Bauern drohen ab Montag mit neuen Protesten
Im Bundestag hat es einen Schlagabtausch der Fraktionen zur Agrarpolitik gegeben, bei dem sich alle Seiten gegenseitig Schuld zuschieben. Die Ideen für künftige Hilfen gehen stark auseinander. Die Bauern zeigen sich weiterhin unzufrieden.
BERLIN In einer langen Debatte hat der Bundestag sich am Donnerstag mit den Protesten der Bauern und künftigen Hilfen für die Landwirte befasst. Dabei geriet die Aussprache zu einem Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktionen und der Opposition. Zugleich wurden unterschiedliche Ansätze deutlich, wie die Parteien den Landwirten unter die Arme greifen wollen.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen kündigte ein Maßnahmenpaket an, das teils die Monopolkommission in den Blick nimmt. „Wir werden das Kartellamt beauftragen, die Wertschöpfungskette vom Landwirt bis zum Handel genau unter die Lupe zu nehmen“, sagte Özdemir in der Debatte, die von den Ampel-Fraktionen anlässlich der Vorstellung des Agrarberichts aufgesetzt worden war. „Außerdem ist jetzt die Gelegenheit, dass wir uns parteiübergreifend auf den Tierwohlcent einigen“, sagte Özdemir. Damit ist eine Abgabe pro Kilogramm Fleisch gemeint. Der Grünen-Politiker forderte die Koalitionspartner auf, keine Sorge vor einem Shitstorm zu haben, „wenn die Currywurst ein paar Cent teurer wird“. Tierhalter bekämen durch eine solche Abgabe mehr Planungssicherheit.
In der FDP wird eine solche Abgabe hingegen kritisch gesehen. Die Liberalen hatten den Bauern angesichts der nun in Stufen geplanten Kürzung der Agrardiesel-Subventionen Entlastungen bei der Bürokratie in Aussicht gestellt. Zudem hatte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner bei seiner Rede vor den protestierenden Bauern am vergangenen Montag auch dafür geworben, Umwelt- und Tierhaltungsauflagen unter die Lupe zu nehmen. Zu prüfen seien auch mögliche steuerliche Erleichterungen, wenn Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken, so Lindner. Konkret sprach er von einer Tarifglättung oder einer steuerfreien Risikorücklage.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Matthias Miersch kündigte bis zum Sommer ein Gesetzespaket an, mit dem man die Landwirte entlasten wolle. Ins Detail ging er nicht, am Montag hatte er jedoch auch an einem Treffen der Ampel-Fraktionsspitzen mit Vertretern der Agrarverbände teilgenommen. In der SPD will man insbesondere die Ergebnisse zweier Kommissionen in den Blick nehmen, in denen Landwirte und Umweltverbände gemeinsam Lösungen vorgeschlagen hatten. Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“und die „Borchert-Kommission“hätten gute Ansätze erarbeitet, betonte Miersch. Denkbar sind demnach aus SPD-Sicht eine Tierwohlkennzeichnung, auch eine
Stärkung der Bauern gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und mehr Schutz vor Bodenspekulationen stehen auf der Agenda.
Alle Ampel-Fraktionen teilten am Donnerstag in Richtung der Union aus und warfen ihr vor, in den vergangenen Jahren meist zuständig gewesen zu sein für das Agrarressort. Tenor: Die meisten aktuellen Belastungen für die Landwirte würden aus der Zeit vor der Ampel-Regierung stammen. Ungewöhnlicherweise redete Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) dann selbst in der Debatte und begründete dies mit der Bedeutung des Themas. Er nutzte seine Rede für eine Generalabrechnung mit der Bundesregierung und warf dieser vor, für das Erstarken der AfD verantwortlich zu sein. Die Warnungen, dass die Bauernproteste von Rechtsextremen unterwandert werden könnten, seien „Teil Ihrer politischen Kampagne gegen die Landwirtschaft“gewesen, warf Merz der Ampel vor. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, in dem Antrag von SPD, Grünen und FDP stehe keine einzige konkrete Zusage an die Landwirtschaft. Dies sei ein „agrarpolitischer Insolvenzantrag“der Koalition. Der Agrardiesel sei eine gerechte Maßnahme und keine klimaschädliche Subvention. „Nehmen Sie die Steuererhöhung zurück, und Sie bekommen Ruhe in dieses Land“, sagte Dobrindt.
Ähnliche Kritik äußerten in der Debatte auch AfD-Redner. Sie forderten ebenfalls die Rücknahme der geplanten Kürzungen beim Agrar-Diesel.
Der Bauernverband drohte unterdessen mit neuen bundesweiten Aktionen bereits in der kommenden Woche, sollte die Ampel-Koalition den vorgesehenen Abbau der Agrardiesel-Subventionen nicht fallen lassen. Die bisherigen Proteste seien das „Vorbeben“gewesen, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Donnerstag in Berlin. „Wenn sich nichts verändert, dann kommt es möglicherweise zur Eruption.“Rukwied sagte: „Ab kommenden Montag werden wir, sofern die Haushaltsbereinigungssitzung heute Abend kein in unserem Sinne positives Ergebnis bringt, wieder mit Aktionen, und zwar flächendeckend in der ganzen Bundesrepublik, fortfahren.“Dabei gelte weiter: „Wir wollen Nadelstiche setzen, die weh tun, aber in keiner Weise eskalieren oder radikalisieren.“Details nannte er nicht.
„Wir werden das Kartellamt beauftragen, die Wertschöpfungskette vom Landwirt bis zum Handel genau unter die Lupe zu nehmen.“Cem Özdemir (Grüne) Bundeslandwirtschaftsminister