Sunak droht eine Revolte in der eigenen Partei
Der Streit innerhalb der Tory-Partei über das Abschiebegesetz von Rishi Sunak legt die britische Politik lahm. Und belastet den Premierminister zunehmend.
LONDON In einem Interview beschrieb Rishi Sunak einmal, was ihm dabei hilft, auch in stressigen Situationen im Parlament die Nerven zu bewahren. Eine wichtige Stütze sei dann die Unterstützung aus den eigenen Reihen, sagte er damals. Jenen Reihen in Westminster, wo konservative Parlamentarier auch am Mittwoch eng gedrängt nebeneinander saßen und dem Premier raunend zustimmten. Am Dienstag und Mittwoch wurde jedoch deutlich, dass dieser Rückhalt für den 43-Jährigen zumindest auf den hinteren Bänken deutlich schwindet. Denn Sunak erlebte die größte Rebellion seiner Amtszeit überhaupt.
Bei den Abstimmungen zu Änderungsanträgen an einem Gesetzentwurf über den Asylpakt mit Ruanda fiel der Aufstand innerhalb der Tory-Partei größer aus als erwartet. Nach emotionalen Debatten nahmen am Dienstag gleich drei konservative Parlamentsabgeordnete ihren Hut, weil ihnen der von Sunak vorgebrachte Entwurf nicht weit genug geht.
Bei der Abstimmung über das neue Asylgesetz, die für Mittwochabend geplant war, drohten mehrere Abgeordnete des rechten Tory-Flügels gegen die eigene Regierung zu stimmen. Ungefähr 30 Gegenstimmen aus dem eigenen Lager reichen aus, um das Gesetz zu kippen. Es wäre ein schwerer Schlag für den Regierungschef, der seine Führung infrage stellt.
Zu der Krise geführt hat ein provokanter Plan der Tory-Regierung. Um Menschen von der gefährlichen Reise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abzuschrecken, sollen illegale Migranten nach Ruanda ausgeflogen werden, wo sie dann auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Weil Sunak seine politische Zukunft mit dem Projekt verknüpft, geht er große Risiken ein. Der Gesetzentwurf soll das ostafrikanische Land als ein sicheres Drittland einstufen, entgegen dem Urteil des britischen Obersten Gerichtshofs. Menschenrechtler kritisieren den Vorstoß deshalb scharf und bezeichnen ihn als „Angriff auf die Gewaltenteilung“. Auch die Kosten sorgen für Diskussionen: Die britische Regierung hat im Zuge des Deals bislang umgerechnet mehr als 270 Millionen Euro an Ruanda gezahlt. Wegen Klagen und rechtlicher Schritte konnte bislang jedoch kein Migrant in das ostafrikanische Land ausgeflogen werden.
Vor diesem Hintergrund erhielt der Premier am Dienstag und Mittwoch massiven Gegenwind insbesondere aus dem rechten Lager der Partei, welches sich in sogenannten „Familien“wie den New Conservatives oder der European Research Group formiert. Sie kritisierten, dass Einzelpersonen nach wie vor Klagen gegen die Abschiebung nach Ruanda einreichen könnten und dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Minute Flüge blockieren könne.
Auch Ex-Premier Boris Johnson unterstützte die Forderungen der Rebellen nach einer Verschärfung des Vorschlages, um Flüge tatsächlich zu ermöglichen, so das Argument. Der Gesetzentwurf müsse möglichst juristisch belastbar sein, weshalb die Änderungen übernommen werden sollten, sagte er. Dutzende Tories aus dem rechten Lager stimmten am Dienstag für verschärfende Änderungsvorschläge. Würde die gleiche Zahl gegen den Gesetzesvorschlag als Ganzes stimmen, wäre er passé.
Ob es dazu kommen wird, ist jedoch fraglich. Die Labour-Abgeordnete Thangam Debbonaire jedenfalls glaubt, dass die Regierung trotz des gewaltigen Aufstandes der Konservativen in der Lage sein werde, den Gesetzesvorschlag durch das Unterhaus zu bringen. Doch ganz gleich, wie die Abstimmung ausgeht, der Premier ist Beobachtern zufolge so schwach wie nie zuvor.