Studie soll Ausmaß sexualisierter Gewalt in Evangelischer Kirche zeigen
Die Aufarbeitung des Missbrauchs Minderjähriger in der evangelischen Kirche läuft schleppend, sagen Kritiker. Jetzt werden die Resultate einer umfassenden Studie erwartet.
dpa) Detlev Zander hofft darauf, dass die Veröffentlichung der Forum-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein Wendepunkt sein wird. „Die Strukturen in der evangelischen Kirche müssen sich fundamental ändern“, sagt der Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum der EKD. „Sonst ist sexualisierter Gewalt Tür und Tor geöffnet“, warnt Zander, der in einem Kinderheim der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart aufwuchs und dort Gewalt erlebte.
Für Zander wird entscheidend sein, dass die Landeskirchen und die EKD die Empfehlungen der Autoren der unabhängigen Forum-Studie umsetzen werden. „Dazu gehört, dass man die Betroffenen anständig entschädigt und sie nicht abspeist“, betont Zander. „Wir werden Druck machen.“Im Beteiligungsforum sitzen Betroffene und Kirchenvertreter.
„Die evangelische Kirche hinkt weit hinter der Aufarbeitung von Missbrauch in der katholischen Kirche hinterher“, kritisiert der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster. Lange habe der Irrglaube geherrscht, dass die vermeintlichen Risikofaktoren bei den Katholiken wie Zölibat und eine überkommene Sexualmoral in der evangelischen Kirche nicht vorlägen. Bei den Protestanten dürfen Pfarrer heiraten. Bereits 2018 sind in der sogenannten MHG-Studie Zahlen zur Häufigkeit sexueller Übergriffe von katholischen Priestern und Diakonen auf Minderjährige erschienen. Die erste Studie dieser Art für die evangelische Kirche in ganz Deutschland soll an diesem
Donnerstag in der Hochschule Hannover vorgestellt werden. Sie nimmt Akteure aus dem gesamten kirchlichen Leben in den Blick, also nicht nur evangelische Geistliche, sondern zum Beispiel auch Kirchenmusiker oder Jugendleiter. Es wurden nicht alle Personalakten ausgewertet, sondern in erster Linie Disziplinarakten, wie bereits vorab bekannt wurde.
Darüber hinaus hat das Team von Wissenschaftlern mehrerer Hochschulen sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der Diakonie untersucht. Die EKD hatte die unabhängige Studie im Jahr 2020 initiiert und mit 3,6 Millionen Euro finanziert. „Die Forum-Studie ist ein ganz wichtiger Schritt der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der EKD und Diakonie“, sagt ein EKD-Sprecher. „Aber sie ist nicht der Beginn und auch nicht das Ende der Aufarbeitung. Die Ergebnisse werden Kompass und Richtung sein.“