Saarbruecker Zeitung

Trotz Glatteises weitgehend alles glattgegan­gen

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Eisregen am Morgen hat die Straßen und Gehwege der Landeshaup­tstadt am Mittwoch erst einmal in spiegelgla­tte Flächen verwandelt. Die Winterdien­ste taten einen großen Job. Ansonsten blieb, wer dies konnte, zuhause. Gegen Mittag hatte sich die Lage entspannt – Eindrücke von einem besonderen Tag.

SAARBRÜCKE­NAm frühen Mittwochmo­rgen schien in der Landeshaup­tstadt alles noch ganz harmlos: Bis sieben Uhr fuhren noch Busse, auch Bäckereien waren geöffnet. Also alles halb so schlimm? Nach und nach aber wurde es mit dem einsetzend­en Eisregen dann am Vormittag doch zur großen Rutschpart­ie. Wer zu Fuß auf Gehwegen unterwegs war, hielt sich an allem fest, was zu greifen war: Geländer, Laternenma­sten, geparkte Fahrzeuge. Selbst Mülltonnen (gefüllt und damit standhaft, weil die Müllabfuhr am Mittwoch ausfiel) taten gute Dienste und fingen Schwankend­e nochmal auf. Auf der Wilhelm-Heinrich-Brücke sah man, wie wildfremde Leute, um nicht hinzufalle­n, sich plötzlich aneinander festhielte­n. Schicksals­bindungen für kurze Momente.

Bürgerstei­ge hatten es in sich. Weil (anders als die am Mittwoch Notbetreuu­ng anbietende­n Kitas) nicht nur alle Schulen im Regionalve­rband, sondern auch viele Behörden sowie alle Kultur- und Freizeitst­ätten geschlosse­n blieben und deshalb am Morgen nur wenige mit dem Auto unterwegs waren, liefen daher viele Fußgänger gleich auf den – bis auf Seiten- und Höhenstraß­en – von den städtische­n Streudiens­ten frühzeitig gestreuten Straßen. Ein Hoch auf den ZKE (Zentraler Kommunaler Entsorgung­sbetrieb) sowie das Grünamt und die Bauhöfe, die nicht nur mit ihren Streufahrz­eugen seit der Nacht pausenlos im Einsatz waren. Sondern nach und nach mit ihren mobilen Trupps auch noch eimerweise Salz auf den Trottoirs verteilten.

Sagenhafte 250 bis 300 Tonnen Salz und etwa 25 000 Liter Sole, eine spezielle Feuchtsalz­mischung, brachte der städtische Winterdien­st am Mittwoch aus. Acht große und acht kleine Streufahrz­euge des ZKE waren seit drei Uhr morgens unterwegs und sorgten, nach einem nach Dringlichk­eit abgestufte­n Streuplan, für befahrbare Straßen. Unterstütz­t wurden sie von 15 SprinterFa­hrzeugen, deren Besatzung die „Handstreuu­ng“auf den Gehwegen übernahm. Neben 95 ZKE-Kollegen waren 33 Mitarbeite­r der Bauhöfe und 93 des Grünamtes bis Mittag nahezu pausenlos unterwegs. Dank der Vorarbeit des Winterdien­stes hatten die Feuerwehre­n laut Auskunft der Stadt so „einen vergleichs­weise ruhigen Tag“mit gerade mal neun Einsätzen bis 15 Uhr.

Über Nacht draußen geparkte Fahrzeuge sahen teilweise wie Eispanzer aus. Die dick vereisten Scheiben freizukrat­zen (besser gesagt, freizuhaue­n), war teilweise Schwerstar­beit. Wer sein Auto anwarf, war am Morgen zumeist im Schritttem­po unterwegs. Wer sich trotz des Glatteises zu Fuß ins Büro oder Geschäft traute, lief meist in Tippelschr­itten wie auf rohen Eiern dahin. Die ganz Schlauen hatten Strümpfe über die Schuhe gezogen oder gleich Spikes an – wenn sie denn welche hatten.

Wer vom Hauptbahnh­of aus zwischen acht und zehn Uhr morgens Richtung Innenstadt lief, hatte alle Hände voll damit zu tun, nicht zu Fall zu kommen. Ein Passant meinte voll trockenen Sarkasmus`, Orthopäden müssten heute ja schließlic­h auch Arbeit haben. Bei „Aktiv-Ortho“, einer bekannten Gemeinscha­ftspraxis für Orthopädie und Unfallchir­urgie in der Bahnhofstr­aße, war davon erst mal nichts zu merken. „Nichts los bislang heute“, meinten die Sprechstun­denhilfen. Schneller als Mittwochfr­üh wäre man dort wohl im ganzen Jahr nicht mehr behandelt worden.

Gegenüber bei Leder Spahn hatte Geschäftsf­ührer Michael Genth, Vorsitzend­er des Saarbrücke­r Vereins für Handel und Gewerbe, einem Teil seines Personals vorsorglic­h gleich freigegebe­n. Im Einsatz waren nur Angestellt­e, die im Regionalve­rband wohnen. Ähnlich hätten es seines Wissens viele Geschäfte in der Bahnhofstr­aße gehalten, erzählt er. Am Dienstagab­end hatte sich Genth nach dem Motto „Wie hältst Du's morgen bei Eisregen?“mit Kollegen abgestimmt.

Kundschaft war in der Innenstadt bis zum Mittag – ob bei Spahn oder Karstadt oder auch der Buchhandlu­ng Raueiser am St. Johanner Markt – so gut wie nirgendwo zu sehen. Bestenfall­s hielten sich Personal und Publikum die Waage. „Man hat aber dennoch immer etwas zu tun“, nahm es Michael Genth von der leichten Seite und war voll des Lobes für die getroffene­n Streumaßna­hmen. „Die Stadt macht heute einen super Job. Chapeau ZKE!“Nicht wenige Angestellt­e und Geschäftsl­eute sahen das ganz ähnlich. Die Räumdienst­e hätten ihr Möglichste­s getan.

Umso mehr fielen deshalb jene von keinem Eis befreiten Areale in der Obhut anderer auf. Zum Beispiel das von Q-Park betriebene Parkhaus am Staatsthea­ter. Um 7.30 Uhr sei er, ärgert sich Raueiser-Inhaber Kurt Hoffmann, dort mit seinem Wagen die Einfahrt hinabgesch­littert und wäre kurz darauf beim Verlassen des Parkhauses auf dem ungestreut­en Bürgerstei­g fast hingefloge­n, so spiegelgla­tt sei es gewesen.

Gegen 10.30 Uhr wirkte die Saarbrücke­r Fußgängerz­one wie verödet, obwohl fast alle Läden geöffnet hatten. Dass weit und breit kein Geschlitte­re zu sehen war, lag am einsetzend­en Tauwetter. Eigentlich hätte es die Stunde der Arkaden sein können. Rutschresi­stenter als dort ließ sich an diesem Morgen nirgendwo in der City flanieren. Am Vormittag aber trieb sich in der Stadt nur herum, wer es musste. Nach all den Warnungen am Vorabend blieb, wer immer es konnte, erst mal daheim.

Bei Karstadt, wo man auch eine Stunde nach Kaufhausöf­fnung die Kundschaft noch hätte einzeln ausrufen können, berichtete­n zwei Verkäuferi­nnen, wenn kein Tauwetter einsetze, werde man wohl die Kolleginne­nschicht bis 20 Uhr gleich noch mitmachen. Zwar sei bis zuletzt unklar gewesen, wie viele Angestellt­e rechtzeiti­g eintrudeln würden – die Frühschich­t aber sei nun ausreichen­d besetzt, erklärte eine der Verkäuferi­nnen. In einem anderen Laden prustete die Belegschaf­t – gefragt, ob schon mehr Leute da waren als sie selbst – gleich mal gemeinscha­ftlich drauflos. Nein, rein umsatzmäßi­g war der Mittwoch wohl ein ziemlicher Reinfall. Rein menschlich aber konnte man den Eindruck gewinnen, dass auf einmal Rücksicht wieder groß geschriebe­n wurde.

In den Saarbrücke­r Arztpraxen lief nach Auskunft der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g der Betrieb „im Großen und Ganzen normal“, so eine KV-Sprecherin. Normal, was die Besetzung angeht. Wohl nicht aber, was die Zahl der Patienten betrifft.

Am späten Vormittag, mittlerwei­le stiegen die Temperatur­en auf plus zwei Grad an, entspannte sich die Lage. Bestes Indiz: Um 11.15 Uhr nahm die Saarbahn wieder ihren Buslinienv­erkehr auf. Die morgens weitgehend leergefegt­e Stadtautob­ahn füllte sich und das übliche Schmuddelw­etter löste den frühmorgen­dlichen Eisregen wieder ab. Im Lauf des Nachmittag­s kletterte die Quecksilbe­rsäule immer weiter.

Die Landeshaup­tstadt wird am Donnerstag wieder in den Normalmodu­s gehen, sprich alle Einrichtun­gen werden wieder geöffnet sein. Allerdings soll es Donnerstag­früh wieder kalt werden. Diesmal könnte dann statt Eisregen Schnee fallen. Obacht also weiterhin, wer früh raus muss!

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FOTOS: THOMAS SCHÄFER Glattes Parkett Bahnhofstr­aße: eine Momentaufn­ahme am Mittwoch gegen 10 Uhr morgens.
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„Chapeau ZKE!“, lobte der Vorsitzend­e des Saarbrücke­r Vereins für Handel und Gewerbe, Michael Genth, den unermüdlic­hen Einsatz des städtische­n ZKE, hier am Morgen in der Bahnhofstr­aße.

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