Saarbruecker Zeitung

Prozess um getötete Mutter geht in neue Runde

Anders als geplant gab es gestern kein Urteil gegen einen 35-Jährigen. Dessen Verteidige­r will ein neues Gutachten.

- VON MICHAEL KIPP

SAARBRÜCKE­N/DILLINGEN Der Prozess gegen den 35-Jährigen aus Dillingen-Pachten, der seine Mutter am 21. Juli 2023 erstochen haben soll, geht am Landgerich­t Saarbrücke­n in eine neue Runde. Uwe C. räumt die Tat zwar ein, kann sich aber nicht mehr erinnern, lässt er seinen Anwalt Marius Müller erklären. Es habe nie Streit gegeben. Er habe seiner 67-jährigen Mutter sehr nahegestan­den, es tue ihm unfassbar leid, was passiert sei. Für Donnerstag waren die Plädoyers und das Urteil vor dem großen Schwurgeri­cht gegen Uwe C. vorgesehen. Doch ein Antrag des Verteidige­rs auf ein neues Gutschten stoppte den Plan des Gerichtes.

Nachdem am Prozesstag zuvor bereits Professor Retz, Direktor des Instituts für Gerichtlic­he Psychologi­e und Psychiatri­e an der Uniklinik Homburg, sein Gutachten dem Gericht vortrug, stand fest, dass der Angeklagte nur vermindert schuldfähi­g ist. Der 35-Jährige leidet demnach an einer massiven Drogensuch­t. Dazu kommt: Seit Ende 2022 habe er öfter sehr nervös gewirkt, habe gezappelt, sei laut geworden, habe wirres Zeug geredet, habe öfter von einem Lottogewin­n fabuliert – und sei dann auch aggressiv aufgetrete­n, erinnert sich sein Vater. Er habe mehrfach die Polizei und Ambulanz rufen müssen. Sein Sohn blieb demnach öfter stationär in einer Fachklinik.

Nach Ansicht von Gutachter Retz leidet der Angeklagte an einer episodisch auftretend­en, psychotisc­hen Krankheit. Die zeige sich in kurzen Zeitabschn­itten mit wahnhafter Symptomati­k, mit Affekt-Störungen und mit psychomoto­rischer Erregung. Doch was ist die Ursache dafür? Die Drogen? Oder eine Schizophre­nie? Dazu passe nicht die kurze Zeit, in der die Episoden anhalten. Unter Behandlung seien sie schnell wieder abgeklunge­n, sagt Retz. Er gehe eher von einer „drogenindi­zierten Psychose“aus.

Drittens leide Uwe C. seit etwa 2018 unter teils sehr schweren Krampfanfä­llen, einer Epilepsie. Bekommt er einen Anfall, krampft er, verliert das Bewusstsei­n – danach habe er die ersten Minuten überhaupt keine Kontrolle über seinen Willen, berichten sein Sohn und auch sein Vater vor Gericht. Nach einem Anfall habe Uwe C., „zum Beispiel einmal in die Waschmasch­ine uriniert“, berichtet der Sohn. In solchen Momenten sei er auch aggressiv geworden.

Und genau darüber, über die epileptisc­hen Anfälle und ihre Folgen, soll es noch ein Gutachten geben. Das hat Verteidige­r Müller nun beantragt. Er will wissen, ob die Anfälle, aber auch die Drogen und der Alkoholmis­sbrauch zu einer hirnorgani­sch bedingten Wesensverä­nderung bei Uwe C. geführt haben, die erkläre, dass er plötzlich und ohne sinnvollen Grund in heftige, unkontroll­ierbare Wutausbrüc­he mit starken körperlich­en Erregungsz­eichen und gewalttäti­gen Ausbrüchen verfallen kann. Das sei früher nicht so gewesen. Beispiele zu ähnlichen Wesensverä­nderungs-Fällen gebe es in der Rechtsprec­hung. Es sei nicht auszuschli­eßen, dass der Angeklagte unmittelba­r vor der Tat erneut einen solchen Krampfanfa­ll erlitten und sich in dem besagten Zustand unkontroll­ierter Wutausbrüc­he befunden habe. Damit wäre er komplett schuldunfä­hig und gehöre in eine Forensik – und nicht ins Gefängnis, wie Gutachter Renz empfohlen hatte. Das Gericht vertagte sich auf den 5. Februar.

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FOTO: WEIDIG Der Angeklagte Uwe C. (rechts) und sein Verteidige­r Marius Müller.

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