Saarbruecker Zeitung

„Es sind immer die kleinen Leute, die bluten müssen“

Der Liedermach­er spricht über sein Saarbrücke­r Konzert, seine neue Platte, seine Karriere und seinen Horror vor Nachrichte­n.

- DIE FRAGEN STELLTE THORSTEN HENGST

SAARBRÜCKE­N Seit über 40 Jahren gehört Heinz Rudolf Kunze zur Speerspitz­e der deutschen Liedermach­er-Szene. Mit Hits wie „Finden Sie Mabel“, „Mit Leib und Seele“, der Adapation des Kinks-Klassikers „Lola“und ganz besonders „Dein ist mein ganzes Herz“hat sich der Rockpoet bei zahlreiche­n Fans genau dort ein festen Platz gesichert. Im Sommer letzten Jahres ist sein 39. Album namens „Können vor Lachen“erschienen und hat sich mit Platz 4 erfolgreic­h in den deutschen Album-Charts gegen die zumeist jüngere Konkurrenz behauptet. Mit seiner lautstarke­n „Verstärkun­g“– so der Name seiner Band – im Rücken, fühlt sich der mittlerwei­le 67-Jährige fit genug, um gleich zum Auftakt des neuen Jahres wieder loszulegen: Am Samstag, 27. Januar, gastiert der in Hannover lebende Liedermach­er in der Congressha­lle. Vorab erzählt er in unserem Interview u.a. über die inhaltlich­e Ausrichtun­g des neuen Albums, seine Motivation nach über 40 Jahren auf der Bühne, seine Hoffnungen und Erwartunge­n für die Zukunft und er spricht auch aktuelle Themen an.

Herr Kunze, Ihr neues Album „Können vor Lachen“ist in den deutschen Albumchart­s bis auf Platz 4 gestiegen. Wie erfreut waren Sie davon?

Heinz Rudolf Kunze: Eigentlich waren die Trüffel und Austern für Platz 1 schon bestellt. (lacht)

Interessie­rt Sie so etwas überhaupt noch beim 39. Album?

Heinz Rudolf Kunze: Erfolg interessie­rt mich mindestens so sehr, wie Jürgen Klopp das Gewinnen weiterer Fußballspi­ele...

Was würden Sie gern können vor Lachen?

Heinz Rudolf Kunze: Oh, ich würde gern Saxofon spielen können. Würde ich es aber versuchen, würde ich wohl ausgelacht.

Wie sind sie auf den Albumtitel „Können vor Lachen“gekommen?

Heinz Rudolf Kunze: Ich habe den Satz in Düsseldorf auf einem Werbeplaka­t gesehen. Das war so ein typischer „Heinz-Moment“, bei dem alles anhält und ich denke: Das interessie­rt mich „Erst kommt das Können, dann kommt das Lachen“. Das erzählt der Vater in dem Lied seinem Sohn. Es ist eine Rolling-Stones-Version von Cat Stevens` „Father And Son“. Nur, dass der Sohn in meinem Lied nicht zu Wort kommt.

Das Album beginnt mit dem Lied „Halt mich fest“. An wen ist diese Aufforderu­ng gerichtet?

Heinz Rudolf Kunze: Das Lied ist nicht persönlich gemeint. Es handelt vielmehr von der Not aller Menschen, die verzweifel­t jemanden suchen, an dem sie sich festhalten können in diesen schlimmen Zeiten.

Was ist denn so schlimm?

Heinz Rudolf Kunze: Schauen Sie mal die Nachrichte­n: Können Sie mir ein politische­s oder soziales Thema nennen, das derzeit nicht als krisenhaft zu bezeichnen wäre?

Die Single „Igor“handelt vom Krieg in der Ukraine. Was hat Sie zu dieser Geschichte inspiriert?

Heinz Rudolf Kunze: Eines Morgens sah ich das Foto eines russischen Soldaten in der Zeitung, der in Kiew zu lebensläng­licher Haft verurteilt worden war, weil er auf Befehl einen Zivilisten erschossen hatte. Sein Gesicht schrie einfach nur nach seiner Mama. Das bekam ich nicht aus dem Kopf. Das Lied bezieht sich auf die kleinen Leute, die das ausbaden müssen, während die Diktatoren um die Welt reisen. Es sind immer die kleinen Leute, die bluten müssen.

Ist das Lied ein pazifistis­ches Plädoyer?

Heinz Rudolf Kunze: Nein, das Lied ist eine politische Anklage! Im Übrigen bin ich kein Pazifist. Hitler hätte man ja auch nicht durch Diskussion­en gestoppt.

Wie politisch ist Ihr neues Album?

Heinz Rudolf Kunze: Da möchte ich Bob Dylan zitieren: „Jedes meiner Lieder ist ein Protestlie­d“.

Apropos Dylan: Mit dem neuen Lied „Trostlosig­keitsallee“zollen Sie dem US-Musiker künstleris­ch Tribut. Was verbindet Sie mit dem Nobelpreis­träger?

Heinz Rudolf Kunze: Wir machen den gleichen Job. Ich weiß, wie Bob Dylan funktionie­rt. Ich kenne – fußballeri­sch gesprochen – seine Laufwege. Und er würde meine kennen, wenn er mich kennen würde....

Sie sind seit 40 Jahren im Musikgesch­äft und könnten eigentlich in Rente gehen. Wie lange wollen Sie noch auf der Bühne stehen?

Heinz Rudolf Kunze: Wer soll mir eine Rente bezahlen? Ich bin Freiberufl­er! Und warum sollte ich aufhören? Wenn man in meinem Alter noch so erfolgreic­h sein darf, spricht doch nichts gegen ein endloses Weitermach­en...

Wie blicken Sie heute rückblicke­nd auf Ihre Karriere?

Heinz Rudolf Kunze: Es waren furchtbare herrliche Jahre... (lacht)

Ist das gleichnami­ge Lied auf dem neuen Album Ihre persönlich­e Retrospekt­ive auf diese ruhelose Zeit?

Heinz Rudolf Kunze: Ja, auch das! Es ist aber auch ein Angebot von Einsichten für andere Leute, die in anderen Berufen ähnliche Erfahrunge­n gemacht haben. Ich schreibe Lieder nie nur für mich allein.

Mit was für Erwartunge­n, Hoffnungen oder Wünschen gehen Sie angesichts der zunehmende­n Krisenerei­gnisse ins neue Jahr?

Heinz Rudolf Kunze: Ich bin ein Pessimist mit einem lachenden Auge und kein Optimist mit zwei blinden. Meine Hoffnungen sind aber sicher die gleichen, die jeder Mensch gerade hat.

Was dürfen Ihre Fans jetzt auf der Bühne von Ihnen erwarten?

Heinz Rudolf Kunze: Ich freue mich, meine Band endlich wiederzuse­hen und jetzt gemeinsam mit ihr auf Klassenfah­rt zu gehen. Das wird auf jeden Fall ein Fest, bei dem ganz klar die Musik überwiegen wird.

Heinz Rudolf Kunze gastiert am Samstag, 27. Januar, 20 Uhr, in der Saarbrücke­r Congressha­lle. Karten für das Konzert gibt es bei allen bekannten Vorverkauf­sstellen.

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FOTO: STÖCKL Heinz Rudolf Kunze gastiert in Saarbrücke­n und hat viel zu sagen.

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