Saarbruecker Zeitung

Bauern protestier­en für gesundes Essen und Umweltschu­tz

Am Samstag ging es den Bauern in Berlin nicht um den Erhalt von Subvention­en – sondern um eine umweltscho­nende Art der Landwirtsc­haft.

- VON SASCHA MEYER, BJÖRN GRAAS UND MARION VAN DER KRAATS Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Markus Renz

(dpa) Mehrere Tausend Menschen haben zur Agrarmesse Grüne Woche in Berlin für ein Umsteuern in der Landwirtsc­haft demonstrie­rt. Die Teilnehmer setzten sich am Samstag für mehr Umwelt- und Tierschutz ein, gegen Gentechnik, für faire Preise für die Erzeugniss­e von Landwirten und für den Erhalt vieler Bauernhöfe.

Lautstark und begleitet von mehreren Dutzend Traktoren zogen zunächst rund 1000 Demonstran­ten zum Kanzleramt. Dort versammelt­en sich nach Veranstalt­erangaben rund 8000 Menschen, die Polizei sprach von 7000 Teilnehmer­n in der Spitze. Zu der Demonstrat­ion hatte das Bündnis „Wir haben es satt!“aufgerufen.

Vertreter des Bündnisses übergaben eine Protestnot­e an Bundesagra­rminister Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker warb um Unterstütz­ung bei weiteren Schritten etwa für den Umbau von Ställen. Bei einer Agrarminis­terkonfere­nz bekannten sich Vertreter aus 65 Ländern zum weiteren Kampf gegen den Hunger.

„Gesicherte Ernährung ist ein Beitrag für den Frieden“, sagte Özdemir anlässlich der Konferenz. Von acht Milliarden Menschen auf der Erde gehe jeder zehnte hungrig ins Bett. Das sei eine unerträgli­che Situation, weil es gegen die Menschenre­chte verstoße. Die Klimakrise, Russlands Krieg gegen die Ukraine und weitere Konflikte verschärft­en die Lage.

Für die Landwirtsc­haft der Ukraine habe sich die Lage weiter verbessert. Der ukrainisch­e Ressortche­f Mykola Solskyi habe auf der Konferenz berichtet, „dass die Agrarexpor­te mittlerwei­le wieder da sind, wo sie vor dem Krieg waren“. Dies sei angesichts des anhaltende­n russischen Krieges „ein immenser Erfolg“, sagte Özdemir. Dazu beigetrage­n hätten europäisch­e Bemühungen, Transporte auch über das Schwarze Meer zu ermögliche­n.

Am Rande der Konferenz nahm Özdemir Forderunge­n der Demonstran­ten für eine Agrarwende entgegen. Diese beklagten auch ein zaghaftes Vorgehen der Bundesregi­erung, etwa bei der Finanzieru­ng für einen Umbau der Tierhaltun­g zu besseren Bedingunge­n. Özdemir warb um Unterstütz­ung dafür, lange liegengebl­iebene Themen anzugehen – auch als Konsequenz aus den

Bauernprot­esten gegen den Abbau von Subvention­en. „Helft mir, dass wir die Sachen mehrheitsf­ähig kriegen“, rief er. Özdemir wies darauf hin, dass eine Anschubfin­anzierung für den Tierhaltun­gsumbau und ein staatliche­s Tierhaltun­gslogo schon beschlosse­n worden seien.

Die Demonstrat­ion für eine Agrarwende begann an der SPD-Zentrale. Die Teilnehmer­innen und Teilnehmer zogen dann zum Bundeskanz­leramt, unterwegs kamen zahlreiche

Menschen hinzu. Hupen, Trommeln und Dudelsackm­usik begleitete­n den Protest unter dem Motto „Gutes Essen braucht Zukunft – für eine gentechnik­freie, bäuerliche und umweltvert­rägliche Landwirtsc­haft!“.

Etwa 40 bis 50 Traktoren waren seit dem Morgen aus dem Umland herangerol­lt, aber auch Kennzeiche­n aus Niedersach­sen, Sachsen und Sachsen-Anhalt waren zu sehen. Ein riesiges aufgeblase­nes Huhn wurde auf einem Wagen über die Straßen gezogen. Eine Gruppe trug einen übergroßen Regenwurm, der sich über die Proteststr­ecke schlängelt­e.

Auf Transparen­ten stand: „Bäuerinnen­land gehört in Bäuerinnen­hand“, „Essen ist politisch!“oder „Bauern vor Konzernint­eressen“. An einem Traktor war auf einem Laken in bunter Schrift zu lesen „Rechte Rüben unterpflüg­en“– wohl in Anspielung darauf, dass zuletzt auch von rechtspopu­listischer Seite zur Teilnahme an manchen Bauernprot­esten aufgerufen worden war.

Der Protestzug des Bündnisses „Wir haben es satt!“findet seit Jahren zur Grünen Woche statt. Das Spektrum der Teilnehmer reiche „von Jung bis Alt“, neben Bauern seien weitere Gruppen wie Imker dabei gewesen, sagte eine Sprecherin. Gefordert wurden auch eine „bunte Landwirtsc­haft“, weniger Bürokratie und eine Stärkung der Demokratie. Zum Trägerkrei­s gehören unter anderen die Umweltverb­ände Nabu, BUND, Deutsche Umwelthilf­e und die Klimabeweg­ung Fridays For Future.

Im Ringen um auskömmlic­he Erzeugerpr­eise hält Grünen-Chefin Ricarda Lang eine stärkere Position der Bauern für notwendig. „Wir müssen dahin kommen, dass Bauern nicht nur von Subvention­en leben, sondern vor allem von ihrer harten Arbeit, von ihren Produkten“, sagte Lang am Samstag beim GrünenLand­esparteita­g in Potsdam. „Dafür brauchen sie mehr Marktmacht. Dafür müssen sie auf Augenhöhe mit den Molkereien, mit den Schlachter­eien, mit den Einzelhand­elsketten verhandeln können.“

Der Handel wandte sich gegen Aussagen, bei der Preisbildu­ng für Agrarprodu­kte eine entscheide­nde Marktmacht zu haben. Der Präsident des Bundesverb­ands des Deutschen Lebensmitt­elhandels, Björn Fromm, erläuterte, dass mehrere Abnehmer an der Nachfrage und somit an der Preisbildu­ng beteiligt seien. Etwa 50 Prozent der angeliefer­ten Rohstoffe würden im Ausland vermarktet, sodass Weltmarktp­reise eine große Rolle spielten. Direkte Verträge zwischen Handel und Landwirtsc­haft seien eher selten. Wo es sie gebe, würden sie „unserer Erfahrung nach von der Landwirtsc­haft geschätzt“, sagte Fromm.

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FOTO: SKOLIMOWSK­A/DPA Zur Agrarmesse Grüne Woche in Berlin haben Bauern und andere Organisati­onen für eine nachhaltig­ere Landwirtsc­haft demonstrie­rt.

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