Haley will Trumps Durchmarsch aufhalten
Die ehemalige UN-Botschafterin ist die einzige Kandidatin, die Donald Trumps Siegeszug noch stoppen kann. Bei den Vorwahlen in New Hampshire setzt die Herausforderin auf die Hilfe von Unabhängigen und Moderaten.
Der Endspurt zu den Vorwahlen von New Hampshire beginnt im Morgengrauen bei eisigen Minusgraden im „Newfields Country Store“. Nikki Haley hat keine Zeit zu verlieren. Trotz der frühen Stunde warten mitten in der Provinz Dutzende Neugierige, die ihr ein „Happy Birthday“-Ständchen anstimmen – zwar einen Tag vor ihrem 52. Geburtstag, aber eine Steilvorlage für die Kandidatin.
In der heißen Phase des Wahlkampfs lässt sie keine Gelegenheit aus, das Alter von Donald Trump und Joe Biden zum Thema zu machen. „Die Mehrheit der Amerikaner hat kein Interesse daran, die Wahl zwischen zwei 80-Jährigen für das Präsidentenamt zu haben.“Trump, dem haushohen Favoriten im Rennen um die Nominierung seiner Partei, geht das unter die Haut. Vergangene Woche schwadronierte er, wie gut er bei einem Test seiner kognitiven Fähigkeiten abgeschnitten habe. Das war 2018, als der Leibarzt im Weißen Haus seine mentale Fitness prüfte.
Haley ist sich da nicht so sicher. Am Freitagabend hatte Trump bei einer Kundgebung vor tausenden Fans in Concord seine Herausforderin mit der ehemaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verwechselt. Während er über den Aufruhr am 6. Januar 2021 sprach, benutzte er ein halbes Dutzend Mal den falschen Namen. Haley konterte: Für einen anstrengenden Job, wie den des Präsidenten, „können wir niemanden gebrauchen, bei dem wir nicht sicher sind, dass er fit ist, ihn zu erledigen“.
Die Herausforderin suggeriert, auch die unkontrollierten Wutausbrüche des Ex-Präsidenten könnten etwas mit dem Alter zu tun haben. Einer davon entlud sich am Wochenende über Trumps Plattform „Truth Social“. Er erinnerte an den vollen Namen, mit der Haley als Tochter von Sikh-Einwanderern aus dem Punjab in dem 3607-Seelenort Bamberg zur Welt kam: Nimarata Nikki Randhawa. Dass er dreimal die falsche Schreib
weise „Nimbra“gebrauchte, hat bei Trump Methode.
Ob dies rassistisch sei, bedrängen sie Reporter. „Die Leute sollen sich ihre eigene Meinung bilden“, sagt Haley. „Er ist unsicher und weiß, dass etwas nicht rund läuft.“Damit spielt die mit der „Tea Party Bewegung“aufgestiegene Konservative auf ihre Aufholjagd an. In New Hampshire war sie in einer Umfrage zufolge auf bis zu sieben Prozentpunkte an den Ex-Präsidenten herangekommen.
Helfen dürfte Haley, dass vier von zehn Wählern hier als Unabhängige registriert sind. Diese dürfen an den Vorwahlen der Republikaner oder Demokraten teilnehmen. Bei der erwarteten Rekordwahlbeteiligung von mehr als 330 000 Wählern könnten sie der Trump-Herausforderin zu einem Überraschungssieg verhelfen.
Haley setzt auf die lange Tradition, dass New Hampshire die Ergebnisse aus Iowa korrigiert. Dort hatte
Trump am vergangenen Dienstag einen Erdrutschsieg errungen. „Wir sind mit zwei Prozent gestartet und sind bei 20 Prozent gelandet“, zeigt sich die Kandidatin zufrieden mit ihrem Abschneiden. Es war genug, das Rennen in New Hampshire zu einem direkten Duell mit Trump zu machen.
Keinem einzigen Republikaner gelang es seit 1976, die beiden ersten Vorwahlen zu gewinnen. Trumps Berater wissen um den Fluch und ziehen alle Register, nach dem ersten Platz im Mittleren Westen mit einem Doppelschlag in New Hampshire Geschichte zu schreiben.
In einem PR-Coup präsentierte der Ex-Präsident in Concord einen Unterstützer, den auch Haley umworben hatte. „Ich trete gegen jemanden aus seinem Staat an“, führte Trump zu brausendem Applaus, Tim Scott, ein. Der einzige schwarze Senator im Kongress verdankt seinen Job Haley, die ihn 2012 als Gouverneurin für eine Vakanz benannt hatte.
„Interessant, wie sich Trump mit diesen ganzen Insidern aus Washington umgibt, die behaupten, sie wollten den Sumpf trockenlegen.“Und dann benutzte sie einen Satz, mit dem sie in ihrer Karriere immer
wieder die männlichen „Good-OldBoy“-Netzwerke angegriffen hat: „Kerle machen, was Kerle machen.“
Mit dem Satz antwortete Haley auch Reportern auf der Iowa State Fair im August vergangenen Jahres auf die Frage, ob sie als einzige Frau im Rennen überhaupt eine Chance habe.
Das war vor der ersten Debatte, als sie bei zwei Prozent in den Umfragen rangierte. Provokant trug Haley bei ihren Auftritten zwischen Strohballen und Schweinekoteletts ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Underestimate me – that'll be fun.“(Dt.: Unterschätzt mich – Das wird lustig)
Genau darauf setzt Haley in New Hampshire. Dass Trump sie als „Bird Brain“(Dt.: Spatzenhirn) abtut und verliert. An Selbstbewusstsein mangelt es der Frau nicht, deren Vorbild die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ist.
Bei ihrem Endspurt am Wochenende argumentiert sie mit ihrer Wählbarkeit bei den eigentlichen Präsidentschaftswahlen im November. Die Republikaner hätten mit Trump den Senat und das Weiße Haus verloren.
Ohne die Anklagen in 91 Punkten vor vier Strafgerichten ausdrücklich
zu erwähnen, schürt Haley Zweifel, dass die Amerikaner eine zweite Amtszeit Trumps wollen. „Chaos folgt ihm“, warnt sie ihre Partei vor der Versuchung.
Die als „Palmetto-Thatcher“bekannte Konservative vertritt inhaltlich keine moderaten oder liberalen Positionen. Aber sie stellt weder die Demokratie noch die Grundpfeiler der amerikanischen Sicherheitspolitik infrage. Deshalb sehen traditionelle Republikaner und Unabhängige mit ihrer Wahl in New Hampshire die letzte Chance, Trump an einem Durchmarsch zur Nominierung zu stoppen.
Haley selbst spricht von „einem Weckruf für die Republikaner“. Wenn er am Dienstag gehört wird, dürfte sie genügend Momentum für einen Showdown in ihrem Heimatstaat South Carolina (24. Februar) erhalten.
Indes hat Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, seine Kandidatur für die Präsidentschaftsbewerbung auf Seiten der US-Republikaner beendet. Er gab seine Entscheidung am Sonntagnachmittag (Ortszeit) in einem Video auf dem Kurznachrichtendienst X bekannt. DeSantis will nun seinen bisherigen Rivalen Donald Trump unterstützen.
Keinem einzigen Republikaner gelang es seit 1976, die beiden ersten Vorwahlen zu gewinnen.