Saarbruecker Zeitung

Hunderttau­sende demonstrie­ren gegen Rechts

In ganz Deutschlan­d sind am Wochenende Menschen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen Rechtsextr­emismus zu setzen. Auch Spitzenpol­itiker nahmen an den Protesten teil. Zugleich mehren sich die Warnungen vor einem AfD-Verbotsver­fahren.

- VON JAN DREBES

In Deutschlan­d haben am Wochenende Hunderttau­sende Menschen gegen Rechtsextr­emismus demonstrie­rt. Allein in München waren nach Angaben der Veranstalt­er am Sonntag etwa 200 000 Menschen auf der Straße. Die Kundgebung wurde im Anschluss aus Sicherheit­sgründen abgebroche­n, da der Veranstalt­ungsbereic­h in der Innenstadt völlig überfüllt war.

Auch in Köln herrschte großer Andrang bei der Demonstrat­ion, die Veranstalt­er sprachen von 70 000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n. In Bremen nahmen nach Angaben des Netzwerks Campact 50 000 Menschen teil, die Polizei schätzte die Zahl auf 45 000.

Großer Andrang wurde auch zum Auftakt einer Demonstrat­ion in Stuttgart gemeldet. Kurz nach Beginn sei der Marktplatz bereits voll, teilte die Polizei mit. In Berlin lief am Sonntagnac­hmittag eine Großdemons­tration, bereits am Freitag und Samstag hatten in zahlreiche­n deutschen Städten insgesamt hunderttau­sende Menschen demonstrie­rt.

Die größten Kundgebung­en fanden am Samstag in Frankfurt am Main, Hannover und Dortmund statt. Am Freitagabe­nd war bereits eine Demonstrat­ion in Hamburg wegen Überfüllun­g vorzeitig beendet worden.

Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Demonstrat­ionen. „Das Herz unserer Demokratie schlug an diesem Wo

chenende auf unseren Straßen und Plätzen. Dass mehrere Hunderttau­send Menschen Gesicht zeigen und gerade jetzt unsere Demokratie aktiv verteidige­n, das ist ein sehr ermutigend­es Zeichen“, sagte Faeser unserer Redaktion. „Das zeigt, dass unsere demokratis­che Zivilgesel­lschaft das stärkste Bollwerk gegen Rechtsextr­emismus ist. Und das zeigt, wie viele Menschen sehen, dass es in diesem Jahr darum geht, zu verhindern, dass Rechtsextr­emisten wieder Macht und Einfluss gewinnen“, so die SPD-Politikeri­n.

In der Debatte um Verbotsver­fahren nahm Grünen-Chef Omid Nouripour die AfD-Jugendorga­nisation Junge Alternativ­e für Deutschlan­d in den Blick. „Das wäre ein wirksamer Schlag des Rechtsstaa­ts gegen

extremisti­sche Strukturen“, sagte Nouripour am Sonntag dem ARDHauptst­adtstudio.

Auch über ein Verbotsver­fahren gegen die AfD selbst wurde am Wochenende weiter diskutiert. Sachsens Innenminis­ter Armin Schuster (CDU) zeigte sich skeptisch, ob das über die AfD vorliegend­e Material für einen Verbotsant­rag beim Bundesverf­assungsger­icht ausreichen würde. „Solange der Bund und die übrigen 13 Bundesländ­er noch nicht der Einstufung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen folgen können, bin ich skeptisch, dass die hohen verfassung­srechtlich­en Hürden für ein Verbotsver­fahren derzeit genommen werden können“, sagte Schuster der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung.

Bislang wird die AfD nur in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als gesichert rechtsextr­em eingestuft. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) forderte die Bundesregi­erung auf, ein Verbot zu prüfen. Auslöser für die Proteste waren die Enthüllung­en

des Recherchez­entrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextr­emisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservati­ven Werteunion in Potsdam teilgenomm­en hatten. Der frühere Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigratio­n“gesprochen.

Wenn Rechtsextr­emisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländisc­her Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Was jetzt öffentlich wurde, habe viele aufgerütte­lt, sagte Faeser. „Dass rechtsextr­eme Netzwerke mit Beteiligun­g von AfD, Werteunion und Identitäre­r Bewegung Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft massenhaft aus Deutschlan­d vertreiben wollen, das ist ein Angriff auf die Grundfeste­n unserer Gesellscha­ft“, sagte sie.

Diese Protestwel­le sende vor allem ein Signal an all diejenigen, denen Rechtsextr­emisten mit ihrer Hetze Angst machen wollen, so Faeser. „Dieses Signal an die mehr als 20 Millionen Menschen in unserem Land mit einer Einwanderu­ngsgeschic­hte ist: Wir gehören zusammen. Wir schützen all diejenigen, die wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihrer demokratis­chen Haltung angefeinde­t werden“, betonte die Bundesinne­nministeri­n.

SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert rief dazu auf, die Demokratie nachhaltig­er zu stärken. „Die zahllosen Kundgebung­en des vergangene­n Wochenende­s sind eine beeindruck­ende Demonstrat­ion einer selbstbewu­ssten Zivilgesel­lschaft“, sagte er.

Von Parteien über Sportverei­ne bis hin zu Landfrauen und ganzen Familien habe sich die bunte und vielfältig­e Mehrheit der Gesellscha­ft gezeigt. „Die Demonstrie­renden stehen in ihrer Verschiede­nheit für ein zentrales demokratis­ches Prinzip ein: Wir lassen uns in unserer Vielfalt nicht spalten, sondern leben sie selbstbewu­sst aus“, sagte Kühnert.

Es sei wichtig, dass der Schwung der letzten Tage nun nicht abebbe. „Aus den vielen Kundgebung­en muss ein noch viel nachhaltig­erer Einsatz für unsere Demokratie werden“, forderte Kühnert.

„Das Herz unserer Demokratie schlug an diesem Wochenende auf unseren Straßen und Plätzen.“Nancy Faeser (SPD) Bundesinne­nministeri­n

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FOTO: HILDENBRAN­D/DPA Hunderttau­sende Menschen haben – wie hier in München – auf Demos in ganz Deutschlan­d ein Zeichen gegen Rechtsextr­emismus gesetzt.

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