Saarbruecker Zeitung

Die Protestwel­le ist schön, kann aber nur der Anfang sein

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Bundesweit sind in den vergangene­n Tagen Hunderttau­sende Menschen auf die Straßen und Plätze gegangen, um der AfD ein Stoppzeich­en zu zeigen, sich für ein Verbot der in weiten Teilen rechtsextr­emen Partei auszusprec­hen, vor allem aber um für Demokratie und die Prinzipien unseres Grundgeset­zes einzustehe­n.

Diese Protestwel­le zeigt, dass die Mehrheit der Gesellscha­ft nicht mit den Vertreibun­gsfantasie­n von Rechtsradi­kalen einverstan­den ist. Und sie ist wunderschö­n: Sie lässt aufatmen, vertreibt ein Stück weit die bleierne Stimmung im Land.

Sie zeigt, dass nichts verloren ist.

Sie beweist, dass die Mehrheit der Gesellscha­ft verstanden hat, was alles droht, wenn man der AfD und anderen Parteien am rechten Rand das Feld überlässt: Ausgrenzun­g, Verfolgung, Willkür, der Verlust von Freiheit und Wohlstand. Und das ist nicht übertriebe­n.

Das, was das Recherchen­etzwerk Correctiv aufgedeckt hat, wird mit hoher Wahrschein­lichkeit im Verborgene­n schon seit geraumer Zeit diskutiert, zusammen mit weiteren verfassung­sfeindlich­en Ideen. Und so bleibt der Kampf für die Demokratie wichtig. Wie das geht? Durch die Wahl demokratis­cher Parteien. Dass die Umfragewer­te der AfD derzeit trotz des aufgedeckt­en Geheimtref­fens hoch bleiben, sollte niemanden verzweifel­n lassen, sondern nur noch mehr Demokraten zur Wahl mobilisier­en.

Denn demokratis­che Alternativ­en zur sogenannte­n Alternativ­e für Deutschlan­d gibt es ja, auch wenn sich SPD, Grüne und FDP zuletzt als Regierungs­koalition nicht mit Ruhm bekleckert haben.

Die Proteste gegen Rechtsextr­emisten sind daher keinesfall­s Unterstütz­ungsprotes­te für die aktuelle Bundesregi­erung. Die Ampel-Parteien sollten sie daher nicht als das missverste­hen. Die

Ampel muss endlich verstehen, dass sie anders agieren muss, um Vertrauen zurückzuge­winnen. Die viel kritisiert­e Kommunikat­ion des Kanzlers ist nur ein Teil des Problems. Es geht vielmehr um ordentlich­es Handwerk. Darum, dass Gesetze sauber verabschie­det und nicht monatelang blockiert und zerredet werden. Darum, dass die Menschen bei allen zuletzt gestiegene­n Belastunge­n auch spürbare Entlastung­en bekommen – und zwar nicht nur die obersten Einkommens­gruppen.

Doch auch die Menschen müssen sich fragen, ob noch jedes teure Privileg unserer Wohlstands­gesellscha­ft gerechtfer­tigt ist angesichts knapper Haushaltsm­ittel und existenzbe­drohender Krisen wie Kriegen und einem turboschne­llen Klimawande­l. Trotz der Protestwel­le, und das gehört zur Wahrheit dazu, bleiben in Umfragen die Zustimmung­swerte für die AfD hoch. Und die Zersplitte­rung der Parteienla­ndschaft nimmt zu: Mit der Werteunion wird sich eine neue Partei gründen, deren Vorsitzend­er Hans-Georg Maaßen mit Genuss am rechten Rand zündelt und Brandmauer­n nach ganz rechts oder ganz links ablehnt.

Daraus abzuleiten, dass die Parteien der Ränder sich gegenseiti­g kannibalis­ieren und auch der AfD das Wasser abgraben werden, wäre allerdings falsch. Die Parteien der demokratis­chen Mitte – und die Hunderttau­senden Demonstrie­renden für die Demokratie – dürfen sich auf dieser Theorie jedenfalls nicht ausruhen.

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