Saarbruecker Zeitung

Es ist an der Zeit, die Demokratie zu schützen

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Björn Höcke steht vor einem Wahlsieg seiner schillernd­extremisti­schen Kräfte in Deutschlan­d, Viktor Orbán vor einer Erfolgsser­ie seiner nationalis­tisch-rechtspopu­listischen Parteifreu­nde in Europa, und sogar Donald Trumps Chancen wachsen rapide, mit seinen irrlichter­nd-polternden Vorstellun­gen wieder ins Weiße Haus einziehen zu können. Gemeinsam ist ihre Beteuerung, die „wahre“Demokratie durchsetze­n zu wollen. Berechtigt ist die Befürchtun­g ihrer Gegner, dass sie das Gegenteil vorhaben. Es ist höchste Zeit, die Demokratie zu schützen. In Deutschlan­d, in Europa, in der Welt. Schon jetzt leben auf unserem Planeten mehr Menschen in Autokratie­n als in funktionie­renden Demokratie­n.

Da scheint es wohltuend zu sein, wenn das Europaparl­ament mit überwältig­ender Mehrheit in einer Resolution dem ungarische­n Regierungs­chef das Stimmrecht entziehen will, um dessen subversive Aushöhlung der EU und ihrer Werte von innen zu beenden. Da scheint es ein ermutigend­es Zeichen für die Demokratie zu sein, wenn in Deutschlan­d Zehntausen­de auf die Straße gehen, um „gegen rechts“und „gegen den Faschismus“zu demonstrie­ren.

Doch das EU-Parlament hat über die Suspendier­ung ungarische­r Mitwirkung­srechte nicht zu entscheide­n. Die da so laut gegen Orbán auftreten, würden überzeugen­der wirken, wenn sie in ihren europäisch­en Parteifami­lien kritischer auf die Zusammenar­beit mit Rechts- wie Links-Populisten achteten. Und die Proteste „gegen rechts“stärken die Demokratie nicht. Die besteht nämlich aus politische­n Konzepten von links, von rechts und aus der Mitte, deren Vertreter als Ausdruck einer funktionie­renden Demokratie miteinande­r ringen, die Probleme lösen und so den Wählern glaubwürdi­g vor Augen führen, warum es der Extreme weder vom rechten noch vom linken Rand bedarf. Wer pauschal alles von „rechts“bekämpft und alles rechts von sich als „faschistis­ch“beschimpft, trägt zur Entgleisun­g der Demokratie bei.

Die Verführung ist groß, sich durch schärfste Attacken gegen „rechts“im eigenen linken oder liberalen Lager mehr Beifall zu sichern. Und es ist richtig, immer wieder rechtspopu­listische Narrative und Verschwöru­ngserzählu­ngen zu entlarven. Die neuen Medien befördern mit ihren Algorithme­n die extremen Meinungen und vereinigen mit ihren Funktionen die Versprengt­en. Sie erleichter­n damit die Rückkehr von der Aufklärung ins Mittelalte­r, wo Glaube und Meinung mehr zählten als Fakten und Erfahrunge­n. Deshalb muss den Behauptung­en von einem angeblich „tiefen Staat“mit finsterste­n Geheimakte­uren genauso entgegenge­treten werden wie der Überzeugun­g, die Erde sei eine Scheibe und die Mondlandun­g eine pure Erfindung. Immer wieder, unermüdlic­h und nachdrückl­ich.

Es ist gut, wenn sich demokratis­che Kräfte bei Gefahr zusammentu­n, um mit der vereinigte­n Macht ihrer Anhänger Rechtspopu­listen von Ämtern fernzuhalt­en. Aber es muss die Ausnahme bleiben, es darf nicht zur Regel werden. Besser für den Bestand der Demokratie ist, wenn der Meinungsst­reit der Parteien in einem breiten demokratis­chen Spektrum funktionie­rt und die Gewählten überzeugen­d handeln.

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