Das Problem mit Prävention
Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes und Meteorologen allgemein sind Leute, die einem echt nur leid tun können. Sind ihre Prognosen falsch, bekommen sie ohnehin Dresche. Wenn sie dann auch noch vor einer gefährlichen Unwetterlage warnen, warten viele Leute nicht einmal ab, ob es wirklich so schlimm wird wie angekündigt: Augenblicklich wird den Wettermännern und -frauen Panikmache und Katastrophismus unterstellt.
Ich finde das ja sehr mutig. In Zeiten von Social Media, wenn einem jeder öffentliche Kommentar irgendwann um die Ohren fliegen könnte, würde ich es nicht wagen, ohne guten Grund Aussagen von Experten anzuzweifeln. In diesem Fall war es aber nun mal tatsächlich so: Der winterliche Weltuntergang, der diese Woche für das Saarland gemeldet wurde, fiel deutlich weniger apokalyptisch aus als befürchtet.
Andererseits: Wie wäre die Sache wohl ohne Katastrophenwarnung ausgegangen? Der größte Feind der Meteorologen, aber auch vieler anderer Wissenschaftler oder Politiker, ist das sogenannte „Präventionsparadox“. Ein gruselig langes Wort, aber anhand dieses aktuellen Beispiels leicht erklärt. Der Wetterdienst warnt: „Massive Unfallgefahr durch Blitzeis, lassen Sie das Auto lieber stehen!“Viele Menschen hören darauf. Die Folge: weniger Verkehr – also auch weniger Unfälle. Durch präventives Handeln (Auto stehen lassen), trat die Vorhersage (viele Unfälle) also nicht ein. Toll, oder? Leider funktioniert unser Gehirn nicht so. Hängen bleibt stattdessen: Es kam ganz anders als angekündigt, also muss die Prognose von Anfang an falsch gewesen sein!
Von dort ist es nur ein kleiner Schritt bis zur vermeintlichen Erkenntnis: Wenn diese Vorhersage nicht gestimmt hat, dann stimmen ja sicher alle nicht. Nie! Und spätestens hier wird es brandgefährlich. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, bei der über 130 Menschen starben, wurde den örtlichen Behörden, aber auch den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten vorgeworfen, nicht rechtzeitig und eindeutig genug gewarnt zu haben. Dabei gab es genügend Menschen, welche die Gefahr teils schon Tage zuvor erkannten. Dabei handelte es sich – Sie ahnen es – um Mitarbeiter des Deutschen Wetterdiensts und andere Meteorologen.
Die Ahrtal-Flut ist erst zweieinhalb Jahre her. Können wir wirklich so vergesslich sein? Und ist es vor diesem Hintergrund zielführend, uns über alle Warnungen vor vermeintlichen oder tatsächlichen Katastrophen zu ärgern? Außerdem: Was ist denn schon groß passiert? Die saarländischen Schüler blieben einen Tag zuhause, und auch ich konnte von meiner gemütlichen Couch aus arbeiten. Wenn das der Preis ist für einen ordentlichen Katastrophenschutz, der im Fall der Fälle Leben rettet, zahle ich ihn gerne.