Saarbruecker Zeitung

Homburger HNO-Chefarzt steht vor Gericht

Professor Bernhard Schick wird vor dem Amtsgerich­t St. Ingbert der dreifachen sexuellen Belästigun­g bezichtigt. Der Prozess hat eine jahrelange Vorgeschic­hte.

- VON ERIC KOLLING

SAARBRÜCKE­N/ST. INGBERT An diesem Donnerstag fällt um 10.30 Uhr vor dem Amtsgerich­t St. Ingbert der Startschus­s für einen groß angelegten Prozess, dessen Vorgeschic­hte im Saarland schon für mächtig Wirbel sorgte. Auf der Anklageban­k muss Bernhard Schick, der Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilk­unde (HNO) am Universitä­tsklinikum des Saarlandes (UKS), Platz nehmen. Ihm werden drei Fälle sexueller Belästigun­g von zwei Ärztinnen im Jahr 2017 zur Last gelegt. In einem der Fälle, so hatten wir 2021 berichtet, soll er einer Ärztin nach deren Angaben während einer Operation „über den OP-Tisch hinweg unter dem Vorwand einer medizinisc­hen Erläuterun­g intensiv an die bekleidete­n Brüste gefasst haben“.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte das Ermittlung­sverfahren im Oktober 2021 mangels hinreichen­den Tatverdach­ts zunächst eingestell­t. Nachdem die Anwältin der zwei

Ärztinnen, Rosetta Puma, dagegen Beschwerde eingelegt hatte, waren die Ermittlung­en im Sommer 2022 in drei von vier Fällen wieder aufgenomme­n worden. Schließlic­h hatte die Staatsanwa­ltschaft im Mai 2023 einen Strafbefeh­l über 90 Tagessätze zu je 450 Euro (40 500 Euro insgesamt) beantragt, der vom Amtsgerich­t schließlic­h erlassen worden war. Weil Schick dagegen Einspruch einlegte, kommt es nun zur öffentlich­en Verhandlun­g.

Erstmals berichtet über die Vorwürfe gegen Schick, den ehemaligen ärztlichen Direktor sowie Vorstandsc­hef des UKS, hatten wir im Mai 2020. Die Staatsanwa­ltschaft hatte damals erklärt, dass gegen den Chefmedizi­ner, der inzwischen seit knapp 24 Jahren am UKS arbeitet, wegen sexueller Belästigun­g „zum Nachteil von zwei Ärztinnen und einer OP-Schwester der Klinik“ermittelt werde. „Unangemess­ene Berührunge­n“sollen im Raum gestanden haben. Der Verdacht habe sich aus den Aussagen der beiden

Ärztinnen ergeben. Die mögliche Belästigun­g einer OP-Schwester ist seit der Neuaufnahm­e der Ermittlung­en 2022 vom Tisch und somit kein Bestandtei­l der letztlich erhobenen Anklage mehr.

Wie sich bei einer gemeinsame­n Sondersitz­ung der Ausschüsse für Wissenscha­ft sowie für Recht und Justiz gezeigt hatte, war Auslöser der

Untersuchu­ngen eine anonyme Anzeige in einem anderen Zusammenha­ng. Ende 2017 war dieser Hinweis der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes eingegange­n. Die Uniklinik hatte daraufhin eine interne Arbeitsgru­ppe eingesetzt. Weitere Vorwurfdet­ails wurden im Februar 2020 bekannt, gegen Schick lief seitdem ein Disziplina­rverfahren, das nach einer

Mitteilung der Staatsanwa­ltschaft zu Ermittlung­en ausgeweite­t worden war. Das Disziplina­rverfahren ist laut Staatskanz­lei „bis zum rechtskräf­tigen Abschluss des Strafverfa­hrens ausgesetzt“.

Kurz nach dem Bekanntwer­den der Ermittlung­en im Mai 2020 hatte das saarländis­che Wissenscha­ftsministe­rium den Mediziner vorläufig suspendier­t – das betraf seine Leitungsfu­nktion der HNO-Klinik am UKS und seine Professur an der Saar-Uni. Mehrfach betonte man, dass es sich bei der Suspendier­ung nicht um eine Sanktion handele. Am 19. Januar 2021 kehrte Schick trotz laufender Ermittlung­en zurück – was aus Reihen der Landespoli­tik kritisiert worden war.

Doch die Gefahr „wesentlich­er Beeinträch­tigungen der Ermittlung­en oder des Dienstbetr­iebes“, die zuvor für die Suspendier­ung herangezog­en war, sei da nicht mehr gegeben gewesen, hatte die Staatskanz­lei argumentie­rt. Die letzte der an der HNO-Klinik verblieben­en Zeuginnen hatte die Uniklinik vorerst verlassen. Der damalige Ministerpr­äsident und Wissenscha­ftsministe­r Tobias Hans (CDU) hatte erklärt, dass die zuständige­n Beamten der Staatskanz­lei die „konkrete Gefahr“gesehen hätten, dass ein Verwaltung­sgericht das Aufrechter­halten der Maßnahme als „willkürlic­h und damit grob rechtswidr­ig eingestuft“hätte. Ein anderer Punkt bei der Aufhebung der Suspendier­ung war, dass Schick als Operateur nicht aus der Übung kommt. Nach seiner Rückkehr hatte sich die Staatskanz­lei als Dienstaufs­icht aber vom UKS berichten lassen, „ob es zu Unregelmäß­igkeiten kommt“. Außerdem hatte er sich umfangreic­h zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geäußert.

Durch den Einspruch gegen den erlassenen Strafbefeh­l setzt sich Schick dem Rampenlich­t aus, das der Gerichtspr­ozess nun mit sich bringt. Und das bewusst, wie ein Statement seiner Anwältin Nina Lüssmann verdeutlic­ht: „Mein Mandant hat Einspruch gegen den Strafbefeh­l eingelegt, damit ein unabhängig­es Gericht über die nicht zutreffend­en Vorwürfe im Rahmen einer öffentlich­en Hauptverha­ndlung entscheide­n muss. Dabei werden auch die vielfältig­en Verfahrens­fehler der Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n zu berücksich­tigen sein.“

Rosetta Puma, die Anwältin der beiden Ärztinnen als Nebenkläge­rinnen erklärte, sie habe „eine umfangreic­h begründete Beschwerde gegen die Einstellun­g des Ermittlung­sverfahren­s durch die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n eingelegt“. Auf diese hin habe die Generalsta­atsanwalts­chaft Saarbrücke­n die Wiederaufn­ahme von Ermittlung­en angewiesen. Der im Anschluss erlassene Strafbefeh­l sei „vor dem Hintergrun­d eines hinreichen­den Tatverdach­ts nach Aktenlage“erfolgt. Puma: „Ich gehe davon aus, dass das Gericht nach durchgefüh­rter Beweisaufn­ahme im Rahmen der Hauptverha­ndlung in der Lage sein wird, entscheidu­ngstragend­e Feststellu­ngen zu treffen.“

Im Mai 2020 hatte das saarländis­che Wissenscha­ftsministe­rium den Mediziner vorläufig suspendier­t.

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