ZF-Gesamtbetriebsrat befürchtet Stellenabbau
Von 12 000 Stellen ist auf einer Betriebsversammlung in Friedrichshafen die Rede. Auch in Saarbrücken sollen Arbeitsplätze wegfallen.
FRIEDRICHSHAFEN/SAARBRÜCKEN (dpa/SZ) Der Gesamtbetriebsrat des Autozulieferers ZF befürchtet für die kommenden Jahre einen großen Stellenabbau in Deutschland. Betroffen seien mindestens 12 000 Arbeitsplätze, erklärten die Betriebsräte am Mittwoch. 10 000 davon könnten bis 2028 wegfallen. Die Zahlen habe der ZF-Vorstand vor Weihnachten präsentiert.
Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee wollte die Zahl nicht kommentieren. Zu Spekulationen werde man sich nicht äußern, sagte Personalchefin Lea Corzilius und warnte vor Panikmache. ZF könne die Sorgen der Mitarbeiter aber nachvollziehen. Die Auftragslage sehe schlecht aus. Die Autoindustrie stecke schon länger in der Krise. Die weltweite Pkw-Produktion sei seit 2018 gesunken. „Wir befinden uns knietief in der Transformation.“
Und diese koste auch Beschäftigung, sagte ein ZF-Sprecher. „Wo wir für die Getriebemontage zwei Mitarbeiter benötigen, ist es für die E-Motoren nur einer.“Die Geschäftsführung will an diesem Donnerstag mit Arbeitnehmervertretern sprechen. Viel versprechen sich die Betriebsräte davon aber nicht.
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Achim Dietrich, fordert den Vorstand auf, „die Flucht in Niedriglohnländer“zu beenden. Bei einem Protestmarsch und einer Kundgebung am Mittwoch vor der Betriebszentrale machten zig Mitarbeiter ihrem Unmut Luft. Der mögliche Stellenabbau betreffe nicht mehr nur die Produktion, sondern auch den Einkauf, die Buchhaltung, die Entwicklung und das Controlling, so ein Sprecher des Gesamtbetriebsrats.
Den Protesten hat sich auch eine Delegation aus Saarbrücken angeschlossen, wie der hiesige Betriebsratschef Mario Kläs berichtet. Wie viele der genannten 12 000 Stellen am saarländischen Standort wegfallen könnten, konnte Kläs auf SZNachfrage nicht sagen. Hier arbeiten zurzeit rund 10 000 Menschen, jährlich werden rund 2,5 Millionen Getriebe für Verbrenner produziert. Dass grundsätzlich Stellen abgebaut werden, bestätigte bereits Markus Schwabe, Leiter der Produktlinie Elektrifizierte Antriebe, in einem SZ-Redaktionsgespräch Ende des vergangenen Jahres. In einer neuen E-Achse steckten deutlich weniger Bauteile, so würde auch weniger Personal gebraucht. „Der Standort Saarbrücken wird deshalb langfristig kleiner werden“, sagte Schwabe damals. Konkretere Prognosen seien unseriös. „Wir haben noch bei Weitem keine Kompensation für die zukünftige zurückgehende Getriebeproduktion in Saarbrücken“, sagt Kläs. Es stünden zahlreiche Befristungen an. So habe das Unternehmen die Möglichkeit, Verträge auslaufen zu lassen. Außerdem vermute man die Aufstellung eines Altersteilzeitprogramms.
Arbeitsplätze, die in Deutschland abgebaut werden, sollen offenbar in Niedriglohnländern wieder aufgebaut werden. Eine Besonderheit in Saarbrücken: Hier zahlen die Beschäftigten in einen sogenannten Zukunftsfonds ein. Wenn ZF sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen dazu entscheidet, eine gewonnene Akquise in einem Billiglohnland zu realisieren, hat Saarbrücken die Möglichkeit, mithilfe des Fonds eventuelle Wettbewerbsvorteile auszugleichen, erläutert Kläs.
Die Betriebsversammlung in Friedrichshafen, an der Kläs auch teilnimmt, läuft noch bis Freitag. Die Arbeitnehmervertreter erwarten, einen Austausch mit dem Vorstand über Perspektiven. „Wenn der Austausch nicht funktioniert, wird es an allen deutschen Standorten Proteste geben, davon gehe ich aus“, sagt Kläs.
ZF ist einer der größten Autozulieferer mit mehr als 50 000 Mitarbeitern allein in Deutschland. Der Konzern gehört mehrheitlich der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen.
Ende des Jahres will der Autozulieferer ein Werk in Gelsenkirchen schließen, das Lenkungen für Autos und Nutzfahrzeuge herstellt. Ende 2025 soll das Stoßdämpferwerk in Eitorf in Nordrhein-Westfalen geschlossen werden. Hunderte Mitarbeiter sind betroffen.
Die beiden Standorte machten seit Jahren Verluste, erklärte der ZF-Sprecher. Es sei nicht möglich, an Werken festzuhalten, für die es keine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive gebe. „Denn das Unternehmen muss seine Schulden reduzieren und die Transformation finanzieren.“
Der hohe Verschuldungsgrad ist nach Ansicht des Betriebsrats neben den Transformationskosten ein Grund für den Stellenabbau. Zum Halbjahr 2023 stand ZF mit mehr als elf Milliarden Euro in der Kreide. Die Schulden stammen zum Großteil aus Zukäufen des amerikanischen Autozulieferers TRW und des Bremsenspezialisten Wabco.
„Wir haben noch bei weitem keine Kompensation für die zukünftige zurückgehende Getriebeproduktion in Saarbrücken.“Mario Kläs Betriebsratsvorsitzender von ZF in Saarbrücken