Abschied auf der größten Bühne
Ein Abfahrtsrennen noch, dann ist Schluss: Am Samstag schließt sich für Thomas Dreßen in Kitzbühel früher als geplant ein Kreis.
(sid) Den Tag vor seinem letzten Rennen nutzte Thomas Dreßen schon dafür, so viele Erinnerungen wie möglich aufzusaugen. Er fuhr die Streif in Kitzbühel hinab, verfolgte die erste von zwei Abfahrten jedoch aus dem Starthaus. Ein Rennen kann er seinem kaputten Knie noch abringen, das soll der Klassiker am Samstag sein. 40 000 Zuschauer, große Kulisse am Ort seines größten Triumphs. „Ich werd` schon schau`n, dass ich da sicher runterkomme.“
Ihm sei immer klar gewesen, sagte Dreßen (30) bei der Ankündigung seines Abschieds, dass er nicht einfach so verschwinden wolle, sondern „dass ich bei einem Rennen meine letzte Fahrt machen will“. Nirgendwo geht dies besser als auf der größten Bühne, die sein Sport zu bieten hat. „Was gibt es Würdevolleres, als die Karriere in Kitzbühel zu beenden? Ich freue mich, ich werde alles mitnehmen, was ich kann.“
Es wird dann auf den Tag genau sechs Jahre her sein, dass Dreßen die gnadenlose Welt der Abfahrer mit seinem Sieg auf der Streif im Sturm eroberte. Da war plötzlich einer, der in der alpinen Königsdisziplin „nach dem Sternenhimmel greifen kann“, wie der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier formulierte. Tatsächlich tritt Dreßen als der erfolgreichste deutsche Abfahrer der Geschichte ab – neun Jahre nach seinem ersten von dann nur 80 Starts.
Einer der vielen, die den Rücktritt Dreßens bedauern, ist der Schweizer Beat Feuz, Olympiasieger von 2022, seit seinem letzten Rennen vor einem Jahr ebenfalls in Kitzbühel für das Schweizer Fernsehen tätig. „Wir haben uns ja zwei Jahre lang um das Podium gestritten, ich habe ihn auch immer analysiert, weil er einen ähnlichen Fahrstil hat wie ich“, sagte er. „Es ist schade, dass er aufhören muss, er hätte mehr gewinnen können, aber er macht jetzt schon das Richtige.“
Mit 30 Jahren ist Dreßen im besten Alter für einen Abfahrer. Doch da war eben dieser Sturz im November 2018 in Beaver Creek, dessen Folgen sich erst nach und nach bemerkbar machten. Die Saison danach verlief noch grandios, dann aber ließen
Dreßen die Probleme mit dem kaputten rechten Knie nicht mehr los. Bei einer Knorpel-Operation 2021 wurde ihm von den Ärzten gesagt, „dass ich mich darauf einstellen soll, dass jetzt nicht zehn Jahre plus geht.“
Es ging gut bis kurz vor dem Ende des vergangenen Jahres, da schoss Dreßen beim Training wieder der Schmerz ins Knie. In Wengen fuhr er dann schwer gehandicapt, nach der Rückkehr fiel am Sonntag die Entscheidung. Seine Frau Birgit brachte gerade die kleine Elena ins Bett, und Dreßen verspürte „das Bedürfnis“, seine Siegesfahrt von Kitzbühel 2018 anzusehen. Dabei wurde ihm schnell klar: „So, wie du da gefahren bist, das geht nicht mehr.“
Und so schließt sich für Dreßen nun ein Kreis, am Ort seines größten Sieges, aber eben anders als erwartet und früher als erhofft.