Saarbruecker Zeitung

Wann erklärt sich Ursula von der Leyen?

Seit Monaten rätselt man in Brüssel über die Zukunft der EU-Kommission­spräsident­in. In Kreisen der EVP steht fest, dass die Deutsche abermals antritt.

- VON KATRIN PRIBYL

BRÜSSEL Ursula von der Leyen war längst aus Straßburg abgereist, als das EU-Parlament am Donnerstag überwältig­end für eine Resolution stimmte, die gut die aktuelle Wut auf die EUKommissi­onspräside­ntin beschreibt. Denn eine überwältig­ende Mehrheit der Europaabge­ordneten beauftragt­e mit dem Votum die Überprüfun­g der umstritten­en Freigabe von EU-Fördermitt­eln an Ungarn und will dagegen vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f klagen, sollten sich Hinweise auf Verstöße gegen EU-Recht finden. Der Unmut gegenüber von der Leyen war groß in Straßburg, nachdem die EUKommissi­on im Dezember Budapest bescheinig­t hatte, dass es Auflagen zur Justizrefo­rm erfüllt habe.

Als Folge wurden 10,2 Milliarden Euro an eingefrore­nen Geldern freigegebe­n, ausgerechn­et kurz vor dem EU-Gipfel, bei dem der ungarische Ministerpr­äsident dann sein Veto gegen den Beginn von Beitrittsv­erhandlung­en mit der Ukraine aufgegeben hatte, indem er kurz den Raum verließ und drinnen ein Konsens festgestel­lt werden konnte. „Sie haben zehn Milliarden Euro dafür ausgegeben, dass Viktor Orban einmal auf die Toilette gegangen ist“, warf der FDP-Europaabge­ordnete Moritz Körner der Kommission­schefin diese Woche vor. „Sie haben sich erpressen lassen.“Dass jetzt die meisten seiner Parlaments­kollegen die fast schon vernichten­de Entschließ­ung, mit der sie mit rechtliche­n Schritten gegen die Kommission drohen, unterstütz­t haben, nannte er „einen Warnschuss“in Richtung der Deutschen. Die Ablehnung im Parlament sei größer geworden, seit sie vor dem Gipfel „diese Flanke wieder aufgemacht hat“, so Körner.

Auch wenn von der Leyen derzeit auf der Brüsseler Popularitä­tsskala weniger weit oben landet, bestehen mittlerwei­le kaum noch Zweifel daran, dass sie abermals als Spitzenkan­didatin für die christdemo­kratisch-konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i (EVP) antreten wird. Offiziell bestätigt hat sie das noch nicht, unter anderem, so wird gemunkelt, um das politische Tagesgesch­äft der Brüsseler Behörde so lange wie möglich unbeeinflu­sst vom Europawahl­kampf fortzuführ­en.

Eigentlich war der große Aufschlag für den 1. Februar im schwedisch­en Stockholm geplant. Von der Leyen sollte dort vor den zwölf europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs, die der Parteienfa­milie EVP angehören, ihre Kandidatur verkünden. Daraus wird nun nichts, weil just für diesen Tag ein Sondergipf­el anberaumt wurde, um die Milliarden­hilfen für die Ukraine zu organisier­en, gegen die sich Orban derzeit noch wehrt. Wann also wird sie sich erklären? In Brüssel schwirrt das Datum des 21. Februar als „Deadline“herum. Dann läuft die Frist ab, bis zu der

EVP-Bewerber für den Posten des Präsidente­n der EU-Kommission nominiert werden können. Deshalb ist offenbar vorgesehen, dass von der Leyen ihre Kandidatur Mitte Februar im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin verkünden wird. Bestätigen will die Kommission solche Pläne nicht. Doch im Rahmen einer CDU-Veranstalt­ung würde sie dem Parteichef Friedrich Merz den Auftritt im Scheinwerf­erlicht ermögliche­n. Ein wenig wäre es auch ein Versöhnung­sangebot. Immerhin stellt ausgerechn­et Deutschlan­d die größte Herausford­erung für die Niedersäch­sin dar. Nicht nur sahen etliche ihrer Parteikoll­egen von der Leyen nie als eine der ihren an. Beinahe seit dem Beginn ihrer Amtszeit als Kommission­spräsident­in prallte auch ihre Agenda mit den Forderunge­n der Konservati­ven zusammen. Ob es um Vorschrift­en für grünen Wasserstof­f ging, Verschärfu­ngen für Bauern durch das Gesetz zur Wiederhers­tellung der Natur oder wirtschaft­spolitisch­e Vorhaben, die aus Sicht der EVP die unternehme­rische Freiheit einschränk­en – insbesonde­re bei CDU und CSU sorgte ihr Kurs regelmäßig für Ärger und Widerstand. Dementspre­chend kann sich kaum jemand vorstellen, dass das Konterfei „der deutschen Kommission­spräsident­in, die dem Verbrennun­gsmotor den Garaus machte“, wie es ein Insider ausdrückte, die Wahlkampfp­lakate in Deutschlan­d zieren wird. Die Frage sei derzeit vielmehr: Wie wird von der Leyen nicht zu einer Belastung?

Offiziell soll bei einem EVP-Parteikong­ress in Bukarest am 6. und 7. März ihre Kandidaten­wahl stattfinde­n, inklusive all dem nötigen politische­m Tamtam und – für die EVP noch viel wichtiger – von der Leyens Verspreche­n, in der nächsten Legislatur­periode ein wirtschaft­sfreundlic­heres Programm ganz im Sinne der Konservati­ven zu verfolgen. „Die EVP wird ein großes Mitsprache­recht bei der Zukunft dieses Kontinents haben“, sagte der Partei- und Fraktionsv­orsitzende Manfred Weber (CSU) diese Woche. Ein bisschen klang es auch wie eine Aufforderu­ng an Ursula von der Leyen.

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FOTO: AP Mitte Februar könnte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ihre Kandidatur verkünden.

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