Die bevorzugten Waffen der Mullahs
Teheran verfügt über das größte Raketenarsenal im Nahen Osten und besitzt Tausende Geschosse, die Israel und die Nato-Staaten treffen können.
TEHERAN Iranische Raketen sind die wichtigsten Waffen in der Eskalation im Nahen Osten: Die Geschosse trafen in den vergangenen Tagen ihre Ziele in Syrien, im Irak und in Pakistan. Der Iran hat das größte Raketenarsenal der Region. Seine Geschosse können Israel und Nato-Staaten wie die Türkei treffen. Zudem rüstet die Islamische Republik ihre Verbündeten wie die Huthi-Rebellen im Jemen oder die Hisbollah im Libanon mit Raketentechnologie und Drohnen aus.
Westliche Experten schätzen, dass der Iran rund 3000 ballistische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern besitzt; dazu kommen Kurzstreckenraketen und Kampfdrohnen. Sollte das Regime in Teheran sein Atomprogramm weiter vorantreiben, könnte es nach Schätzungen der US-Regierung binnen eines Jahres auch nukleare Sprengköpfe für seine Raketen entwickeln.
Die Geschichte des iranischen Raketenprogramms reicht bis in den Krieg gegen den Irak in den 1980er Jahren zurück, wie der britische IranExperte Farhang Jahanpour sagt. Damals habe sich der Iran nicht gegen irakische Raketen wehren können und deshalb mit dem Bau eigener
Raketen begonnen, sagte Jahanpour unserer Zeitung. Heute seien die Raketen eine Art Lebensversicherung für das Regime, ergänzte ein anderer westlicher Iran-Experte im Gespräch mit unserer Zeitung.
Andere Teile der iranischen Streitkräfte sind wegen internationaler Sanktionen schwach: Manche Flugzeuge der Luftwaffe stammen noch aus der Zeit des Schah-Regimes, das 1979 gestürzt wurde. Der Iran habe das große Raketenprogramm mit seinem Abschreckungspotenzial aufgebaut, weil er wisse, dass er Gegnern wie Israel oder den USA militärisch unterlegen sei, sagte der Experte, der wegen des empfindlichen Themas nicht namentlich genannt sein wollte.
Bei der Entwicklung seiner Raketen stützte sich der Iran vor allem auf Nordkorea, das Waffen und Technologie lieferte und dafür iranisches Öl erhielt. Iran baute die Importraketen nach und entwickelte sie weiter. Die Islamische Republik füllte so die eigenen Waffenlager und stattete ihre Verbündeten in der Region mit der Technologie aus.
Zu den Nutznießern gehören die Huthis im Jemen. Seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober greifen die Rebellen mit Import-Raketen aus dem Iran oder Nachbauten iranischer Raketen Schiffe im Roten Meer an. Sie versuchten auch, israelische Städte in mehr als tausend Kilometer Entfernung zu treffen, konnten die israelische Flugabwehr bisher aber nicht überwinden. Das US-Militär bombardierte jetzt zum vierten Mal innerhalb weniger Tage die Raketenstellungen der Huthis, um die Angriffe zu unterbinden.
Auch die Hisbollah im Libanon wird mit iranischen Raketen ausgerüstet. Die Miliz gehört wie die Huthis zur „Achse des Widerstandes“, wie der Iran sein Bündnis aus israel-feindlichen Regierungen und Milizen nennt. Die Hisbollah hat nach westlichen Schätzungen rund 130 000 Raketen, die meisten davon für den Kurzstreckenbereich, also für Angriffe auf das benachbarte Israel. Für den Iran ist die Hisbollah eine Art Vorposten, der mit seinem Waffenpotenzial den Todfeind Israel von Angriffen auf iranisches
Staatsgebiet abhalten soll.
Weil die Raketen für den Iran so wichtig sind, lehnt die Führung in Teheran alle Verhandlungen mit dem Westen darüber ab. Beschränkungen für das Raketenprogramm des Iran unter der Atomvereinbarung mit dem Westen aus dem Jahr 2015 liefen vor einigen Monaten aus. Die USA und Europa wollen das iranische Programm aber weiter mit Sanktionen bekämpfen, auch wegen der Exporte in andere Länder. Derzeit verhandelt Russland nach US-Angaben über den Import iranischer Raketen für den Einsatz im Ukraine-Krieg. Teheran liefert bereits Kampfdrohnen an die russische Armee.
Allerdings machen die Raketen den Iran nicht zur dominierenden Militärmacht in der Region. Israel kann sich mit seinem Verteidigungssystem „Iron Dome“wirksam schützen. Arabische Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate haben westliche Flugabwehrbatterien wie das US-System Patriot gekauft oder erhalten Schutz durch das US-Militär.
Zudem sind der Iran und seine Verbündeten trotz ihrer Raketen verwundbar. Im Bürgerkriegsland Syrien bombardieren israelische Jets weitgehend ungehindert iranische Stützpunkte – dort stationierte Flugabwehrraketen der Iraner sind machtlos. Die Huthis können die Luftangriffe der USA und Großbritanniens auf ihre Raketenrampen nicht verhindern. Auch Pakistan demonstrierte in der Nacht zum Donnerstag, wie löchrig die iranische Flugabwehr ist: Die pakistanische Armee feuerte mehrere Raketen und Drohnen auf iranisches Gebiet, um sich für einen vorherigen Beschuss aus dem Iran zu rächen.
3000 ballistische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern besitzt der Iran. Quelle: Westliche Experten