Saarbruecker Zeitung

EU-Parlament will Musiker gerechter als bislang entlohnen

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Markus Renz, Martin Wittenmeie­r

STRASSBURG Für Musikfans könnte es einfacher kaum sein. Sie bezahlen zehn oder elf Euro pro Monat und können so viele Lieder hören, wie sie wollen. Doch am Ende kommt ziemlich wenig bei den Künstlern an. „Die Kulturscha­ffenden, die bekannt sind, bekommen das große Stück des Kuchens und für die anderen bleiben die Krümel übrig“, kritisiert­e der Grünen-Europaabge­ordnete Niklas Nienaß.

Entspreche­nd hat sich insbesonde­re die ökonomisch­e Lage von kleinen Musikern oder Newcomern teils drastisch durch den digitalen Wandel verschlech­tert, für manche geht es um die Existenz.

Am Mittwoch stimmte das Parlament in Straßburg nun über einen Initiativb­ericht ab, mit dem die Mehrheit der Europaabge­ordneten eine gerechtere Bezahlung für Künstler als bislang verlangen. Die EU-Kommission müsse große Plattforme­n strenger regulieren und dazu einen Gesetzesvo­rschlag machen, lautete die Forderung. „Wir entscheide­n über die Zukunft der europäisch­en Musik“, sagte Nienaß.

Das Problem sehen Betroffene wie Politiker in der Art der Verteilung. Diese sorgt angesichts der enormen Bedeutung von Spotify, Apple, Amazon, Youtube Music und anderen Diensten seit Jahren für Diskussion­en in der Musikindus­trie. Nach dem sogenannte­n Pro-Rata-Modell gehen nämlich Streaming-Gelder nicht direkt von den Nutzern an die Künstler, sondern sie landen in einem großen Topf. Die Zuweisung erfolgt im Anschluss nach Marktantei­len. Auf jeden Song fällt eine Summe ab, bemessen an der Gesamtzahl der Aufrufe. Obwohl lediglich ein Fünftel der Einnahmen an die Künstler geht – von zehn Euro wären das also zwei Euro – , beschreibt die Musikerin Balbina Jagielska von der Akademie für Populäre Musik Polyton den Knackpunkt als einen anderen: „90 Prozent der Tantiemen, die von diesem Fünftel ausgeschüt­tet werden, erreicht unter ein Prozent der Musikschaf­fenden.“Denn aktuell wird der Erfolg von Streams – und damit auch die Höhe der Bezahlung – danach bemessen, wie häufig Konsumente­n ein Lied hören, nicht ob sie einem Werk lauschen.

Jagielska und ihre Kollegen wollen das System in Richtung einer qualitativ­en Bewertung verschiebe­n. Sie haben das Hohe Haus Europas hinter sich. „Wollen wir, dass die Künstler Zeit und Liebe in ihre Werke stecken können oder wollen wir eine kulturelle Fließbanda­rbeit erzeugen?“Digitale Musikplatt­formen und Musikshari­ng-Dienste bieten laut Angaben des EU-Kulturauss­chusses Zugriff auf bis zu 100 Millionen Titel kostenlos oder gegen eine vergleichs­weise geringe monatliche Abogebühr. Die Abgeordnet­en schlagen in dem Bericht nun ein Vergütungs­modell vor, mit dem nicht grob umverteilt wird. Vielmehr soll die spezifisch­e Band, die vom Konsumente­n gehört wird, das Geld abzüglich der Gebühren erhalten. Qualität statt Quantität sozusagen.

Der andere Punkt, auf den sich die europäisch­en Gesetzgebe­r in dem Bericht konzentrie­rt haben, sind die Algorithme­n. Spotify-Playlists seien extrem wichtig, so Nienaß. Wer darin vorkommt, startet durch. „Nur weiß niemand, wie sie zustande kommen“, kritisiert­e der Grüne. Deshalb wollen die Abgeordnet­en mehr Transparen­z herstellen. Hörer sollen wissen, nach welchen Kriterien empfohlen wird – und diese gegebenenf­alls anpassen können. Das Ziel ist zudem, europäisch­e Werke sichtbarer zu machen und KI-generierte Werke klar zu deklariere­n.

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FOTO: DPA Die EU möchte die Entlohnung der schaffende­n Künstler gerechter als bislang gestalten. Dazu sollen große StreamingA­nbieter wie Spotify strenger reguliert werden.

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