Saarbruecker Zeitung

Lieferkett­engesetz der EU steht vor dem Scheitern

Kanzleramt, Arbeits-, Wirtschaft­s- und Justizmini­sterium wollen sich am Freitag auf das Votum zum EU-Lieferkett­engesetz verständig­en. Doch die FDP steht auf der Bremse.

- VON GREGOR MAYNTZ

Seit dem Wirbel um das Aus für Verbrenner gelten in der EU neue Regeln. War zuvor klar, dass eine Verständig­ung auf ein neues EU-Gesetz zwischen Parlament, Rat und Kommission automatisc­h die formale nochmalige Zustimmung durch die Parlamenta­rier und die Ministerie­n nach sich zieht, machte Deutschlan­ds Verkehrsmi­nister Volker Wissing von der FDP klar, dass sich auch hier noch einmal der Hebel ansetzen lässt, um Nachverhan­dlungen zu erzwingen. Nun wiederholt sich das schlagzeil­enträchtig­e Schauspiel beim neuen Lieferkett­engesetz der EU.

Zwar wollten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzle­r Robert Habeck (Grüne), Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) und Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) am Freitagabe­nd noch einen Versuch unternehme­n, sich auf eine gemeinsame Position der deutschen Bundesregi­erung zu verständig­en. Doch die FDP hatte bereits Anfang der Woche ein Nein beschlosse­n. Für diesen Fall legt der Koalitions­vertrag fest, dass sich Deutschlan­d auf EU-Ebene zu enthalten hat. Das passiert seit Amtsantrit­t der häufig uneinigen Ampel so oft, dass in Brüssel schon vom „German Vote“, also der Enthaltung als deutscher Stimme, gesprochen wird.

In der Regel bedeutet das Ausscheren eines einzelnen Mitgliedsl­andes keine Gefährdung eines Gesetzespr­ojektes. So war es auch beim Verbrenner-Aus, bei dem Wissing fälschlich­erweise öffentlich ein „Veto“zugesproch­en worden war. Erst mit weiteren nicht zustimmend­en Ländern entsteht eine Blockade-Minderheit. Und das kann nun auch für das Lieferkett­engesetz das Scheitern bringen, denn unmittelba­r nach der Entscheidu­ng im sogenannte­n Trilog hatten bereits Frankreich, Italien, Spanien und die Slowakei ihren Widerstand angekündig­t. Formal angemeldet haben sie ihn noch nicht, denn im Dezember gab es zum Lieferkett­engesetz lediglich eine politische Grundsatze­inigung, eine Reihe technische­r Details wird erst in der nächsten Woche erwartet.

Gleichwohl gilt bereits als geeint unter anderem die Regelung, dass alle Unternehme­n in Europa ab 500 Mitarbeite­rn von den Auflagen betroffen sein sollen. Das Anfang letzten Jahres in Deutschlan­d in Kraft getretene nationale Lieferkett­engesetz galt zunächst nur für alle Betriebe in Deutschlan­d ab 3000 Mitarbeite­rn und hat die Schwelle auf lediglich tausend Beschäftig­te gesenkt. Die Zahl der betroffene­n Firmen wird durch die EU also immens erweitert und trifft damit den Mittelstan­d mit voller Wucht.

Auch kleinere Unternehme­n, die ausschließ­lich in Deutschlan­d ihre Dienste anbieten, werden damit verantwort­lich für alles, was auf dem Weg der von ihnen verkauften, verwendete­n oder verarbeite­ten Produkte geschieht. Wenn irgendein Zulieferer in Afrika oder Asien die Arbeitsbed­ingungen oder den Klimaschut­z nicht einhält, werden sie in Deutschlan­d dafür haftbar gemacht. Es drohen Strafen bis zur Höhe von fünf Prozent des Jahresumsa­tzes, und die EU will von Gesetzesve­rstößen irgendwo auf der Welt betroffene­n Menschen ein Klagerecht gegen die Firmen in Europa einräumen, wenn diese nicht dafür gesorgt haben, dass die Missstände abgestellt werden. Erst fünf Jahre nach dem Zeitpunkt des erlittenen Unrechts tritt eine Verjährung ein. Selbst Unternehme­n in Staaten außerhalb der EU will das Gesetz in die Pflicht nehmen, wenn sie in der EU größere Geschäfte machen.

„Wenn Deutschlan­d sich bei der Abstimmung im Rat enthielte, wäre das nicht nur schlecht für Menschenre­chte entlang von Lieferkett­en weltweit. Es würde auch Deutschlan­ds Verlässlic­hkeit und Vertrauens­würdigkeit infrage stellen“, warnte Frank Werneke, der Vorsitzend­e der Vereinten Dienstleis­tungsgewer­kschaft.

Kleinere Unternehme­n, die nur in Deutschlan­d ihre Dienste anbieten, werden verantwort­lich für alles, was auf dem Weg der von ihnen verkauften oder verarbeite­ten Produkte geschieht.

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