Trotz Glatteises weitgehend alles glattgegangen
Eisregen am Morgen hat die Straßen und Gehwege der Landeshauptstadt am Mittwoch erst einmal in spiegelglatte Flächen verwandelt. Die Winterdienste taten einen großen Job. Ansonsten blieb, wer dies konnte, zuhause. Gegen Mittag hatte sich die Lage entspannt – Eindrücke von einem besonderen Tag.
SAARBRÜCKENAm frühen Mittwochmorgen schien in der Landeshauptstadt alles noch ganz harmlos: Bis sieben Uhr fuhren noch Busse, auch Bäckereien waren geöffnet. Also alles halb so schlimm? Nach und nach aber wurde es mit dem einsetzenden Eisregen dann am Vormittag doch zur großen Rutschpartie. Wer zu Fuß auf Gehwegen unterwegs war, hielt sich an allem fest, was zu greifen war: Geländer, Laternenmasten, geparkte Fahrzeuge. Selbst Mülltonnen (gefüllt und damit standhaft, weil die Müllabfuhr am Mittwoch ausfiel) taten gute Dienste und fingen Schwankende nochmal auf. Auf der Wilhelm-Heinrich-Brücke sah man, wie wildfremde Leute, um nicht hinzufallen, sich plötzlich aneinander festhielten. Schicksalsbindungen für kurze Momente.
Bürgersteige hatten es in sich. Weil (anders als die am Mittwoch Notbetreuung anbietenden Kitas) nicht nur alle Schulen im Regionalverband, sondern auch viele Behörden sowie alle Kultur- und Freizeitstätten geschlossen blieben und deshalb am Morgen nur wenige mit dem Auto unterwegs waren, liefen daher viele Fußgänger gleich auf den – bis auf Seiten- und Höhenstraßen – von den städtischen Streudiensten frühzeitig gestreuten Straßen. Ein Hoch auf den ZKE (Zentraler Kommunaler Entsorgungsbetrieb) sowie das Grünamt und die Bauhöfe, die nicht nur mit ihren Streufahrzeugen seit der Nacht pausenlos im Einsatz waren. Sondern nach und nach mit ihren mobilen Trupps auch noch eimerweise Salz auf den Trottoirs verteilten.
Sagenhafte 250 bis 300 Tonnen Salz und etwa 25 000 Liter Sole, eine spezielle Feuchtsalzmischung, brachte der städtische Winterdienst am Mittwoch aus. Acht große und acht kleine Streufahrzeuge des ZKE waren seit drei Uhr morgens unterwegs und sorgten, nach einem nach Dringlichkeit abgestuften Streuplan, für befahrbare Straßen. Unterstützt wurden sie von 15 SprinterFahrzeugen, deren Besatzung die „Handstreuung“auf den Gehwegen übernahm. Neben 95 ZKE-Kollegen waren 33 Mitarbeiter der Bauhöfe und 93 des Grünamtes bis Mittag nahezu pausenlos unterwegs. Dank der Vorarbeit des Winterdienstes hatten die Feuerwehren laut Auskunft der Stadt so „einen vergleichsweise ruhigen Tag“mit gerade mal neun Einsätzen bis 15 Uhr.
Über Nacht draußen geparkte Fahrzeuge sahen teilweise wie Eispanzer aus. Die dick vereisten Scheiben freizukratzen (besser gesagt, freizuhauen), war teilweise Schwerstarbeit. Wer sein Auto anwarf, war am Morgen zumeist im Schritttempo unterwegs. Wer sich trotz des Glatteises zu Fuß ins Büro oder Geschäft traute, lief meist in Tippelschritten wie auf rohen Eiern dahin. Die ganz Schlauen hatten Strümpfe über die Schuhe gezogen oder gleich Spikes an – wenn sie denn welche hatten.
Wer vom Hauptbahnhof aus zwischen acht und zehn Uhr morgens Richtung Innenstadt lief, hatte alle Hände voll damit zu tun, nicht zu Fall zu kommen. Ein Passant meinte voll trockenen Sarkasmus`, Orthopäden müssten heute ja schließlich auch Arbeit haben. Bei „Aktiv-Ortho“, einer bekannten Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Bahnhofstraße, war davon erst mal nichts zu merken. „Nichts los bislang heute“, meinten die Sprechstundenhilfen. Schneller als Mittwochfrüh wäre man dort wohl im ganzen Jahr nicht mehr behandelt worden.
Gegenüber bei Leder Spahn hatte Geschäftsführer Michael Genth, Vorsitzender des Saarbrücker Vereins für Handel und Gewerbe, einem Teil seines Personals vorsorglich gleich freigegeben. Im Einsatz waren nur Angestellte, die im Regionalverband wohnen. Ähnlich hätten es seines Wissens viele Geschäfte in der Bahnhofstraße gehalten, erzählt er. Am Dienstagabend hatte sich Genth nach dem Motto „Wie hältst Du's morgen bei Eisregen?“mit Kollegen abgestimmt.
Kundschaft war in der Innenstadt bis zum Mittag – ob bei Spahn oder Karstadt oder auch der Buchhandlung Raueiser am St. Johanner Markt – so gut wie nirgendwo zu sehen. Bestenfalls hielten sich Personal und Publikum die Waage. „Man hat aber dennoch immer etwas zu tun“, nahm es Michael Genth von der leichten Seite und war voll des Lobes für die getroffenen Streumaßnahmen. „Die Stadt macht heute einen super Job. Chapeau ZKE!“Nicht wenige Angestellte und Geschäftsleute sahen das ganz ähnlich. Die Räumdienste hätten ihr Möglichstes getan.
Umso mehr fielen deshalb jene von keinem Eis befreiten Areale in der Obhut anderer auf. Zum Beispiel das von Q-Park betriebene Parkhaus am Staatstheater. Um 7.30 Uhr sei er, ärgert sich Raueiser-Inhaber Kurt Hoffmann, dort mit seinem Wagen die Einfahrt hinabgeschlittert und wäre kurz darauf beim Verlassen des Parkhauses auf dem ungestreuten Bürgersteig fast hingeflogen, so spiegelglatt sei es gewesen.
Gegen 10.30 Uhr wirkte die Saarbrücker Fußgängerzone wie verödet, obwohl fast alle Läden geöffnet hatten. Dass weit und breit kein Geschlittere zu sehen war, lag am einsetzenden Tauwetter. Eigentlich hätte es die Stunde der Arkaden sein können. Rutschresistenter als dort ließ sich an diesem Morgen nirgendwo in der City flanieren. Am Vormittag aber trieb sich in der Stadt nur herum, wer es musste. Nach all den Warnungen am Vorabend blieb, wer immer es konnte, erst mal daheim.
Bei Karstadt, wo man auch eine Stunde nach Kaufhausöffnung die Kundschaft noch hätte einzeln ausrufen können, berichteten zwei Verkäuferinnen, wenn kein Tauwetter einsetze, werde man wohl die Kolleginnenschicht bis 20 Uhr gleich noch mitmachen. Zwar sei bis zuletzt unklar gewesen, wie viele Angestellte rechtzeitig eintrudeln würden – die Frühschicht aber sei nun ausreichend besetzt, erklärte eine der Verkäuferinnen. In einem anderen Laden prustete die Belegschaft – gefragt, ob schon mehr Leute da waren als sie selbst – gleich mal gemeinschaftlich drauflos. Nein, rein umsatzmäßig war der Mittwoch wohl ein ziemlicher Reinfall. Rein menschlich aber konnte man den Eindruck gewinnen, dass auf einmal Rücksicht wieder groß geschrieben wurde.
In den Saarbrücker Arztpraxen lief nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung der Betrieb „im Großen und Ganzen normal“, so eine KV-Sprecherin. Normal, was die Besetzung angeht. Wohl nicht aber, was die Zahl der Patienten betrifft.
Am späten Vormittag, mittlerweile stiegen die Temperaturen auf plus zwei Grad an, entspannte sich die Lage. Bestes Indiz: Um 11.15 Uhr nahm die Saarbahn wieder ihren Buslinienverkehr auf. Die morgens weitgehend leergefegte Stadtautobahn füllte sich und das übliche Schmuddelwetter löste den frühmorgendlichen Eisregen wieder ab. Im Lauf des Nachmittags kletterte die Quecksilbersäule immer weiter.
Die Landeshauptstadt wird am Donnerstag wieder in den Normalmodus gehen, sprich alle Einrichtungen werden wieder geöffnet sein. Allerdings soll es Donnerstagfrüh wieder kalt werden. Diesmal könnte dann statt Eisregen Schnee fallen. Obacht also weiterhin, wer früh raus muss!