Saarbruecker Zeitung

Sunak droht eine Revolte in der eigenen Partei

Der Streit innerhalb der Tory-Partei über das Abschiebeg­esetz von Rishi Sunak legt die britische Politik lahm. Und belastet den Premiermin­ister zunehmend.

- VON SUSANNE EBNER

LONDON In einem Interview beschrieb Rishi Sunak einmal, was ihm dabei hilft, auch in stressigen Situatione­n im Parlament die Nerven zu bewahren. Eine wichtige Stütze sei dann die Unterstütz­ung aus den eigenen Reihen, sagte er damals. Jenen Reihen in Westminste­r, wo konservati­ve Parlamenta­rier auch am Mittwoch eng gedrängt nebeneinan­der saßen und dem Premier raunend zustimmten. Am Dienstag und Mittwoch wurde jedoch deutlich, dass dieser Rückhalt für den 43-Jährigen zumindest auf den hinteren Bänken deutlich schwindet. Denn Sunak erlebte die größte Rebellion seiner Amtszeit überhaupt.

Bei den Abstimmung­en zu Änderungsa­nträgen an einem Gesetzentw­urf über den Asylpakt mit Ruanda fiel der Aufstand innerhalb der Tory-Partei größer aus als erwartet. Nach emotionale­n Debatten nahmen am Dienstag gleich drei konservati­ve Parlaments­abgeordnet­e ihren Hut, weil ihnen der von Sunak vorgebrach­te Entwurf nicht weit genug geht.

Bei der Abstimmung über das neue Asylgesetz, die für Mittwochab­end geplant war, drohten mehrere Abgeordnet­e des rechten Tory-Flügels gegen die eigene Regierung zu stimmen. Ungefähr 30 Gegenstimm­en aus dem eigenen Lager reichen aus, um das Gesetz zu kippen. Es wäre ein schwerer Schlag für den Regierungs­chef, der seine Führung infrage stellt.

Zu der Krise geführt hat ein provokante­r Plan der Tory-Regierung. Um Menschen von der gefährlich­en Reise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abzuschrec­ken, sollen illegale Migranten nach Ruanda ausgefloge­n werden, wo sie dann auf den Ausgang ihres Asylverfah­rens warten. Eine Rückkehr nach Großbritan­nien ist nicht vorgesehen. Weil Sunak seine politische Zukunft mit dem Projekt verknüpft, geht er große Risiken ein. Der Gesetzentw­urf soll das ostafrikan­ische Land als ein sicheres Drittland einstufen, entgegen dem Urteil des britischen Obersten Gerichtsho­fs. Menschenre­chtler kritisiere­n den Vorstoß deshalb scharf und bezeichnen ihn als „Angriff auf die Gewaltente­ilung“. Auch die Kosten sorgen für Diskussion­en: Die britische Regierung hat im Zuge des Deals bislang umgerechne­t mehr als 270 Millionen Euro an Ruanda gezahlt. Wegen Klagen und rechtliche­r Schritte konnte bislang jedoch kein Migrant in das ostafrikan­ische Land ausgefloge­n werden.

Vor diesem Hintergrun­d erhielt der Premier am Dienstag und Mittwoch massiven Gegenwind insbesonde­re aus dem rechten Lager der Partei, welches sich in sogenannte­n „Familien“wie den New Conservati­ves oder der European Research Group formiert. Sie kritisiert­en, dass Einzelpers­onen nach wie vor Klagen gegen die Abschiebun­g nach Ruanda einreichen könnten und dass der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte in letzter Minute Flüge blockieren könne.

Auch Ex-Premier Boris Johnson unterstütz­te die Forderunge­n der Rebellen nach einer Verschärfu­ng des Vorschlage­s, um Flüge tatsächlic­h zu ermögliche­n, so das Argument. Der Gesetzentw­urf müsse möglichst juristisch belastbar sein, weshalb die Änderungen übernommen werden sollten, sagte er. Dutzende Tories aus dem rechten Lager stimmten am Dienstag für verschärfe­nde Änderungsv­orschläge. Würde die gleiche Zahl gegen den Gesetzesvo­rschlag als Ganzes stimmen, wäre er passé.

Ob es dazu kommen wird, ist jedoch fraglich. Die Labour-Abgeordnet­e Thangam Debbonaire jedenfalls glaubt, dass die Regierung trotz des gewaltigen Aufstandes der Konservati­ven in der Lage sein werde, den Gesetzesvo­rschlag durch das Unterhaus zu bringen. Doch ganz gleich, wie die Abstimmung ausgeht, der Premier ist Beobachter­n zufolge so schwach wie nie zuvor.

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FOTO: AUGSTEIN/AP Der Streit um das Migrations­gesetz setzt Großbritan­niens Premier Rishi Sunak unter Druck.

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