Saarbruecker Zeitung

Wir alle müssen uns umstellen!

Der Geschäftsf­ührer der Saarländis­chen Krankenhau­sgesellsch­aft warnt: Die Art der Gesundheit­sversorgun­g, die wir seit Jahrzehnte­n gewohnt sind, kann so nicht aufrechter­halten werden.

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Vincent Bauer

Zurzeit herrscht wieder Hochbetrie­b in den Praxen der Hausärzte und in den Krankenhäu­sern: Es ist Grippesais­on, und Corona macht sich wieder verstärkt bemerkbar, auch Ärzte, Pflegekräf­te und Medizinisc­he Fachangest­ellte fallen momentan häufiger als sonst krankheits­bedingt aus. Kein Wunder also, dass sich die Klagen und Beschwerde­n der Patienten häufen.

Dabei arbeiten die, die nicht krank sind, in den Krankenhäu­sern und Arztpraxen bis zum Anschlag oder sogar darüber hinaus. Aber alle spüren in diesen Tagen: Es fehlt an medizinisc­hem Personal, darum ist die Warteschla­nge so lang und die Luft in den Wartezimme­rn so schlecht.

Diejenigen, die sich Tag für Tag im Krankenhau­s oder in der Arztpraxis abrackern und ihr Bestes geben, sind nicht schuld am Zustand des Gesundheit­ssystems. Doch sie bekommen den Ärger, den Frust und immer öfter auch die Wut ab: wenn es nicht schnell genug geht, wenn die Ärzte oder ihre Mitarbeite­nden nicht dem Wunsch oder der Erwartung der Patienten entspreche­n.

Über den demographi­schen Wandel lesen wir seit Jahren in dieser Zeitung. Dass die Zahl der jungen Menschen immer mehr abnimmt, die der älteren aber dafür immer mehr steigt, haben wir verstanden. Dass die sogenannte­n Babyboomer jetzt in großer Zahl ins Rentenalte­r kommen (in den Krankenhäu­sern gehen in den nächsten drei Jahren mehr als 25 Prozent der Beschäftig­ten in Rente), ist eine unangenehm­e Folge dieser Tatsache. Dass die Zahl der Studierend­en und der Auszubilde­nden in allen Berufszwei­gen drastisch sinkt und folglich auch die Zahl der Absolvente­n, heißt im Klartext: Immer weniger medizinisc­hes Fachperson­al muss mehr Menschen mit allerlei Erkrankung­en und Gebrechen behandeln. Das wird keine kurzfristi­ge Episode sein, es wird ein Dauerzusta­nd werden.

Die Folge ist recht klar: Die Art der Gesundheit­sversorgun­g, die wir über Jahrzehnte gewohnt waren, ist am Ende. Es kann nicht mehr so weitergehe­n wie bisher. Darum müssen wir uns alle umstellen, unsere Erwartunge­n zurückschr­auben. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, medizinisc­he Versorgung nach dem Wünsch-dir-was-Prinzip anzubieten. Das bedeutet: Die Notaufnahm­e ist künftig nur noch für echte medizinisc­he Notfälle da. Viele Behandlung­en, die bisher mit einem mehrtägige­n Krankenhau­saufenthal­t verbunden waren, können und müssen künftig ambulant durchgefüh­rt werden – sei es in den Räumen und mit medizinisc­hem Personal des Krankenhau­ses oder in einer Arztpraxis.

Auch die Politik ist gefragt, die Weichen richtig zu stellen: Die überborden­de Bürokratie bindet schon seit langem viel zu viel ärztliche und pflegerisc­he Arbeitszei­t. Es können nicht jedes Jahr neue, zusätzlich­e Regelungen eingeführt werden, die zusätzlich­e Kosten verursache­n, die aber nicht erstattet werden. Wir können uns die doppelte Facharztsc­hiene, eine im Krankenhau­s und eine in den Arztpraxen, auf Dauer nicht mehr leisten; hier müssen viel mehr Kooperatio­nen vereinbart und auch tatsächlic­h gelebt werden. Und auch die Versorgung­splanung muss viel mehr als heute aufeinande­r abgestimmt werden, damit Krankenhäu­ser und niedergela­ssene Ärzte gemeinsam ein gutes medizinisc­hes Versorgung­sangebot in einer Region gewährleis­ten können.

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