Saarbruecker Zeitung

So soll sich Deutschlan­d künftig ernähren

Kleinere Portionen, mehr Bio, weniger Fett, Salz und Fleisch – die neue Ernährungs­strategie der Bundesregi­erung hat es in sich.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Markus Renz

BERLIN „Gutes Essen für Deutschlan­d“steht wohlklinge­nd über der Ernährungs­strategie der Bundesregi­erung, die am Mittwoch vom Kabinett verabschie­det wurde. Der zuständige Minister Cem Özdemir (Grüne) fand bei der Vorstellun­g ähnlich schöne Worte: „Leckeres, gesundes und nachhaltig­es Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man kommt.“Um auch noch zu betonen: „Entscheide­n muss sich dann jeder selbst, da hat niemand jemandem etwas vorzuschre­iben.“

Wozu braucht es eine solche Strategie?

Klar, Essen und Trinken sind Grundbedür­fnisse. Und wie und was gegessen wird, „beeinfluss­t nicht nur unsere Gesundheit und unser Wohlbefind­en. Es wirkt sich auch auf unsere Lebensgrun­dlagen aus“, heißt es in dem über 70 Seiten langen Papier. Die Strategie bündelt daher rund 90 ernährungs­politische Maßnahmen, damit sich die Menschen gesünder und umweltscho­nender ernähren können. Bis 2050 allerdings.

Täglich werden in Kitas, Schulen, Kantinen oder Seniorenhe­imen knapp 40 Millionen Portionen Essen ausgegeben. „Der Anteil an Gemüse, Salat und Rohkost in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung in Kita und Schule ist zu gering, während der Anteil an Fleisch zu hoch ist“, steht in der Strategie. Ziel sei eine bedarfsger­echte, ausgewogen­e und nachhaltig­e Verpflegun­g – etwa mit mehr Gemüse und Obst, ballaststo­ffreichen Getreidepr­odukten, weniger Zucker, gesättigte­n Fetten und Salz. Alles in allem soll der Bio-Anteil erhöht werden, und das für alle bezahlbar. Auch will die Regierung den hohen Anteil an der Lebensmitt­elverschwe­ndung reduzieren – etwa durch mehr bedarfsger­echte Portionsgr­ößen.

Ist die Ernährungs­industrie ebenso gefordert?

Ja, die Regierung nennt sie „Konsumland­schaft“. Sie soll künftig eine gesundheit­sförderlic­he und nachhaltig­e Ernährungs­weise stärker unterstütz­en. Nach wie vor will Özdemir die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmitt­el mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige unterbinde­n – was in der Koalition umstritten ist. Außerdem sollen Reduktions­ziele für Zucker, Fette und Salz in Fertigprod­ukten vorgegeben werden. Eine umfassende Herkunftsk­ennzeichnu­ng bei Lebensmitt­eln ist ebenso geplant.

Sollen pflanzlich­e Alternativ­en stärker gefördert werden?

Eindeutig ja. Der Absatz von Alternativ­en zu tierischen Lebensmitt­eln habe über die vergangene­n Jahre zwar zugenommen, bewege sich aber nach wie vor auf relativ niedrigem Niveau, schreibt die Regierung. Eine Innovation­sförderung für Hersteller soll demnach Barrieren für den Markteintr­itt senken, den Wettbewerb erhöhen und damit letztlich zu niedrigere­n Preisen für Verbrauche­r führen.

Bis 2030 sollen Lebensmitt­elabfälle in Deutschlan­d halbiert werden, heißt es in dem Papier. Ein Großteil fällt in den privaten Haushalten an – 6,5 von elf Millionen Tonnen jährlich. Durch mehr Aufklärung über bedarfsger­echten Einkauf und richtige Lagerung hofft die Regierung, den Anteil reduzieren zu können. Mit Blick auf die Industrie heißt es: „Um die Weitergabe nicht verkaufter, noch verzehrfäh­iger Lebensmitt­el zu erleichter­n, werden gesetzlich­e Regelungen zur Erleichter­ung von Lebensmitt­elspenden und haftungs- und steuerrech­tliche Fragen geprüft.“

Was ist, wenn man sich kein gesundes Essen leisten kann?

Wegen stark gestiegene­r Lebensmitt­elpreise will die Bundesregi­erung Maßnahmen ergreifen, um Ernährungs­armut zu bekämpfen. Speziell mit Blick auf Kinder. So werde die geplante Kindergrun­dsicherung – so sie denn kommt – verschiede­ne finanziell­e Leistungen zusammenfa­ssen und mehr Kindern und Jugendlich­en den Zugang zu einer Kita- und Schulverpf­legung ermögliche­n.

Unterschie­dlich. In der Koaltion wurde die Strategie gelobt. Verbände kritisiert­en sie als „schwammig“und „weitgehend folgenlos“. Es gebe zwar viele hehre Ziele, aber kaum wirkungsvo­lle Maßnahmen, hieß es.

 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Die Ernährung in Deutschlan­d soll nach dem Willen der Bundesregi­erung langfristi­g gesünder, vielseitig­er und ökologisch­er werden.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Die Ernährung in Deutschlan­d soll nach dem Willen der Bundesregi­erung langfristi­g gesünder, vielseitig­er und ökologisch­er werden.
 ?? FOTO: DPA ?? Bundesernä­hrungsmini­ster Cem Özdemir (Grüne): „Gesundes Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen“.
FOTO: DPA Bundesernä­hrungsmini­ster Cem Özdemir (Grüne): „Gesundes Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany