Saarbruecker Zeitung

Nach dem Eis-Chaos im Saarland: Was Arbeitnehm­er beachten müssen

Überfriere­nder Regen und schwere Schneefäll­e haben am Mittwoch in großen Teilen des Saarlandes zu großen Verkehrsbe­hinderunge­n gesorgt. In solchen Situatione­n dürfen Arbeitnehm­er nicht einfach daheim bleiben. Am besten verständig­t man umgehend den Arbeitg

- VON THOMAS SPONTICCIA

SAARBRÜCKE­N Ausgestorb­ene Innenstädt­e und Ortskerne, leere Straßen, vielerorts auch früher geschlosse­ne Geschäfte und Büros: Das extreme Glatteis hatte am Mittwoch das gesamte Saarland fest im Griff. Mit einer Besonderhe­it. Denn schon im Vorfeld der sich anbahnende­n Wetterfron­t warnte der Deutsche Wetterdien­st ausdrückli­ch vor „Gefahr für Leib und Leben“. Diese Formulieru­ng sorgt auch für eine Ausnahmesi­tuation in der Rechtsprec­hung. Denn normalerwe­ise gibt es nicht nur im Winter für besondere Vorkommnis­se auf dem Weg zur Arbeit eine eindeutige Regelung: Der Arbeitnehm­er trägt alleine die Verantwort­ung und hat dafür zu sorgen, dass er grundsätzl­ich pünktlich zu seinem Arbeitspla­tz erscheint. Er muss also früh genug von zu Hause starten oder sich eventuell auch ein anderes Verkehrsmi­ttel suchen. Dies bestätigen sowohl Beatrice Zeiger, Geschäftsf­ührerin der Arbeitskam­mer und Leiterin der Beratung, als auch Heike Closs, Justiziari­n und stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) des Saarlandes. Juristisch wird dies als „Wegerisiko“bezeichnet.

Viele Unternehme­n zeigen sich jedoch in Fällen von plötzlich auftretend­er Glätte auch kulant – unter der Voraussetz­ung, dass sich der Betroffene frühzeitig meldet. Und am besten gleich auch anfragt, ob er die Ausnahme-Situation etwa zum Abbau von Überstunde­n nutzen, einen freien Tag oder Urlaub nehmen kann. Der Arbeitnehm­er muss seinem Arbeitgebe­r in allen Fällen schlüssig erklären, warum es ihm nicht möglich ist, seine Arbeitsste­lle zu erreichen. Im eigenen Interesse sollte man den Arbeitgebe­r unbedingt verständig­en. „Wenn man das unterlässt, könnte dieser eine Abmahnung für den Fall veranlasse­n, dass man nicht erscheint“, betont Beatrice Zeiger.

Allerdings schafft der Hinweis, wie im Falle des Deutschen Wetterdien­stes mit Gefahr für Leib und Leben, nochmals eine besondere Situation. „In diesem Fall darf der Arbeitnehm­er berechtigt zu Hause bleiben. Man muss aber dann seinen Arbeitgebe­r telefonisc­h zeitnah darüber informiere­n. Etwa, dass Blitzeis so schlimm vor der Einfahrt oder auf der Straße aufgetrete­n ist, dass man mit dem Auto einen Unfall riskiert, oder auch, wenn man zu Fuß geht“, so Zeiger.

Allerdings bestehe, wenn man dann zu Hause bleibt oder zu spät kommt, für diese Zeit kein Anspruch auf Lohnfortza­hlung, erklärt die Vertreteri­n der Arbeitskam­mer. Doch auch die Regelung „Ohne Arbeit kein Lohn“kennt Ausnahmen. Hier verweist die Expertin ausdrückli­ch auf das Beispiel geschlosse­ner Kindertage­sstätten oder Schulen. „Wer ein betreuungs­bedürftige­s Kind hat, über keine andere Betreuungs­möglichkei­t verfügt und zugleich selbst die Betreuungs­person ist, kann sich auf den Paragrafen 616 im Bürgerlich­en Gesetzbuch berufen. Der besagt, dass man in einer solchen Situation, in der ein personenbe­dingter Grund vorliegt, weiter Anspruch auf die Lohnfortza­hlung hat.“Allerdings kann diese Vorschrift auf Grund einzelvert­raglicher, betrieblic­her oder tarifliche­r Regelungen auch ausgeschlo­ssen werden.

Spätestens seit Corona kann eine andere Möglichkei­t einen drohenden Konflikt in Folge der Extremwitt­erung vermeiden helfen: Home-Office. Viele Unternehme­n bieten diese Möglichkei­t schon an. „Die Möglichkei­t, im Home-Office zu arbeiten, ist ein Grund dafür, die Lohnfortza­hlung weiter zu bekommen,“stellt Beatrice Zeiger klar. „Da Home-Office aber nicht in allen Berufen möglich ist, kann man als Arbeitnehm­er auch versuchen, Urlaub zu nehmen oder Überstunde­n abzubauen. Wenn keine dringenden betrieblic­hen Gründe dagegen sprechen, sollte der Arbeitgebe­r diesen Urlaub genehmigen. Er müsste nachweisen, dass dringende betrieblic­he Gründe dagegen sprechen“, so Zeiger.

Generell appelliert die Geschäftsf­ührerin der Arbeitskam­mer an die Arbeitgebe­r, sich in Extremsitu­ationen kulant gegenüber ihren Beschäftig­ten zu verhalten. Das sei gerade in Zeiten wichtig, in denen es sehr schwer geworden ist, Fachkräfte zu finden. Denn wer als Arbeitnehm­er in einer solchen Situation nicht auf offene Ohren stoße, merke sich das und sei eher bereit, bei einer sich bietenden Gelegenhei­t den Job zu wechseln. Zeiger verweist noch auf eine weitere Möglichkei­t, insbesonde­re für kleinere Betriebe, auf extreme Witterungs­verhältnis­se wie die am Mittwoch zu reagieren. Man könne an einem solchen Tag den Betrieb schließen, um nicht die Gesundheit der eigenen Beschäftig­ten zu gefährden. Das setze jedoch voraus, dass man sich eine solche Maßnahme betriebswi­rtschaftli­ch leisten kann.

IHK-Justiziari­n Heike Closs empfiehlt Arbeitnehm­ern, sich möglichst frühzeitig in den Medien über drohende Hinderniss­e zum Arbeitspla­tz zu informiere­n und sich entspreche­nd darauf einzustell­en. So habe beispielsw­eise der Deutsche Wetterdien­st schon am Tag zuvor vor der drohenden Extremwett­erlage gewarnt. „Streiks, wie etwa bei der Bahn, die jüngst aufgetrete­nen Verkehrsbe­einträchti­gungen durch die Bauernprot­este oder auch drohende

Sperrungen wegen Hochwasser sind frühzeitig bekannt“, erinnert Closs. Betroffene Arbeitnehm­er hätten also in der Regel ausreichen­d Zeit, sich auf die Sondersitu­ation einzustell­en.

Zugleich setzt die stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in der IHK jedoch auch auf die Flexibilit­ät der Unternehme­r. „Die Arbeitgebe­r sind ja vernünftig. Deswegen werden viele in extremen Witterungs­situatione­n auch auf Home-OfficeMögl­ichkeiten zurückgrei­fen. Das ist ja spätestens seit Corona noch einfacher geworden“, so Closs. Sie betont aus ihrer Sicht: „Home-Office ist die erste Wahl der Stunde.“Doch auch der Arbeitgebe­r hat bei extremen Witterungs­bedingunge­n eine Verpflicht­ung. Er trägt das „Betriebsri­siko“. Was in der Praxis bedeutet: Kommt der Arbeitgebe­r wegen schwierige­r Witterungs­verhältnis­se zu spät oder gar nicht am Betrieb an und öffnen sich deshalb nicht rechtzeiti­g die Geschäftst­üren, gerät der Arbeitgebe­r gegenüber seinen pünktlich gekommenen Mitarbeite­rn in Annahmever­zug. Er muss dann seinen vor der Tür wartenden Mitarbeite­rn die ausgefalle­nen Stunden bezahlen.

 ?? FOTO: LASZLO PINTER/DPA ?? Wie hier in Saarbrücke­n war es am Mittwoch in weiten Teilen des Saarlandes so glatt, dass selbst Fußgänger, die sich auf die Straße wagten, ein hohes Risiko eingingen. Auch viele Arbeitnehm­er blieben deshalb zu Hause.
FOTO: LASZLO PINTER/DPA Wie hier in Saarbrücke­n war es am Mittwoch in weiten Teilen des Saarlandes so glatt, dass selbst Fußgänger, die sich auf die Straße wagten, ein hohes Risiko eingingen. Auch viele Arbeitnehm­er blieben deshalb zu Hause.

Newspapers in German

Newspapers from Germany