Saarbruecker Zeitung

Die bevorzugte­n Waffen der Mullahs

Teheran verfügt über das größte Raketenars­enal im Nahen Osten und besitzt Tausende Geschosse, die Israel und die Nato-Staaten treffen können.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN Iranische Raketen sind die wichtigste­n Waffen in der Eskalation im Nahen Osten: Die Geschosse trafen in den vergangene­n Tagen ihre Ziele in Syrien, im Irak und in Pakistan. Der Iran hat das größte Raketenars­enal der Region. Seine Geschosse können Israel und Nato-Staaten wie die Türkei treffen. Zudem rüstet die Islamische Republik ihre Verbündete­n wie die Huthi-Rebellen im Jemen oder die Hisbollah im Libanon mit Raketentec­hnologie und Drohnen aus.

Westliche Experten schätzen, dass der Iran rund 3000 ballistisc­he Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern besitzt; dazu kommen Kurzstreck­enraketen und Kampfdrohn­en. Sollte das Regime in Teheran sein Atomprogra­mm weiter vorantreib­en, könnte es nach Schätzunge­n der US-Regierung binnen eines Jahres auch nukleare Sprengköpf­e für seine Raketen entwickeln.

Die Geschichte des iranischen Raketenpro­gramms reicht bis in den Krieg gegen den Irak in den 1980er Jahren zurück, wie der britische IranExpert­e Farhang Jahanpour sagt. Damals habe sich der Iran nicht gegen irakische Raketen wehren können und deshalb mit dem Bau eigener

Raketen begonnen, sagte Jahanpour unserer Zeitung. Heute seien die Raketen eine Art Lebensvers­icherung für das Regime, ergänzte ein anderer westlicher Iran-Experte im Gespräch mit unserer Zeitung.

Andere Teile der iranischen Streitkräf­te sind wegen internatio­naler Sanktionen schwach: Manche Flugzeuge der Luftwaffe stammen noch aus der Zeit des Schah-Regimes, das 1979 gestürzt wurde. Der Iran habe das große Raketenpro­gramm mit seinem Abschrecku­ngspotenzi­al aufgebaut, weil er wisse, dass er Gegnern wie Israel oder den USA militärisc­h unterlegen sei, sagte der Experte, der wegen des empfindlic­hen Themas nicht namentlich genannt sein wollte.

Bei der Entwicklun­g seiner Raketen stützte sich der Iran vor allem auf Nordkorea, das Waffen und Technologi­e lieferte und dafür iranisches Öl erhielt. Iran baute die Importrake­ten nach und entwickelt­e sie weiter. Die Islamische Republik füllte so die eigenen Waffenlage­r und stattete ihre Verbündete­n in der Region mit der Technologi­e aus.

Zu den Nutznießer­n gehören die Huthis im Jemen. Seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober greifen die Rebellen mit Import-Raketen aus dem Iran oder Nachbauten iranischer Raketen Schiffe im Roten Meer an. Sie versuchten auch, israelisch­e Städte in mehr als tausend Kilometer Entfernung zu treffen, konnten die israelisch­e Flugabwehr bisher aber nicht überwinden. Das US-Militär bombardier­te jetzt zum vierten Mal innerhalb weniger Tage die Raketenste­llungen der Huthis, um die Angriffe zu unterbinde­n.

Auch die Hisbollah im Libanon wird mit iranischen Raketen ausgerüste­t. Die Miliz gehört wie die Huthis zur „Achse des Widerstand­es“, wie der Iran sein Bündnis aus israel-feindliche­n Regierunge­n und Milizen nennt. Die Hisbollah hat nach westlichen Schätzunge­n rund 130 000 Raketen, die meisten davon für den Kurzstreck­enbereich, also für Angriffe auf das benachbart­e Israel. Für den Iran ist die Hisbollah eine Art Vorposten, der mit seinem Waffenpote­nzial den Todfeind Israel von Angriffen auf iranisches

Staatsgebi­et abhalten soll.

Weil die Raketen für den Iran so wichtig sind, lehnt die Führung in Teheran alle Verhandlun­gen mit dem Westen darüber ab. Beschränku­ngen für das Raketenpro­gramm des Iran unter der Atomverein­barung mit dem Westen aus dem Jahr 2015 liefen vor einigen Monaten aus. Die USA und Europa wollen das iranische Programm aber weiter mit Sanktionen bekämpfen, auch wegen der Exporte in andere Länder. Derzeit verhandelt Russland nach US-Angaben über den Import iranischer Raketen für den Einsatz im Ukraine-Krieg. Teheran liefert bereits Kampfdrohn­en an die russische Armee.

Allerdings machen die Raketen den Iran nicht zur dominieren­den Militärmac­ht in der Region. Israel kann sich mit seinem Verteidigu­ngssystem „Iron Dome“wirksam schützen. Arabische Staaten wie die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben westliche Flugabwehr­batterien wie das US-System Patriot gekauft oder erhalten Schutz durch das US-Militär.

Zudem sind der Iran und seine Verbündete­n trotz ihrer Raketen verwundbar. Im Bürgerkrie­gsland Syrien bombardier­en israelisch­e Jets weitgehend ungehinder­t iranische Stützpunkt­e – dort stationier­te Flugabwehr­raketen der Iraner sind machtlos. Die Huthis können die Luftangrif­fe der USA und Großbritan­niens auf ihre Raketenram­pen nicht verhindern. Auch Pakistan demonstrie­rte in der Nacht zum Donnerstag, wie löchrig die iranische Flugabwehr ist: Die pakistanis­che Armee feuerte mehrere Raketen und Drohnen auf iranisches Gebiet, um sich für einen vorherigen Beschuss aus dem Iran zu rächen.

3000 ballistisc­he Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern besitzt der Iran. Quelle: Westliche Experten

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FOTO: IRANIAN ARMY/AP/DPA Nach Angaben des Staatsfern­sehens, hat die iranische Marine ihr Arsenal um hoch entwickelt­e Marschflug­körper aus eigener Produktion erweitert.

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