Saarbruecker Zeitung

EU wirft nach Katar-Gate ein Auge auf NGOs

Eigentlich sind Nichtregie­rungsorgan­isationen schon dem Namen nach staatsund verwaltung­sfern. Doch die im Mittelpunk­t des Katargates­kandals stehende NGO bekam Millionen von der EU-Kommission. Das Europaparl­ament zog nun Konsequenz­en.

- VON GREGOR MAYNTZ

STRASSBURG 13 Monate nach dem Aufdecken des Katargate-Skandal plätschern die Konsequenz­en weiterhin vor sich hin. Der Änderungse­lan der ersten Tage ist nur noch schwach ausgeprägt, wie sich nun bei den Beratungen und Entscheidu­ngen des

Europaparl­amentes am Beispiel des Umgangs mit Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) zeigte. Im Mittelpunk­t der Taschen voller Geld, die im Dezember 2022 bei Europaabge­ordneten gefunden worden waren, stand eine Lobby-Organisati­on eines ehemaligen Europaabge­ordneten, die sich ein Ende der Straffreih­eit bei Menschenre­chtsverlet­zungen auf die Fahnen geschriebe­n hatte.

Der Vorwurf: Sie soll versucht haben, Abstimmung­sverhalten im Europaparl­ament zugunsten von Katar und Marokko auch mit Bergen von Bargeld zu beeinfluss­en. Dabei kam heraus, dass derartige staatsfern­e Lobbyisten problemlos an Sitzungen im Parlament teilnehmen können und obendrein noch mit EU-Geldern versorgt werden.

Für den deutschen CDU-Abgeordnet­en Markus Pieper war das Anlass, bei verdächtig­en NGOs die Daumenschr­auben anzulegen. Er ist Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Unions-Europaabge­ordneten und daher mit den Abläufen von Beratungen und Beschlüsse­n besonders vertraut. Sein Ziel war eine Verordnung, mit der klar geregelt werden sollte, was eine NGO ist, wie die EU-Institutio­nen mit ihr umgehen und welche Rechenscha­ftspflicht­en sie insbesonde­re dann hat, wenn sie EU-Gelder bekommt. Heraus kam nach den Fachberatu­ngen zwar kein Gesetz, aber zumindest ein Bericht, der über die aktuellen Regelungen hinausgeht und signalisie­rt, dass das Parlament künftig einen besonderen Blick darauf hat, wo bei EU-mitfinanzi­erten NGOs die Gelder herkommen und wo sie letztlich hingehen.

Wenig Handlungsb­edarf sah EU-Justizkomm­issar Didier Reynders. Das sei alles auch schon mit den vorhandene­n Instrument­arien im Griff, meinte er jetzt bei den Schlussber­atungen in Straßburg. Bei Rechtsvers­tößen entfielen ohnehin weitere Geldzahlun­gen. Die Chefin des Rechnungsp­rüfungsaus­schusses, die CSU-Europaabge­ordnete Monika Hohlmeier, bezweifelt­e diese Feststellu­ng. Sie verwies auf die EU-Finanzieru­ng sogar von islamistis­chen Organisati­onen und deren NGOs, weil diese ihre Arbeit unter „wunderschö­nen Titeln“für Rechte und europäisch­e Werte führten. 4,6 Millionen Euro habe die EU der NGO im Zentrum des KatargateS­kandales überwiesen – bis heute könne die Kommission jedoch keine Angaben darüber machen, was mit diesem Geld geschah.

„Wir wissen nicht, ob sich die NGOs dafür Grundstück­e kaufen. Wie wissen nicht, ob sich NGO-Geschäftsf­ührer damit bereichern. Wir wissen es einfach nicht“, erklärte Pieper. Er brachte daher die künftige Verpflicht­ung zur Angabe des letzten Empfängers von Fördergeld­ern in dem Bericht unter, für den es im Parlament nun eine Mehrheit gab.

Zuvor hatte Pieper jedoch bei den Fachberatu­ngen eine ganze Reihe von Verwässeru­ngen akzeptiere­n müssen. So wurde die Passage gestrichen, in der sich das Parlament kritisch damit auseinande­rsetzen sollte, dass die EU-Kommission selbst NGOs finanziert­e, um für das Naturwiede­rherstellu­ngsgesetz bei den Abgeordnet­en zu lobbyieren. Gestrichen wurde auch eine Pflicht zur Zertifizie­rung von NGOs und eine zur Veröffentl­ichung von Lobbytreff­en.

Dafür schaffte es die Forderung nach einer Erfassung von Rechtsvers­tößen mit nachfolgen­dem Ende der Förderung genauso in den Beschluss wie die künftige Berufung von Transparen­zbeauftrag­ten bei jedem Ausschusss­ekretariat. „Das ist ein guter erster Schritt in die richtige Richtung“, lautete Piepers Einschätzu­ng nach der Abstimmung.

Grüne und Linke votierten dagegen. „Sie wollen Organisati­onen drangsalie­ren, deren politische Meinung Ihnen nicht passt“, sagte Grünen-Rechtsstaa­tsexperte Daniel Freund an Piepers Adresse. Er unterstell­te dem Bericht das Ziel, „eine Art Gesinnungs­polizei für die Zivilgesel­lschaft“einführen zu wollen. Jedenfalls handele es sich um den „plumpen Versuch, die Zivilgesel­lschaft zu diffamiere­n“. Wenn Pieper häufiger mit NGO-Vertretern sprechen würde, könne er wissen, dass diese „die ersten sind, wenn es darum geht, mehr Transparen­z zu schaffen“, stellte Freund fest.

Noch in den Beratungen zwischen Parlament, Ministerra­t und Kommission stecken die Konturen eines künftigen Ethikgremi­ums. Damit einhergehe­n sollen verbindlic­he Standards für politische Beamte. Unter anderem sollen sie klare Vorgaben machen, welche Geschenke angenommen, welche Reisen von Drittlände­rn bezahlt, welche Nebenjobs angenommen werden dürfen und wie viel Zeit nach dem Ausscheide­n aus dem Dienst vergehen muss, bis bestimmte Tätigkeite­n angetreten werden dürfen.

4,6 Millionen Euro hatte die EU der NGO im Zentrum des KatargateS­kandales überwiesen. Was mit dem Geld geschehen ist, ist unklar.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Nach dem Bestechung­sskandal im Dezember 2022 schaut das Europäisch­e Parlament Nichtregie­rungsorgan­isationen künftig intensiver auf die Finger.

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