So soll sich Deutschland künftig ernähren
Kleinere Portionen, mehr Bio, weniger Fett, Salz und Fleisch – die neue Ernährungsstrategie der Bundesregierung hat es in sich.
BERLIN „Gutes Essen für Deutschland“steht wohlklingend über der Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet wurde. Der zuständige Minister Cem Özdemir (Grüne) fand bei der Vorstellung ähnlich schöne Worte: „Leckeres, gesundes und nachhaltiges Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man kommt.“Um auch noch zu betonen: „Entscheiden muss sich dann jeder selbst, da hat niemand jemandem etwas vorzuschreiben.“
Wozu braucht es eine solche Strategie?
Klar, Essen und Trinken sind Grundbedürfnisse. Und wie und was gegessen wird, „beeinflusst nicht nur unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Es wirkt sich auch auf unsere Lebensgrundlagen aus“, heißt es in dem über 70 Seiten langen Papier. Die Strategie bündelt daher rund 90 ernährungspolitische Maßnahmen, damit sich die Menschen gesünder und umweltschonender ernähren können. Bis 2050 allerdings.
Täglich werden in Kitas, Schulen, Kantinen oder Seniorenheimen knapp 40 Millionen Portionen Essen ausgegeben. „Der Anteil an Gemüse, Salat und Rohkost in der Gemeinschaftsverpflegung in Kita und Schule ist zu gering, während der Anteil an Fleisch zu hoch ist“, steht in der Strategie. Ziel sei eine bedarfsgerechte, ausgewogene und nachhaltige Verpflegung – etwa mit mehr Gemüse und Obst, ballaststoffreichen Getreideprodukten, weniger Zucker, gesättigten Fetten und Salz. Alles in allem soll der Bio-Anteil erhöht werden, und das für alle bezahlbar. Auch will die Regierung den hohen Anteil an der Lebensmittelverschwendung reduzieren – etwa durch mehr bedarfsgerechte Portionsgrößen.
Ist die Ernährungsindustrie ebenso gefordert?
Ja, die Regierung nennt sie „Konsumlandschaft“. Sie soll künftig eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährungsweise stärker unterstützen. Nach wie vor will Özdemir die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige unterbinden – was in der Koalition umstritten ist. Außerdem sollen Reduktionsziele für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten vorgegeben werden. Eine umfassende Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln ist ebenso geplant.
Sollen pflanzliche Alternativen stärker gefördert werden?
Eindeutig ja. Der Absatz von Alternativen zu tierischen Lebensmitteln habe über die vergangenen Jahre zwar zugenommen, bewege sich aber nach wie vor auf relativ niedrigem Niveau, schreibt die Regierung. Eine Innovationsförderung für Hersteller soll demnach Barrieren für den Markteintritt senken, den Wettbewerb erhöhen und damit letztlich zu niedrigeren Preisen für Verbraucher führen.
Bis 2030 sollen Lebensmittelabfälle in Deutschland halbiert werden, heißt es in dem Papier. Ein Großteil fällt in den privaten Haushalten an – 6,5 von elf Millionen Tonnen jährlich. Durch mehr Aufklärung über bedarfsgerechten Einkauf und richtige Lagerung hofft die Regierung, den Anteil reduzieren zu können. Mit Blick auf die Industrie heißt es: „Um die Weitergabe nicht verkaufter, noch verzehrfähiger Lebensmittel zu erleichtern, werden gesetzliche Regelungen zur Erleichterung von Lebensmittelspenden und haftungs- und steuerrechtliche Fragen geprüft.“
Was ist, wenn man sich kein gesundes Essen leisten kann?
Wegen stark gestiegener Lebensmittelpreise will die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um Ernährungsarmut zu bekämpfen. Speziell mit Blick auf Kinder. So werde die geplante Kindergrundsicherung – so sie denn kommt – verschiedene finanzielle Leistungen zusammenfassen und mehr Kindern und Jugendlichen den Zugang zu einer Kita- und Schulverpflegung ermöglichen.
Unterschiedlich. In der Koaltion wurde die Strategie gelobt. Verbände kritisierten sie als „schwammig“und „weitgehend folgenlos“. Es gebe zwar viele hehre Ziele, aber kaum wirkungsvolle Maßnahmen, hieß es.