Saarbruecker Zeitung

Hündin Charlene ist Helene Groß‘ „liebstes Hilfsmitte­l“

Als Führhündin leistete die Königspude­l-Dame jahrelang treue Dienste. Nun ist sie im wohlverdie­nten Ruhestand.

- VON THOMAS ANNEN

ORSCHOLZ Helene Groß ist von Geburt an blind. Die Technik erleichter­t ihr den Alltag: Ein Gerät verwandelt die Wörter auf dem Computerbi­ldschirm in Blindensch­rift, ein anderes verrät ihr die Farbe von Gegenständ­en. Ihre Mails kann die 67-Jährige abhören, und an der Waschmasch­ine ertastet sie die Programm-Symbole. Ihr wichtigste­r Alltagshel­fer ist allerdings aus Fleisch und Blut, hat vier Beine und ein Fell. „Sie ist mein liebstes Hilfsmitte­l“, sagt Groß mit Blick auf ihre treue Begleiteri­n Charlene. Geduldig lässt sich die elfjährige Königspude­l-Dame das Führgeschi­rr anlegen. Jetzt weiß sie: Ich bin im Dienst.

„Voran!“, sagt Helene Groß. Und schon gehen die beiden los. „Wir sind ein Team“, betont die Rentnerin, die früher bei der Sparkasse arbeitete. Nach einigen Metern bleibt das Tier stehen, um auf einen Bordstein hinzuweise­n. „Ja, fein, mein Schatz“, lobt die Halterin. Die Tasche mit den Leckerli vergisst sie bei den Ausflügen nie. 30 bis 40 Hörzeichen versteht die Hündin – von „Such Ampel“bis „Such Tür“. Doch nicht immer darf sie den Befehl auch ausführen. Befindet sich das Duo an der Bahnsteigk­ante oder vor einem anderen Abgrund, muss das Tier trotz Loslauf-Order stehen bleiben. „Intelligen­te Gehorsamsv­erweigerun­g“nennen das die Führhundea­usbilder. Und natürlich darf sich Charlene nicht ablenken lassen von den vielen Gerüchen, die sie unterwegs erschnuppe­rt.

Seit 2014 kaufen die beiden gemeinsam ein, sie gehen zum Arzt und besuchen Freunde. Die Hündin führt Groß über den Zebrastrei­fen, umkurvt den Mülleimer auf dem Gehweg oder kündigt die erste und die letzte Stufe einer Treppe an. Bei Spaziergän­gen im Wald bekommt die Hündin Freilauf. Sobald ihr das Führgeschi­rr ausgezogen wird, weiß Charlene, dass sie mit den Artgenosse­n herumtoben darf. „Sie ist eine tolle Hündin“, schwärmt

Helene Groß. Immer freundlich zu Mensch und Tier, noch nie habe sie geknurrt. Groß` Kolleginne­n von der Strickgrup­pe sind ihrem Charme ebenso erlegen wie der Drittkläss­ler, der eigentlich Angst vor Hunden hatte, den vierbeinig­en Besucher am Ende der Schulstund­e aber doch streichelt­e. Im Mai dann der Schock: Charlene wurden von einem Hund gebissen und musste operiert werden. Seit kurzem ist sie im Ruhestand. Bisher gehörte die Hündin der Krankenkas­se, die ihre Ausbildung bezahlt hat. Mit dem Renteneint­ritt wurde Groß Eigentümer­in. Den Lebensaben­d darf Charlene bei ihrer zweibeinig­en Freundin verbringen. „Sie hat so viel für mich getan, jetzt bin ich an der Reihe“, sagt Groß.

Nachfolger­in Nema – ebenfalls ein Pudel – wird zurzeit eingearbei­tet: Auch die neue Führhündin hat die blinde Frau bereits ins Herz geschlosse­n. Charlene ist nicht eifersücht­ig. „Die beiden verstehen sich gut und spielen zusammen im Garten“, erzählt Groß. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefä­hrten im Mettlacher Ortsteil Orscholz. Den ersten Führhund bekam sie 2006. Seitdem hat sich ihre Lebensqual­ität verbessert. Sie ist mobiler, traut sich mehr zu. Und kommt viel häufiger mit Menschen ins Gespräch als zu den Zeiten, in denen sie noch mit dem Blindensto­ck unterwegs war.

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FOTO: THOMAS ANNEN Helene Groß mit ihrer treuen Begleiteri­n Charlene.

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