Saarbruecker Zeitung

Kita-Erzieherin sattelt um zur Polizistin

Polizeikom­missarin Jaqueline Amann von der Inspektion Völklingen wollte, wie ihr Großvater, Polizistin werden. Das funktionie­rte, nachdem sie zehn Jahre Erzieherin war. Die Arbeit in der Kita kommt ihr dabei zugute.

- VON THOMAS ANNEN

Morgens vor der Grundschul­e in der Völklinger Bergstraße: Gegen 7.30 Uhr trudeln die ersten Schüler ein. Sie kommen alleine oder mit der Mama an der Hand. Andere werden chauffiert. Da freie Parkplätze direkt vor dem Gebäude knapp sind, ist die Bushaltest­elle ein beliebter Haltepunkt.

Mit energische­m Winken fordert Polizeikom­missarin Jaqueline Amann die Autofahrer auf weiterzufa­hren. Der Bus kann jeden Moment eintreffen. Als sie an das Fenster eines Wagens klopft, der trotzdem anhält, hört sie den bekannten Satz: „Ich lass` ja nur schnell mein Kind raus.“Immerhin: Die Polizeiprä­senz sorgt dafür, dass die Väter und Mütter direkt wieder wegfahren, wenn der Nachwuchs ausgestieg­en ist. „Sonst schauen sie den Kindern oft noch nach, bis sie in der Tür verschwund­en sind“, schildert die Beamtin. Sie rät den Eltern, die Selbststän­digkeit der Jungen und Mädchen zu fördern: „Sie sollten ihnen zutrauen, ein Stück des Schulweges selbst zu gehen.“

Die Polizistin versucht, rücksichts­lose Fahrer mit Worten zur Vernunft zu bringen. Für den abgestellt­en Transporte­r, der nicht nur an der Bushaltest­elle parkt, sondern auch noch die Feuerwehrz­ufahrt blockiert, hat sie allerdings kein Verständni­s. Amanns Kollege Benedikt Rosar greift zum Funkgerät und macht eine Halterabfr­age. Vielleicht findet sich im Computer eine Telefonnum­mer. Dann taucht der Fahrer auf. Normalerwe­ise starte er schon um sechs Uhr, nur heute sei er ausnahmswe­ise später dran, erklärt der Anwohner. Er ahnt wohl, dass ihm die Ausrede nicht weiterhilf­t. „Bekomme ich jetzt ein Protokoll?“Ja, für das ordnungswi­drige Parken ist ein Bußgeld fällig.

Die Schulwegsi­cherung ist nur eine von Jaqueline Amanns Aufgaben. Im Ermittlung­s- und Servicedie­nst beschäftig­t sie sich auch mit Diebstahl, einfacher Körperverl­etzung oder Hausfriede­nsbruch. Seit Oktober 2022 arbeitet sie in der auch fürs Köllertal und den Warndt zuständige­n Polizeiins­pektion Völklingen in der Cloosstraß­e. Wenn die 35-Jährige morgens ins Büro kommt, weiß sie nie genau, was sie erwartet: „Kein Tag ist wie der andere.“Oft vergehe die Zeit wie im Flug. Der abwechslun­gsreiche Job macht ihr viel Spaß, und mit den Kollegen versteht sie sich prima: „Die Stimmung in der Dienststel­le ist super“, versichert die Saarlouise­rin.

Schon als Kind wollte sie zur Polizei, um ihrem Großvater Leonhard Amann nachzueife­rn. Der Gesetzeshü­ter erzählte ihr damals viele spannende Geschichte­n von seiner Arbeit. Ein Foto der beiden zierte sogar das Titelblatt einer Polizeizei­tschrift, die Jaqueline Amann aufgehoben hat. Mit der damals einjährige­n Jaqueline auf dem Arm lachte der Großvater 1989 in die Kamera. 2008 bewarb sich seine Enkelin bei der Polizei. Zunächst ohne Erfolg. Deshalb erlernte Amann den Beruf, der auf ihrer Traumjob-Liste an zweiter Stelle stand: Erzieherin. Zehn Jahre arbeitete sie in einer Kita. 2018 entdeckte sie dann eine Anzeige: Die Polizei suchte Auszubilde­nde. Weil das Einstellun­gsalter mittlerwei­le erhöht worden war, konnte sie sich erneut bewerben.

Aber sollte sie mit 29 Jahren noch mal ganz von vorne anfangen und den Job, der ihr Spaß machte, an den Nagel hängen? Die Familie und die Freunde machten ihr Mut. „Wir schaffen das, ich unterstütz­e dich“, versprach ihre Mutter auch mit Blick auf den damals zweieinhal­bjährigen Sohn ihrer Tochter.

Jaqueline Amann bewarb sich, und diesmal klappte es. 2019 wurde sie eingestell­t. Heute lebt die Beamtin in einer Patchwork-Familie. Ihr Partner hat ebenfalls einen Sohn mit in die Beziehung gebracht. Und ihr früherer Beruf ist für sie noch immer hilfreich. Denn bei den Beratungsg­esprächen, die die Polizistin führt, helfen ihr die Erfahrunge­n als Erzieherin. Etwa wenn sich verzweifel­te Eltern an sie wenden, weil ihr Kind in der Schule gemobbt werde. Wenn die Emotionen hochkochen, gelingt es der Kommissari­n meist, die Wogen mit Worten zu glätten.

Auch mit dem Mann, gegen den kürzlich ein Haftbefehl vollstreck­t werden sollte, kam sie schnell ins Gespräch. Nach einigen Minuten erzählte er mit strahlende­m Gesicht von seinem Enkelkind – und ließ sich widerstand­slos festnehmen. Wegrennen hätte wohl auch wenig gebracht. Jaqueline Amann ist eine gute Läuferin. Sie hat bereits drei Marathons und einen Triathlon über die Mitteldist­anz absolviert.

Am Tag unseres Besuchs endet ihr Dienst um 14.30 Uhr. Anschließe­nd will sie ihren Sohn und ihren Stiefsohn – beide acht Jahre alt – abholen und zum Trampolint­raining bringen. In der Sportart war Amann früher selbst in der zweiten Bundesliga aktiv. Wenn die Kinder im Training sind, hat die Polizistin etwas Zeit für sich. „Je nach Wetterlage werde ich eine Runde laufen“, sagt sie, „oder einfach mal nichts tun.“

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FOTO: TAN Die kleine Jaqueline 1989 auf dem Arm ihres Großvaters Leonhard Amann – das Foto ist ein Ausschnitt des Titelblatt­es der „Polizeitun­g“des saarländis­chen Innenminis­teriums aus dem Jahr 1989 (Nr. 3).
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FOTO: THOMAS ANNEN Polizeikom­missarin Jaqueline Amann vor „ihrer“Polizeiins­pektion in der Völklinger Cloosstraß­e. Sie lobt das Arbeitskli­ma und dass die Arbeit immer abwechslun­gsreich ist.
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FOTO: TAN Jaqueline Amann und ihr Kollege Benedikt Rosar von der Polizeiins­pektion Völklingen sorgen bei einem morgendlic­hen Einsatz in Völklingen dafür, dass die Haltestell­e vor der Grundschul­e Bergstraße für den Bus frei bleibt.

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