Debatte um AfD-Verbot im Gemeinderat
Die Debatte um ein mögliches Verbot der AfD ist auch in den Kommunen angekommen. Die Fraktionen im Gemeinderat Quierschied stritten lautstark über diese Frage, brachten dabei auch einige alte Vorwürfe aufs Tapet. Nur einer saß bei diesem Schlagabtausch gr
Klappt es im zweiten Anlauf? Das war die spannende Frage vor Beginn der Gemeinderatssitzung Quierschied am Donnerstag. Als erster Tagesordnungspunkt stand erneut die „Verpflichtung eines neuen Ratsmitglieds“auf dem Programm — nämlich Michel Dörr, der schon in der Dezembersitzung für ein verstorbenes AfD-Mitglied nachrücken sollte, stattdessen aber einen Eklat verursachte (wir berichteten): Er tauchte verspätet zur Sitzung auf, beschwerte sich lautstark darüber, dass seine Amtseinführung bereits vertagt worden war, und verließ die Sitzung anschließend wütend wieder.
Dieses Mal war Michel Dörr, Sohn des AfD-Landtagsfraktionschefs Josef Dörr, pünktlich, so dass das Verfahren seinen Gang nehmen konnte. Bürgermeister Lutz Maurer (parteilos) klärte Dörr darüber auf, dass er als Mitglied des Gemeinderats „zur gesetzmäßigen und gewissenhaften Ausführung des Amtes“, Verschwiegenheit über vertrauliche Angelegenheiten, Treue zur Gemeinde und Teilnahme an den Ratssitzungen verpflichtet sei. Dies wurde per Handschlag besiegelt.
Im Tagesordnungspunkt „Mitteilungen und Anfragen“wurde Dörrs Partei dann aber erneut zum Thema: Als Reaktion auf die vielbeachtete Correctiv-Recherche (siehe Info) regte Uwe Beyer (Die Linke) eine gemeinsame Stellungnahme aller anderen Fraktionen im Gemeinderat an. Konkret forderte er SPD, CDU und Freie Wähler auf, sich gemeinsam mit der Linken klar gegen die Inhalte des Geheimtreffens zu positionieren, bei ihrer jeweiligen Parteiführung auf eine Prüfung eines AfD-Verbots hinzuwirken und sich öffentlich dazu zu bekennen. „Wir sollten die Einigkeit des Gemeinderats in dieser Sache darstellen“,
meinte Beyer. „Denn jeder von uns hat doch mitbekommen, was unter anderem in Potsdam passiert ist.“
Im Gemeinderat stieß der Vorschlag allerdings auf wenig Gegenliebe. Noch während Beyers Ausführungen war im Saal deutlich ein genervtes Stöhnen zu vernehmen – von wem, war indes nicht auszumachen. Gernot Abrahams von der Fraktion der Freien Wähler sprach sich grundsätzlich gegen den Vorschlag aus: „Wir müssen respektieren, dass die AfD eine demokratische gewählte Partei ist und uns viel mehr fragen, wer an dieser Misere eigentlich die Schuld hat.“Seiner Meinung nach seien das die regierenden Parteien im Bund und Land. In Beyers Richtung äußerte er die Ansicht, dass dieser mit „Spekulationen um ein Treffen in Potsdam“der AfD nur weiteren Auftrieb verschaffe. Den öffentlichen Aufschrei im Zuge dieser Enthüllungen, die sich aktuell in bundesweiten Demonstrationen mit zehntausenden Teilnehmern nieder
schlägt, bezeichnete er als „Hype“. Zwar teile er die Sorgen um eine mögliche rechtsextreme Ausrichtung in Teilen der Partei, aber: „Das zu beurteilen ist die Sache des Verfassungsschutzes, nicht die Aufgabe von mir hier im Gemeinderat.“Zumal die AfD im Quierschieder Rat ohnehin seit Jahren keine Rolle spiele.
Allerdings erinnerte Abrahams daran, dass es seine Fraktion gewesen war, die „der AfD die finanziellen Mittel auf ein Minimum reduzieren“wollte. Doch hier sei den anderen Fraktionen das „eigene Hemd näher gewesen als der Rock“. Damit spielte Abrahams auf eine Initiative der Freien Wähler im vergangenen Jahr an mit dem Ziel, die Vergütung der Quierschieder Ratsmitglieder neu zu ordnen – zum Nachteil der AfD, welche im Gemeinderat fast ausschließlich mit Abwesenheit glänzt. Dieser Vorstoß sei allerdings am Widerstand von SPD und CDU gescheitert.
Dieser Seitenhieb brachte jedoch Stefan Ziegler (CDU) in Rage. Er
empfahl Abrahams einen Blick in die eigene Vergangenheit: Es seien in der Legislaturperiode 2014 bis 2019 doch gerade Gernot Abrahams und Peter Wachs aus der jetzigen Fraktion der Freien Wähler gewesen, die sich „mit der AfD ins Bett gelegt“hätten, konterte Ziegler. Bei der Besetzung der Ausschüsse hätten die Freien Wähler zu dieser Zeit aus „Gier“einen Platz für sich beansprucht und daher fünf Jahre lang eine Fraktionsgemeinschaft mit AfD und Linken gebildet. Die Folge: Die Zahl der Ausschussmitglieder musste erhöht werden, wovon auch die AfD finanziell profitiert hatte. Schon damals hätte die inhaltliche Ausrichtung dieser Partei für Abrahams klar zu erkennen gewesen sein müssen. „Dass sie sich jetzt hier als Speerspitze im Kampf gegen die AfD hinstellen, ist verlogen ohne Ende!“
Zieglers Klarstellung wurde von SPD und CDU gleichermaßen mit Applaus goutiert. Die Reaktion von Uwe Beyer, der zum fraglichen Zeit
punkt noch kein Mandat im Gemeinderat inne hatte, fiel kritisch gegen seine eigene Partei aus: „Wenn die Linke wirklich in dieser Fraktionsgemeinschaft drin war, wovon ich nichts weiß, dann ist das eine Schande für jeden, der solch ein Spiel mit betrieben hat!“
Der ursprüngliche Vorschlag ging bei diesem Wortgefecht unter. Die SPD äußerte sich nicht dazu. Und auch Michel Dörr, der den Schlagabtausch breit grinsend verfolgt hatte, enthielt sich als einziges anwesendes AfD-Mitglied eines Kommentars. Sein Parteikollege Riko Becker blieb dem Gemeinderat erneut unentschuldigt fern.
Daneben wurde bei der Sitzung auch noch inhaltlich gearbeitet: Der Gemeinderat traf unter anderem Beschlüsse über die Neuregelung der Abwassergebührenordnung und diskutierte erneut über den Wirtschaftsplan 2024 des öffentlichen Personennahverkehrs.