Polizei berichtet von Angriff auf jungen Sinto in Gersheim
Bei der Vorführung der Doku über den Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose (78) ist von einem rassistischen Angriff worden.
Der Film „Unrecht und Widerstand“, eine Dokumentation über den Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose (78), und die Bürgerrechtsbewegung hat am Donnerstagabend im Saarbrücker Filmhaus seine brennende Aktualität bewiesen. Denn bevor die Doku von Peter Nestler, 2023 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, vor rund 25 Gästen gezeigt wurde, berichtete die Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma, Diana Bastian, von einem Vorgang, der sich nach ihren Angaben kürzlich in einer Gemeinschaftsschule des Saarpfalz-Kreises abgespielt haben soll. Wie Bastian dem Publikum in ihrer Begrüßungsrede mitteilte, sei ein junger Schüler, ein Mitglied der Gruppe der Sinti und Roma, von vier Schülern einer höheren Klasse zusammengeschlagen worden. Die Angreifer hätten dabei gerufen „Du dreckiger Zigeuner, wir wollen Dich hier nicht“, sagte Bastian, die sich auf die Aussagen der Mutter des angegriffenen Schülers berief. „Das ist es, was mich erschüttert“, sagte Bastian.
Der Sprecher des Landespolizeipräsidiums Stephan Laßotta bestätigte der SZ, dass die Polizei von dem mutmaßlichen Angriff auf den Jungen durch den Abend im Filmhaus Kenntnis erlangt habe. Dazu lägen der Polizei jedoch bisher keine eigenen Erkenntnisse vor. Laßotta berichtete dagegen von einem anderen Fall, der sich am 15. Januar am Bahnhof Gersheim ereignet haben soll. Dort sei ein zehnjähriger Schüler der Gemeinschaftsschule Gersheim, der dort mit einem Mitschüler auf den Bus wartete, von einem etwa 14-Jährigen angespuckt worden. Der Zehnjährige gehöre der Gruppe der Sinti und Roma an, die rund 4000 Mitglieder im Saarland zählt. „Der etwa 14-Jährige hat dem Zehnjährigen Schläge angedroht“, sagte Laßotta. Ein rassistischer Satz, wie in dem von Diana Bastian geschilderten Fall, sei dabei offenbar von dem aggressiven 14-Jährigen gegenüber dem Zehnjährigen nicht gesagt worden.
Möglicherweise hat die Landespolizei von der Rede Bastians im Filmhaus durch Innenminister Reinhold Jost (SPD) Kenntnis erhalten. Jost hatte zusammen mit Bastian zu der Filmvorführung geladen, es waren auch einige Mitarbeitende des Innenministers im Kinosaal. „Herr Jost ist der erste Minister gewesen, der unseren Landesverband eingeladen hat“, sagte Bastian. Und dankte Jost auch für die Rahmenvereinbarung zum Schutz nationaler Minderheiten, die er mit dem Landesverband der Sinti und Roma vorangebracht habe.
Jost selbst hob in seiner Rede die Verdienste des Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose (78), hervor, der selbst nach Saarbrücken gekommen war. So habe Rose auch den im Film dokumentierten Hungerstreik von Sinti und Roma, mit einigen Holocaust-Überlebenden, im KZ Dachau 1980 mitinitiiert, um so für ihre Bürgerrechte zu kämpfen. „Romani Rose ist ein Vorbild für junge Menschen und ein Wegbereiter“, betonte Jost.
In der aufwühlenden und erschütternden Doku ist nicht nur das Leid der Sinti und Roma während der NSTerrorherrschaft zu sehen. Etwa eine halbe Million Sinti und Roma wurden von den Nazis in Europa ermordet. Doch was den Sinti und Roma in der Demokratie der BRD widerfuhr, ließ manchen Zuschauer wütend und geschockt zurück. Die NS-Täter urteilten als weiterbeschäftigte Kripobeamte oder Ärzte ohne Reue selbst über die Entschädigungsansprüche ihrer Opfer. Erst als diese NS-Täter in den Behörden in Pension gingen oder verstarben, wendete sich sehr langsam das Blatt zugunsten einer Aufarbeitung und Anerkennung des Leidenswegs der Sinti und Roma.
Nach dem Film sagte Rose der SZ zur Frage, ob er angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD Angst habe: „Das macht mir Angst. Aber nicht als
Angehöriger der Minderheit. Sondern als jemand, der in diesem Land lebt und der die Demokratie in Gefahr sieht. Vielleicht sind wir uns gar nicht über die Bedeutung der Demokratie für unseren Alltag bewusst. Wir sollten den Blick zurückwerfen, was unsere Eltern und Großeltern uns erzählt haben von der Nazi-Herrschaft. Dann können wir verstehen, was Diktatur bedeutet. Ich halte die politische Entwicklung in Deutschland für sehr gefährlich. Das konspirative Treffen, das jetzt in Potsdam stattgefunden hat, mit diesen Renaissance-Gedanken von Massen-Deportationen, acht Kilometer entfernt von der Wannsee-Villa, das erinnert mit seinem schrecklichen Bürokratismus und der Debatte über die Umsetzung der Deportation, an die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942.“
Zu einem AfD-Verbot sagte Rose: „Man muss sich mit der AfD argumentativ auseinandersetzen. Diese Ideologie hat unser Land und Europa in den Abgrund gerissen. Dass die
Leute nun in Potsdam in aller Ernsthaftigkeit konspirativ über die Deportation von Millionen Menschen, wie einst die Nazis, geredet haben, zeigt den Größenwahn dieser Leute.“Man müsse der Bevölkerung sagen, was auf dem Spiel stehe: unser Wohlstand. „Wir sind eine Exportnation, wir brauchen die offenen Grenzen“, betonte Rose. Er meine nicht, dass das Flüchtlingsproblem in Deutschland gelöst werden könne. „Die Diskussion darum, die in der Bevölkerung auch Widerstände hervorruft, die müssen wir ernst nehmen“, gab Romani Rose zu bedenken. Und fügte hinzu: „Wir sind eine christliche Gesellschaft. Wir können nicht, wie es Frau Beatrix von Storch von der AfD vorschlägt, Maschinengewehre an die Grenzen stellen. Das sind Gedanken, die den letzten Funken von Menschlichkeit in den Dreck treten.“