Der Weg zur Staatsbürgerschaft wird einfacher
Wer hierzulande lebt und in der Schule, im Job oder im Ehrenamt Herausragendes leistet, kann künftig deutlich schneller einen deutschen Pass bekommen. Auch den Doppel-Pass werden mehr Menschen beantragen können.
„Wir bleiben hier! Das ist unser aller Land“, sagt die Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) im Bundestag. Nicht alle Anwesenden im Plenum klatschen. Laut Bundesinnenministerium leben rund zwölf Millionen Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland, davon etwa 5,3 Millionen seit mindestens zehn Jahren. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der umstrittenen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.
Was wurde beschlossen?
Wer legal in Deutschland lebt, kann sich künftig schon nach fünf Jahren um den deutschen Pass bewerben, nicht wie bisher erst nach acht Jahren. Der Doppel-Pass, bisher die Ausnahme, wird grundsätzlich möglich.
Kinder ausländischer Eltern bekommen die Staatsbürgerschaft, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bislang waren es acht Jahre. Kinder, die in Deutschland geboren sind, können prinzipiell die deutsche Staatsangehörigkeit ebenso wie die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erhalten. Das Gesetz tritt drei Monate nach Verkündung in Kraft, voraussichtlich im April.
Für wen wird es einfacher?
Schon nach drei Jahren können gesellschaftlich besonders engagierte Menschen eingebürgert werden. Im Gesetz ist von „besonderen Integrationsleistungen“die Rede. Zu diesen Leistungen werden zum Beispiel gute Sprachkenntnisse gezählt, sehr gute Leistungen in der Schule oder im Job sowie Engagement im Ehrenamt. Außerdem können nun auch jene Zugewanderte Deutsche werden, die ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollen. Auch für sogenannte frühere Gastarbeiter, die oft seit Jahrzehnten in Deutschland leben, wird es einfacher: Diese inzwischen älteren Migranten müssen keinen schriftlichen DeutschTest mehr machen, um eingebürgert zu werden. Damit wird laut Gesetz deren „Lebensleistung“anerkannt.
Für wen wird es schwieriger bis unmöglich?
Für Menschen, die Hass verbreiten, sowie für solche, die vom Staat leben. Auch die Mehrehe ist ein Ausschlussgrund. Wer also mehrere Ehegatten hat, wird nicht eingebürgert, weil es sich laut Gesetz um
ein „die Rechte von Frauen missachtendes Ehemodell“handelt. Schon bisher war das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung Voraussetzung für den deutschen Pass. Jetzt wird aber klargestellt, dass „antisemitisch, rassistisch, gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtend motivierte
Handlungen“mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind. Grundsätzlich erhält die deutsche Staatsbürgerschaft überdies nur, wer den Lebensunterhalt für sich und seine Familie aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Ausnahmen gelten für „Gastarbeiter“, die bis 1974 ins Land gekommen sind, oder für Vertragsarbeiter in der DDR.
Welche Stellen im Gesetz sind aktuellen Kriegen geschuldet?
Zur Einbürgerung gehört künftig das Bekenntnis „zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens“. Diese Passage ist eine Reaktion auf antisemitische und israelfeindliche
Proteste infolge des Hamas-Angriffs auf Israel. Wegen Russlands Angriff auf die Ukraine wurde das „Verbot der Führung eines Angriffskrieges“zu den Voraussetzungen für eine Einbürgerung hinzugefügt.
Wie wird das Gesetz diskutiert?
Sehr kontrovers. Während die Ampelkoalition es als modern und fortschrittlich preist, ist die Union dagegen. Ein Antrag der CDU/CSUFraktion mit dem Titel „Den Wert der deutschen Staatsangehörigkeit bewahren“ist aber vom Bundestag abgelehnt worden. CDU-Innenpolitiker Alexander Throm spricht von dem Gesetz „mit den weitreichendsten negativen Folgen in dieser Wahlperiode“. Eine Einbürgerung nach drei oder fünf Jahren sei „viel zu schnell“. Auch die AfD lehnt das Gesetz ab. Eine persönliche Rede hält im Bundestag Staatsministerin Alabali-Radovan, die mit sechs Jahren aus Moskau nach Schwerin gezogen ist und Wurzeln im Irak hat. Sie bezieht sich auf ein vor einer Woche bekannt gewordenes Treffen von einigen AfD-Funktionären mit Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem es um eine sogenannte Remigration ging, was beschönigend die Abschiebung oder Vertreibung zahlreicher Menschen mit ausländischem Hintergrund bedeutet. Es hätten sich „faschistische Fanatiker“getroffen, mit einer Geisteshaltung, die an die Wannsee-Konferenz anknüpfe, sagt sie. Es brauche ein „neues deutsches Wir-Gefühl, das nicht in Migrationshintergründe einteilt“. Dafür stehe das neue Staatsangehörigkeitsgesetz.