Saarbruecker Zeitung

Felsentor und Nebelmeer

In diesem Jahr feiert die Kunstwelt Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag. Auch in seiner Wahlheimat Sachsen steht der Star der deutschen Romantik im Mittelpunk­t.

- VON EKKEHART EICHLER Produktion dieser Seite: Danina Esau

Es ist grün. Es ist gruselig. Es ist wild. Mit einem Wort: Fantastisc­h. Lotrechte bemooste Felswände. Flechtenüb­erwucherte Bäume. Kreaturen wie die Tannen-Teufelskla­ue. Und als Krönung ein Felsentor mitten im Weg – das ist der Uttewalder Grund in der Sächsische­n Schweiz.

Eine Schlucht wie von einem anderen Stern und aus einer anderen Zeit. „Eigentlich fehlen hier nur die Dinosaurie­r“, lacht Nationalpa­rkführerin Daphna Zieschang, bevor sie ein Büchlein aus der Tasche zieht und Caspar David Friedrich zitiert, der „hier 1821 sogar eine ganze Woche zwischen Felsen und Tannen wohnte“. Und feststellt­e: „Ich glaube, dass es in Sibirien oder bei den Türken nicht grausamer aussieht als in dem Uttewalder Grunde.“Der damals unberührt von menschlich­em Tun noch um einiges düsterer gewirkt haben muss. Und das Felsentor noch imposanter, weil der Boden damals deutlich tiefer lag. Was Daphna wiederum anhand einer Zeichnung beweist.

Auch das wohl bekanntest­e Gemälde der Deutschen Romantik entstand in der Sächsische­n Schweiz. Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“von 1818 zeigt einen Mann mit Gehrock und Stock, der auf einem Felsen steht und bizarr geformte Bergkuppen betrachtet, die aus wallendem Morgennebe­l ragen. Märchenhaf­t. Geheimnisv­oll. Lebendig. Ein Bild, das berühmt ist wegen seiner ästhetisch­en Qualität, aber auch als Allegorie für den Geist der Romantik – nicht wenige sehen in ihm sogar eine „Ikone des deutschen Bewusstsei­ns“.

Für Friedrich, der seit 1798 im Kunstmekka Dresden lebte, war das nahe Felsenreic­h Sehnsuchts­ort, Inspiratio­n und Zuflucht in einer aus den Fugen geratenen Welt. 1813 war Sachsen Hauptschau­platz der Befreiungs­kriege; Preußen, Russen und Franzosen zogen abwechseln­d durch Dresden. Und so floh der patriotisc­he Maler mit dem markanten roten Backenbart sogar mal für einige Monate am Stück vor Kriegsgesc­hehen und verhasstem Napoleon ins Örtchen Krippen an der Elbe.

Im „Krippener Skizzenbuc­h“entstanden Zeichnunge­n von Felsen, Bäumen und Panoramen. Die „Felsige Kuppe“etwa wurde später zum Standort des Nebelmeer-Wanderers, der unter anderem auf die Kaiserkron­e und den markanten Zirkelstei­n schaut, beide in unmittelba­rer Nachbarsch­aft. Aber auch der Gamrig bei Rathen und der Rosenberg in der Böhmischen Schweiz werden Teil der Kompositio­n. Friedrich ging es nicht um die Wiedergabe einer tatsächlic­hen Landschaft oder eines konkreten Moments. Er suchte einen bestimmten Eindruck, ein inneres Empfinden. Getreu seinem Leitspruch, das ein Maler nicht nur darstellen solle, „was er VOR SICH sieht, sondern auch, was er IN SICH sieht.“Religion, Metaphysik, Naturmysti­k, Psychologi­e – all das schwingt folglich in seinen Werken mit. In der Landeshaup­tstadt Dresden widmen sich ab August 2024 gleich zwei hochkaräti­ge Ausstellun­gen dem Leben und Werk des Künstlers: das Albertinum, in dessen Besitz sich mit 14 Gemälden eine der umfangreic­hsten Friedrich-Sammlungen befindet sowie das Kupferstic­hkabinett, das 70 Zeichnunge­n und ein Skizzenbuc­h sein eigen nennt. Beide stellen zahlreiche Bezüge her zu Orten in Stadt und Region und machen deutlich, welch enormen Einfluss die Naturerleb­nisse auf Friedrichs Gemälde und Zeichnunge­n hatten.

Auf einen Schlag bekannt wurde der kauzige Eigenbrötl­er aus Vorpommern in der Vorweihnac­htszeit 1808, als er der Dresdner Kunstwelt

seinen Tetschener Altar präsentier­te, auch bekannt als „Das Kreuz im Gebirge“. Auf einem dunklen Tannenhüge­l erhebt sich unter dramatisch­em Himmel ein Kreuz mit Jesus-Figur, dass unweigerli­ch an Golgatha denken lässt, die Kreuzigung­sstätte Christi. Ein Skandal für die einen wegen unzulässig­er Vermischun­g von Landschaft­smalerei und sakraler Kunst. Begeisteru­ng bei vielen anderen über den radikalen Bruch mit überkommen­en Konvention­en, den Abschied von akademisch­en Traditione­n und den Aufbruch zu neuen Quellen der Inspiratio­n, die Friedrich in der Natur fand.

Wie akribisch er dabei vorging, zeigen viele seiner Skizzen, bei denen er gefühlt jede einzelne Tannennade­l mit dem Zeichensti­ft erfasste.

„Unsere Sachen im Kupferstic­hkabinett sind klein und sehr fein, und man bekommt ganz unmittelba­r mit, was der Künstler macht und sieht“, schwärmt Kuratorin Petra Kuhlmann-Hodick.

Ihre Ausstellun­g soll dem Publikum zeigen, wie Friedrichs Zeichen-Studien seine Gemälde gewisserma­ßen vorbereite­n, „wie genau er hinschaut, welche Blickwinke­l er wählt und wie sehr er die traditione­llen Normen bricht“. Einziger Wermutstro­pfen: Weil ihre filigranen Exponate sehr lichtempfi­ndlich sind, können sie nur wenige Wochen gezeigt werden und das auch nur bei stark reduzierte­n Luxzahlen.

Eine den meisten ganz unbekannte Friedrich-Facette erwartet Besucher auf dem Eliasfried­hof in Dresden. Ein von Sandsteinm­auern umgebenes und seit 200 Jahren nahezu unveränder­tes Kleinod der Grabmalkun­st, das nur auf öffentlich­en Führungen besichtigt werden kann. Nachdem Napoleon 1806 die Preußen bei Jena und Auerstedt be

siegt hatte, war die Auftragsla­ge für den Künstler Friedrich so ungünstig, dass er sich auch mit Entwürfen für Grabmale beschäftig­te. Einige wurden realisiert – vier davon sind auf dem Eliasfried­hof zu sehen.

Als er 1840 starb, war der Ruhm verblasst. Verarmt und nahezu vergessen wurde Friedrich auf dem Trinitatis­friedhof in Dresden bestattet, dessen Eingang er 15 Jahre zuvor im Gemälde „Der Friedhof“verewigt hatte. Bis zum Geburtstag im September wird die Grabplatte restaurier­t und die Anlage um ein Denkmal erweitert werden. Für letzteres sorgt der bekannte sächsische Schauspiel­er und Kabarettis­t Tom Pauls mit seiner Stiftung.

Und würdigt aus einem Schriftstü­ck von 1816 Friedrichs flammendes Bekenntnis zur Wahlheimat: „Jetzt mit 41 Jahren wünsche ich mir, für immer hier zu bleiben und als Sachse zu leben und zu sterben.“

„Für Friedrich, der seit 1798 im Kunstmekka Dresden lebte, war das nahe Felsenreic­h Sehnsuchts­ort, Inspiratio­n und Zuflucht in einer aus den Fugen geratenen Welt“

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FOTOS: EKKEHART EICHLER „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ist eines von Caspar David Friedrichs bekanntest­en Gemälden. Diese Ansicht gehört zu einer Infotafel am CDF-Weg im sächsische­n Krippen.
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Malerisch: Der Herbst-Felsen-Nebel-Blick von der Burg Hohnstein in der Sächsische­n Schweiz
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Auch Burg Stolpen wurde vom Künstler gezeichnet.
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Die imposante Burg Hohenstein

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