Kita-Erzieherin sattelt um zur Polizistin
Polizeikommissarin Jaqueline Amann von der Inspektion Völklingen wollte, wie ihr Großvater, Polizistin werden. Das funktionierte, nachdem sie zehn Jahre Erzieherin war. Die Arbeit in der Kita kommt ihr dabei zugute.
Morgens vor der Grundschule in der Völklinger Bergstraße: Gegen 7.30 Uhr trudeln die ersten Schüler ein. Sie kommen alleine oder mit der Mama an der Hand. Andere werden chauffiert. Da freie Parkplätze direkt vor dem Gebäude knapp sind, ist die Bushaltestelle ein beliebter Haltepunkt.
Mit energischem Winken fordert Polizeikommissarin Jaqueline Amann die Autofahrer auf weiterzufahren. Der Bus kann jeden Moment eintreffen. Als sie an das Fenster eines Wagens klopft, der trotzdem anhält, hört sie den bekannten Satz: „Ich lass` ja nur schnell mein Kind raus.“Immerhin: Die Polizeipräsenz sorgt dafür, dass die Väter und Mütter direkt wieder wegfahren, wenn der Nachwuchs ausgestiegen ist. „Sonst schauen sie den Kindern oft noch nach, bis sie in der Tür verschwunden sind“, schildert die Beamtin. Sie rät den Eltern, die Selbstständigkeit der Jungen und Mädchen zu fördern: „Sie sollten ihnen zutrauen, ein Stück des Schulweges selbst zu gehen.“
Die Polizistin versucht, rücksichtslose Fahrer mit Worten zur Vernunft zu bringen. Für den abgestellten Transporter, der nicht nur an der Bushaltestelle parkt, sondern auch noch die Feuerwehrzufahrt blockiert, hat sie allerdings kein Verständnis. Amanns Kollege Benedikt Rosar greift zum Funkgerät und macht eine Halterabfrage. Vielleicht findet sich im Computer eine Telefonnummer. Dann taucht der Fahrer auf. Normalerweise starte er schon um sechs Uhr, nur heute sei er ausnahmsweise später dran, erklärt der Anwohner. Er ahnt wohl, dass ihm die Ausrede nicht weiterhilft. „Bekomme ich jetzt ein Protokoll?“Ja, für das ordnungswidrige Parken ist ein Bußgeld fällig.
Die Schulwegsicherung ist nur eine von Jaqueline Amanns Aufgaben. Im Ermittlungs- und Servicedienst beschäftigt sie sich auch mit Diebstahl, einfacher Körperverletzung oder Hausfriedensbruch. Seit Oktober 2022 arbeitet sie in der auch fürs Köllertal und den Warndt zuständigen Polizeiinspektion Völklingen in der Cloosstraße. Wenn die 35-Jährige morgens ins Büro kommt, weiß sie nie genau, was sie erwartet: „Kein Tag ist wie der andere.“Oft vergehe die Zeit wie im Flug. Der abwechslungsreiche Job macht ihr viel Spaß, und mit den Kollegen versteht sie sich prima: „Die Stimmung in der Dienststelle ist super“, versichert die Saarlouiserin.
Schon als Kind wollte sie zur Polizei, um ihrem Großvater Leonhard Amann nachzueifern. Der Gesetzeshüter erzählte ihr damals viele spannende Geschichten von seiner Arbeit. Ein Foto der beiden zierte sogar das Titelblatt einer Polizeizeitschrift, die Jaqueline Amann aufgehoben hat. Mit der damals einjährigen Jaqueline auf dem Arm lachte der Großvater 1989 in die Kamera. 2008 bewarb sich seine Enkelin bei der Polizei. Zunächst ohne Erfolg. Deshalb erlernte Amann den Beruf, der auf ihrer Traumjob-Liste an zweiter Stelle stand: Erzieherin. Zehn Jahre arbeitete sie in einer Kita. 2018 entdeckte sie dann eine Anzeige: Die Polizei suchte Auszubildende. Weil das Einstellungsalter mittlerweile erhöht worden war, konnte sie sich erneut bewerben.
Aber sollte sie mit 29 Jahren noch mal ganz von vorne anfangen und den Job, der ihr Spaß machte, an den Nagel hängen? Die Familie und die Freunde machten ihr Mut. „Wir schaffen das, ich unterstütze dich“, versprach ihre Mutter auch mit Blick auf den damals zweieinhalbjährigen Sohn ihrer Tochter.
Jaqueline Amann bewarb sich, und diesmal klappte es. 2019 wurde sie eingestellt. Heute lebt die Beamtin in einer Patchwork-Familie. Ihr Partner hat ebenfalls einen Sohn mit in die Beziehung gebracht. Und ihr früherer Beruf ist für sie noch immer hilfreich. Denn bei den Beratungsgesprächen, die die Polizistin führt, helfen ihr die Erfahrungen als Erzieherin. Etwa wenn sich verzweifelte Eltern an sie wenden, weil ihr Kind in der Schule gemobbt werde. Wenn die Emotionen hochkochen, gelingt es der Kommissarin meist, die Wogen mit Worten zu glätten.
Auch mit dem Mann, gegen den kürzlich ein Haftbefehl vollstreckt werden sollte, kam sie schnell ins Gespräch. Nach einigen Minuten erzählte er mit strahlendem Gesicht von seinem Enkelkind – und ließ sich widerstandslos festnehmen. Wegrennen hätte wohl auch wenig gebracht. Jaqueline Amann ist eine gute Läuferin. Sie hat bereits drei Marathons und einen Triathlon über die Mitteldistanz absolviert.
Am Tag unseres Besuchs endet ihr Dienst um 14.30 Uhr. Anschließend will sie ihren Sohn und ihren Stiefsohn – beide acht Jahre alt – abholen und zum Trampolintraining bringen. In der Sportart war Amann früher selbst in der zweiten Bundesliga aktiv. Wenn die Kinder im Training sind, hat die Polizistin etwas Zeit für sich. „Je nach Wetterlage werde ich eine Runde laufen“, sagt sie, „oder einfach mal nichts tun.“