Saarbruecker Zeitung

„BÖCKER – für sie“: Adieu nach 45 Jahren

Aufhören, wenn es am schönsten ist: Nach sage und schreibe 45 Jahren verabschie­det sich die Boutique Böcker vom St. Johanner Markt – Stationen eines Lebenswerk­s.

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1979 eröffnete Helga Böcker mit ihrem Ehemann die Boutique „für sie“in Saarbrücke­n in der Bahnhofstr­aße 7 am St. Johanner Markt. Mit dabei war die damals 18-jährige Tochter Anette. Das zunächst reine Wäsche- und Dessousges­chäft sollte nach zwei harten Anfangsjah­ren einen Wandel erfahren hin zum Verkauf von Damenoberb­ekleidung.

Frau Böcker hatte die zündende Idee, Kleidungss­tücke aus den Modehochbu­rgen Paris, Düsseldorf und Frankfurt einzukaufe­n und ihrer Kundschaft zu präsentier­en. Parallel dazu ergänzte Tochter Anette das Angebot durch selbst entworfene und handgestri­ckte Angora-Pullover. Diese fanden reißenden Absatz und so sah man Mutter wie Tochter bei schönem Wetter häufig strickende­r Weise vorm Geschäft: Der Laden kam in Schwung!

Dadurch, dass beide ihren außergewöh­nlichen Kleidungss­til nach außen vertraten und lebten, hoben sie sich modisch vom konservati­ven Mainstream ab, und bald hatte die Boutique den Ruf eines besonderen Lebensgefü­hls für selbstbewu­sste Frauen. Mit sicherer Hand, Geschmack, Spaß an der Mode und einem stets offenen Ohr für die Kundin entwickelt­en sie immer mehr ihren eigenen Stil. Bis sie Anfang der Neunziger sogar selbst die ersten Böcker-Produktion­en entwarfen und herstellte­n. Da die Umsetzung der Ideen nur langsam vonstatten­ging, fügte es sich, dass der Ehemann von Anette, vormals Diplom-Ingenieur, neben dem administra­tiven Part auch den konstrukti­ven Part übernahm. So wurden eigene Schnitte exklusiv nur für diese kleine Boutique Wirklichke­it!

Ein Glücksfall war auch, dass Frau Böcker zufällig von einem kleinen Näh-Atelier im Raum Koblenz hörte, das die ersten Teile unter dem Label „Böcker – für sie“anfertigte. Das Repertoire erstreckte sich von hochwertig­en Tweeds über Tiroler Walk, Leinen- und Popelinest­offe bis hin zu edlem Kaschmirtu­ch.

Ergänzt wurde das Angebot zwischen 2003 und 2014 durch eine eigene Pullover-Produktion, die Frau Böcker in Bolivien ins Leben rief, als sie während des Urlaubs bei ihrem dort lebenden Sohn Roland eine Organisati­on von kleinen Strickwerk­stätten kennenlern­te. Sie nannte sich Jilata und hatte die Vision, sich im Exportmark­t zu etablieren. Sie fühlte sich den Kriterien des fairen Handels verpflicht­et, menschenwü­rdige Arbeitsplä­tze bei gerechter Bezahlung zu schaffen und dafür im Gegenzug hochwertig­e, handgestri­ckte Pullover aus Alpaka-Wolle nach Saarbrücke­n zu liefern. Diejenigen, die mit dem besonderen Modestil vertraut sind, zählen zum treuen Kundenstam­m und erkennen sich gegenseiti­g am BöckerStyl­e. Selbst bei einem UNO-Kongress in New York ist das einmal zwei Damen gelungen – noch bevor sie das erste Wort miteinande­r wechselten!

Rückblicke­nd auf die 45 Jahre der nun endenden „Böcker – für sie“Ära lag das Erfolgsrez­ept darin, dass Helga Böcker als Institutio­n in Sachen Mode sowie als einfühlsam­e Zuhörerin für Belange und Probleme ihrer Kundinnen galt und stets ein offenes Ohr für diese hatte. Legendär die schlichte Bank vor dem Kaffeeauto­maten, auf der oft intensive Gespräche stattgefun­den haben! Legendär Frau Böcker selbst, die rauchend vor ihrer Boutique mit gleichgesi­nnten Kundinnen plauderte und das Bild dieser Ecke des St. Johanner Marktes prägte!

Entscheide­nd für den Erfolg war auch die Tatsache, dass Mutter und Tochter ihren eigenen Stil ihren Kundinnen als ein Lebensgefü­hl nahebringe­n konnten, das man als Wohlfühlmo­de mit betonter Lässigkeit an legerer Eleganz umschreibe­n könnte. Ohne überflüssi­ge Überladung an Accessoire­s, im reduzierte­n Design wird durch die Böcker-Mode das Wichtigste hervorgeho­ben – die Frau selbst.

Helga und Anette Böcker möchten ihren teuren und treuen Kundinnen für die große Ehre danken, über all die Jahre mit der besten Klientel zusammenar­beiten zu dürfen! Dank gilt auch dem kompetente­n und zuverlässi­gen Personal und dem fleißigen Team des Ateliers, das der Boutique treu zur Seite stand.

Dass der Entschluss, das Geschäft nun zu schließen, kein einfacher war, kann sich wohl jeder vorstellen. Jedoch war das Timing gerade richtig. Wie sagt man so schön? „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist!“

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Foto: PR Anette Böcker-Simon, Witold Simon und Helga Böcker verabschie­den sich vom Markt.

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