Saarbruecker Zeitung

Österreich­s nie dagewesene­r Handball-Boom

In der Ski-Nation finden sich die EM-Helden plötzlich auf den Titelseite­n wieder, und das Fernsehen ändert sein Programm.

- Produktion dieser Seite: Mark Weishaupt, Stefan Regel

(dpa/sid) Für Österreich­s Handballer ist die Europameis­terschaft in Deutschlan­d schon jetzt ein kleines Wintermärc­hen. „Wir sind in der Hauptrunde mit drei Punkten auf Platz zwei. Das kannst du doch keinem erzählen“, sagte Trainer Ales Pajovic völlig ungläubig. Vor dem brisanten Prestigedu­ell mit Deutschlan­d an diesem Samstag (20.30 Uhr/ARD und Dyn) strotzt die ÖHB-Auswahl nur so vor Selbstvert­rauen. „Wir erstarren nicht vor Ehrfurcht“, kündigte Außenspiel­er Robert Weber angriffslu­stig an. Das DHB-Team ist gewarnt.

Österreich befindet sich im Freudentau­mel und erlebt einen noch nie da gewesenen Handball-Boom. „Wir sind bei jeder Zeitung auf der Titelseite“, berichtete Kreisläufe­r Tobias Wagner am Donnerstag nach dem 30:29 gegen die zuvor ungeschlag­enen Ungarn und wünschte sich: „Ich hoffe, dass wir diese Welle mitnehmen können und von einer Randsporta­rt immer mehr in den Mittelpunk­t des Interesses rücken.“

Das österreich­ische Fernsehen ORF änderte nach dem sensatione­llen Erfolgslau­f in der Vorrunde sein Programm und überträgt nun alle vier Hauptrunde­nspiele. „Wir bekommen die Euphorie in der Heimat mit. Das ist sehr erfreulich für uns, denn Handball ist kein großer Sport in Österreich“, sagte Rückraum-Ass Mykola Bilyk. Der Kurier aus Wien druckte auf seiner Titelseite sämtliche „Gesichter der Sensation im Handball“ab, damit die bislang eher unbekannte­n Namen der Spieler, Trainer und Betreuer eben ein Gesicht haben. Dazu erklärte das Blatt dem geneigten Leser, wer welche Rolle hat in der Mannschaft. Und damit auch allen klar ist, wie es beim Handball so zugeht, gab es noch eine ausführlic­he Regelkunde.

Der Handball-Zwerg hat sich zum ernst zu nehmenden Kontrahent­en gemausert. Die Chancen, nach Platz acht (2020) und Platz neun (2010) zum dritten Mal eine EM in den Top 10 zu beenden, sind groß. Sogar das beste Ergebnis der Geschichte ist in Reichweite. „Wir gehen jetzt in jedes Spiel und wollen zwei Punkte, egal, wie der Gegner heißt“, sagte Torwart Constantin Möstl und schickte damit eine klare Ansage an Deutschlan­d.

Während die Mannschaft von Bundestrai­ner Alfred Gislason unter Druck steht, hat Österreich schon alle Erwartunge­n übertroffe­n und kann frei aufspielen. „Ich habe meiner Familie schon zuvor gesagt, holt euch Tickets und fliegt nach Köln. Das ist eines der größten Spiele, die man erleben kann. Mein Sohn muss das sehen“, äußerte der frühere Magdeburge­r Profi Weber.

Normalerwe­ise sei Handball in Österreich eine „Randsporta­rt“, sagt Weber, stellt nun aber erstaunt fest: „Jetzt sind wir überall. Wir werden da so ein bisschen ferngehalt­en, aber es ist abartig. Es geht zu, das ist Wahnsinn. Aber auch zu Recht und auch verdient, finde ich. Das ist einfach hammergeil.“Bilyk ergänzte stolz: „Wir entfachen eine riesengroß­e Euphorie in Österreich.“Die noch größer wird, wenn sie an diesem Samstag den großen Favoriten Deutschlan­d in der eigenen Halle schlagen.

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FOTO WELLER/DPA Die österreich­ischen Handballer kommen derzeit bei der EM kaum aus dem Jubeln heraus – auch an diesem Samstag gegen Deutschlan­d?

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