Saarbruecker Zeitung

Was der Aachener Vertrag gebracht hat

Seit 2019 gibt es den deutsch-französisc­hen Freundscha­ftsvertrag. Experten beurteilte­n nun die Fortschrit­te.

- VON PAUL LANGER Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Gerrit Dauelsberg

SAARBRÜCKE­N Vor fünf Jahren, am 22. Januar 2019, haben Deutschlan­d und Frankreich den Aachener Vertrag unterschri­eben. Er soll die Zusammenar­beit in mehreren europarele­vanten Politikfel­dern vertiefen. Jetzt zogen acht Experten unter Leitung von Claire Demesmay, Europa-Gastprofes­sorin am Cluster für Europafors­chungen an der Saar-Uni, in der Staatskanz­lei eine Bilanz. Man ist sich einig: Der Vertrag ist ein Gewinn. Sind doch aus ihm erfolgreic­he Institutio­nen wie der Ausschuss für grenzübers­chreitende Zusammenar­beit, die Deutsch-Französisc­he Parlamenta­rische Versammlun­g und der Deutsch-Französisc­he Bürgerfond­s hervorgega­ngen. Letzterer finanziert seit 2020 binational­e zivilgesel­lschaftlic­he Projekte, 2023 erhielten 926 Projekte eine Förderung. „Die meisten kommen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz“, sagt Leiter Benjamin Kurc.

Trotzdem bemerke man häufig den „fehlenden politische­n Willen, alle Ziele des ambitionie­rten Vertrags umzusetzen“, findet Tobias Koepf, Projektlei­ter der Stiftung Genshagen.

Eine neue deutsch-französisc­he Herausford­erung sei der Kampf gegen die rechten Parteien AfD und das französisc­he Rassemblem­ent National. „Es ist an der Zeit, gemeinsam die Demokratie zu verteidige­n“, sagt

Professor Michael Staack, Politikwis­senschaftl­er an der Universitä­t der Bundeswehr in Hamburg.

Im Hinblick auf eine mögliche Wahl der Rechtsextr­emen Marine Le Pen zur Staatspräs­identin 2027 rät Michael Scharfschw­erdt, Leiter des Planungsst­abes des Auswärtige­n Amts: „Wir müssen unsere beiden Länder auf so vielen Ebenen als möglich eng verzahnen und Strukturen etablieren, die eine potenziell­e Präsidenti­n Le Pen nicht einfach beerdigen kann.“

Der Kooperatio­nsraum Eurodistri­ct Saar-Moselle ist eine solche Struktur, die jedoch vor Herausford­erungen steht, auch bei der grenzübers­chreitende­n Gesundheit­sversorgun­g. „Französisc­he Schlaganfa­ll-Patienten in Grenznähe zum Saarland werden momentan noch nach Metz, Nancy oder Straßburg gebracht“, sagt Florian Weber, Juniorprof­essor für Europastud­ien, und verweist auf eine mögliche Versorgung im Winterberg-Klinikum.

Vereinbart ist im Aachener Vertrag auch das verstärkte Erlernen der Partnerspr­ache. Eine Studentin erinnerte in der Fragerunde an sinkende Sprachenle­rnerzahlen und geringe Teilnahme junger Menschen an deutsch-französisc­hen Veranstalt­ungen. Die Landesregi­erung verwies auf eine Expertengr­uppe unter Leitung von Demesmay. Diese ist mit der Evaluierun­g der Frankreich­strategie beauftragt und soll sich auch einzelnen Maßnahmen widmen. Das Gremium tagte diese Woche erstmals.

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