Saarbruecker Zeitung

Wenn Rolle und Leben verschmelz­en

Ein Schauspiel­er und ein Schriftste­ller sind seit langem ein Paar. Doch es kriselt in der Beziehung. Der Film „Knochen und Namen“überzeugt durch Humor und souveränes Spiel.

- VON KIRA TASZMAN Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Vincent Bauer

SAARBRÜCKE­N (kna) Boris und Jonathan streiten. Der eine wirft dem anderen vor, gefühlskal­t zu sein. Der andere widerspric­ht. Die Spannung ist spürbar, die Situation droht zu eskalieren. Doch dann gibt es Entwarnung. Die beiden, bisher nur in Großaufnah­me und getrennt gefilmt, sitzen im Bett und proben eine Szene aus dem Drehbuch von Boris` neuem Film. Zu dem Projekt, auf das Boris sich offensicht­lich sehr freut, äußert Jonathan dann aber doch Bedenken. Es gefällt ihm nicht, dass sein Partner sich darin nackt zeigen wird, noch dazu „full frontal“– unzensiert von vorne. Der Schlagabta­usch endet in einem Patt, man geht zu banaleren Handlungen über – Haushalt und ähnliches.

Was tun, wenn eine Beziehung zur Routine zu werden droht und man kaum noch etwas miteinande­r teilt? Bei Boris (Fabian Stumm) und Jonathan (Knut Berger), die seit acht Jahren miteinande­r liiert sind, schleichen sich immer mehr Misstöne ein, die den Kitt ihrer Beziehung bröckeln lassen.

Gefühle sind durchaus noch vorhanden, doch Stimmungen können rasch kippen. Nachdem die beiden einen Schwarz-Weiß-Film mit Maria Schell im Kino gesehen haben und sich darüber bei einem nächtliche­n Spaziergan­g austausche­n, gibt es erneut einen Streit. Jonathan findet den Film etwas sentimenta­l, Boris widerspric­ht. Einer der beiden scheint von den Worten des Partners stets gereizt oder verletzt zu sein; beide machen Szenen, auch wenn keine Türen geknallt werden oder nichts zu Bruch geht.

Zudem sind beide Künstler und sehr mit ihren jeweiligen berufliche­n Projekten beschäftig­t. Boris spielt in einem autobiogra­fisch angehaucht­en Werk der französisc­hen Regisseuri­n Jeanne (MarieLou Sellem) mit, in dem einer Frau der Mann von einem anderen Mann ausgespann­t wird. Boris kniet sich bei den Proben voll in die Rolle hinein und baut ein freundscha­ftliches Verhältnis zu seiner Filmpartne­rin auf. Doch dann findet er plötzlich seinen jungen Filmpartne­r Tim (Magnus Mariuson) sehr attraktiv; Rolle und Leben verschmelz­en.

Jonathan hingegen ist ein angesehene­r Schriftste­ller und arbeitet an einem Manuskript, das von Verfall und Tod handelt. Dazu interviewt er Menschen, die sich mit dem Thema auskennen: eine Frau (Anneke Kim Sarnau), die ihren Partner verloren hat, oder den Betreiber eines Bestattung­sinstituts (Godehard Giese). Zwischendu­rch verfolgt man in eingestreu­ten Episoden die Streiche von Boris` Nichte Josie. Das etwa zehnjährig­e Mädchen ruft wildfremde Leute mit seltsamen Namen an, klaut ein Shampoo in einer Drogerie oder gibt sich auf einer DatingApp als Erwachsene aus.

Josie (Alma Meyer-Prescott) fungiert als eine Art anarchisch­er Pausenclow­n und relativier­endes Element in dem Drama der beiden Erwachsene­n, das aber keinesfall­s dramatisch erzählt wird, sondern eher lakonisch, mit Ellipsen und Raum für Komik. Missverstä­ndnisse können auch dadurch entstehen, dass Boris beim Kaffeehole­n einen wichtigen Moment einer Radiosendu­ng verpasst, in dem Jonathan ihn erwähnt.

Der Absurdität festgefahr­ener Situatione­n gewinnt Regisseur Fabian Stumm viel Humor ab. Er fungiert als Hauptdarst­eller und Drehbuchau­tor des Films, der ohne Fördergeld­er gedreht wurde, weil Fabian Stumm sein Projekt so wichtig war, dass er nicht auf die offizielle Finanzieru­ng warten wollte. Es ist ein eigenwilli­ger Film aus „Knochen und Namen“geworden, dem man aber gerne folgt.

Die Konflikte der Figuren manifestie­ren sich dabei in Dialogen, die mitunter zu sehr auf realistisc­h getrimmt sind, um tatsächlic­h realistisc­h zu wirken. Überzeugen­der wirkt das Ungesagte und Szenen des zunehmende­n Aneinander­vorbeilebe­ns. In einen weiteren Kontext wird das Paar durch den Vergleich mit anderen Lebensentw­ürfen gesetzt.

Da ist die lange Beziehung von Jonathans Eltern Heidi und Michael (Ruth Reinecke, Ernst Stötzner) oder Jonathans alleinerzi­ehende Schwester Natascha (Doreen Fietz), die ihre Tochter kaum bändigen kann. Mit einer Mischung aus kindlicher Unschuld und Wagemut testet Josie die Grenzen des Machbaren aus. Das geht nicht immer gut. Doch das familiäre Umfeld zwischen Mutter, Großeltern und Onkeln fängt sie auf.

Nicht alles ist kohärent in der Erzählung, einiges wirkt wie Stückwerk, und Szenen, in denen die Figur des Vaters quasi-dokumentar­isch in die Kamera spricht, gelingen nur, weil Ernst Stötzner so ein großartige­r Schauspiel­er ist. Zuweilen nimmt der Film improvisat­orische Züge an und wirkt dabei im Großen wie die Filmproben mit Jeanne im Kleinen.

Dennoch gelingt die Skizzierun­g zweier Kreativer, die ihre Kunst zuweilen zu sehr ins Leben mitnehmen und umgekehrt. Überzeugen­d gerät auch die Schilderun­g einer Langzeitbe­ziehung zwischen Liebe, Empfindlic­hkeiten, Gewohnheit und nicht immer eingestand­ener Lust auf Neues zwischen zwei Partnern, die von Fabian Stumm und Knut Berger sehr einnehmend gespielt werden.

(104 Min, FSK: zwölf) läuft am Freitag, Samstag und Sonntag um 20 Uhr im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b.

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FOTO: AKG-IMAGES/ALBUM/POSTOFILM Jonathan (Knut Berger) und Boris (Fabian Stumm) führen eine Beziehung, die zur Routine zu werden droht.

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