren Haushaltsurteil führte. Der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt will Habeck darauf festnageln, dass der Rechtsbruch der Ampel das Problem sei und nicht das Urteil. „Absolut, darauf können wir uns verständigen“, muss Habeck einräumen.
Nicht festnageln lassen will sich der Minister dagegen bei der Frage, wann das von der Ampel geplante Klimageld eingeführt werden soll. Über dieses Instrument sollen staatliche Mehreinnahmen aus dem steigenden CO2-Preis an die Bürger zurückgezahlt werden. Bisher scheiterte die Umsetzung am fehlenden Auszahlungsmechanismus. Laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) sollen die technischen Voraussetzungen bis Ende des Jahres geschaffen sein.
Habeck sagt am Mittwoch, er wolle erst den Mechanismus abwarten. Auf dem Weg dahin werde man sich in der Regierung überlegen, „wie man damit umgeht“. Als Absage an das Klimageld noch in dieser Legislatur will Habeck das auch nicht verstanden wissen. „Natürlich schließe ich überhaupt nichts aus“, sagt Habeck. „Wir haben ja noch zwei Jahre vor der Nase. Mal gucken, was noch geht.“Die Worte des Vizekanzlers sind symptomatisch für die derzeitige Stimmung in der Ampel. Sprühender Optimismus zu Beginn der zweiten Halbzeit klingt anders.