Auf der Zahnbürste zur Schule reiten
Bei der Kinderuni an der Universität des Saarlandes ging es diesmal um Künstliche Intelligenz.
Wie kommen die Wörter in den Computer? Wer möchte Spaghetti mit Fahrradreifen essen? Und woher weiß ChatGPT, dass wir morgens nicht auf einer Zahnbürste zur Schule reiten? Die Kinderuni Saar widmet sich in diesem Wintersemester dem Thema „Computerwelten“. Nachdem WDR-Moderator Ralph Caspers im Dezember den Kindern das Binärsystem vorgestellt hatte, erklärte Prof. Dr. Michael Hahn in dieser Woche, wie Computer die menschliche Sprache verarbeiten und sinnvolle Antworten geben.
Nur wenige Kinder schafften es aufgrund der Wetterlage persönlich zur Kinderuni.
Daher organisierte das Kinderuni-Team ergänzend zur Präsenzveranstaltung im Audimax kurzfristig einen
Livestream über seinen Youtube
Kanal. So folgten etwa 150 Grundschulkinder von zu Hause aus via Handy, Computer und Tablet der 45-minütigen Vorlesung.
„Gesprochene Worte werden als Schallwellen durch die Luft getragen. Doch Schallwellen sind nicht alle gleich“, sagte Michael Hahn. Verschieden schwere Steine, die man in einen Teich wirft, erzeugen im Wasser unterschiedliche Wellen. Und so produzieren Buchstaben wie O, A, S, oder E auch unterschiedliche Wellenlängen in der Luft, erklärte der Professor. Diese Wellen werden von einem Mikrofon aufgezeichnet. Der Computer erzeugt daraus ein Bild mit Streifen und Mustern und erkennt in dem Gewirr Buchstaben. Diese übersetzt er ins binäre System. Und alle Kinder, die beim letzten Mal Ralph Caspers zugehört haben, wissen auch, was das ist. Jetzt liegen die Wörter als Nullen und Einsen vor. Es ist für einen Computer also gar nicht so schwer, Sprache zu verstehen. Viel schwieriger wird es für ihn, auf Fragen und Befehle sinnvolle Antworten zu finden.
Zum besseren Verständnis ließ Professor Hahn seine jungen Zuhörer einen Satz vervollständigen: „Heute esse ich Spaghetti mit ...?“Es kamen viele Antworten zusammen: Parmesan, Maggi, Käse, Pesto und oft wurde Tomatensoße genannt. Spaghetti mit Fahrradreifen isst niemand. Auch ein Computer wie ChatGPT würde als Antwort Tomatensoße nennen. Wie kommt das? Schließlich kann ein Computer nicht wissen, ob Fahrradreifen essbar sind.
Dazu machte der Professor mit den Kindern einen Ausflug ins menschliche Gehirn und erklärte, dass das Gehirn aus Neuronen besteht. Neuronen sind kleine Nervenzellen. Jede dieser Nervenzelle speichert Erinnerungen. Und jede Nervenzelle ist mit vielen anderen Nervenzellen über fadenartige Verbindungen verknüpft. Das Ganze gleicht einem Netz mit vielen Kno
ten. Deshalb spricht man auch von einem neuronalen Netz.
Denkt man an Spaghetti, denkt man meistens an Tomatensoße. Denn die Neuronen für Spaghetti und Tomatensoße sind besonders gut verknüpft. An Fahrradreifen denkt bei Spaghetti niemand. Die Häufigkeit scheint beim Denken eine wichtige Rolle zu spielen. Und genau das macht sich ein Computer zunutze. Computer verfügen zwar nicht über Neuronen, aber sie können ein neuronales Netz nachahmen. „Der Computer imitiert den Menschen“, erklärte der Professor und zeigte ein Bild mit vielen Kästchen. Sie sollen die Neuronen darstellen. In einem Kästchen lag ein Foto der Spaghetti. Und in einem anderen das Foto der Tomatensoße. Beide Kästchen waren verbunden. Je stärker die Verbindung ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Dinge zusammengehö
ren. Der Computer berechnet also ausschließlich Wahrscheinlichkeiten. Die wahrscheinlichste Antwort lautet in diesem Fall Tomatensoße. Eine Verbindung zu Fahrradreifen gibt es nicht.
Aber woher weiß der Computer das? Woher kennt er die Häufigkeiten? Ganz einfach: Er durchsucht das Internet. Er sucht nach Elementen, die zusammen in einem Satz genannt werden. Rezepte für Spaghetti mit Tomatensoße gibt es oft. Spaghetti mit Fahrradreifen findet man dagegen nie. Der Computer lernt also von uns Menschen, weil wir Menschen die Begriffe zusammen verwenden. Und deshalb weiß ChatGPT, dass wir morgens meistens mit Bus, Auto oder Fahrrad fahren und nicht auf einer Zahnbürste zur Schule reiten.