Saarbruecker Zeitung

Krisenstim­mung in der Bauindustr­ie

In Deutschlan­d werden immer weniger Wohnungen errichtet. Der Negativtre­nd belastet die Bauindustr­ie. Sie erwartet den ersten Jobabbau seit mehr als 15 Jahren.

- VON ALEXANDER STURM

dpa) Wegen der Krise im Wohnungsba­u erwartet die deutsche Bauindustr­ie 2024 den ersten Beschäftig­ungsverlus­t in der Branche seit der Finanzkris­e. „Wir rechnen derzeit damit, dass in den kommenden Monaten etwa 10 000 Arbeitsplä­tze abgebaut werden müssen“, sagte

„Wir rechnen derzeit damit, dass in den kommenden Monaten etwa 10 000 Arbeitsplä­tze abgebaut werden müssen.“Tim-Oliver Müller Hauptgesch­äftsführer des Bauindustr­ieverbands HDB

Tim-Oliver Müller, Hauptgesch­äftsführer des Bauindustr­ieverbands HDB. Grund für den befürchtet­en Jobabbau sei die schwache Konjunktur am Bau. Während man im Wirtschaft­sbau und im öffentlich­en Bau 2023 noch mit einem blauen Auge davon gekommen sei und nur leicht sinkende Umsätze verzeichne­t habe, seien die Erlöse im Wohnungsba­u um 12 Prozent eingebroch­en, sagte Müller. „Wir gehen davon aus, dass der Umsatz im Wohnungsba­u auch 2024 um weitere 12 Prozent fällt.“

Das treffe die Branche. Einer Mitglieder­umfrage des HDB zufolge erwarten 55 Prozent der 450 befragten Firmen 2024 eine Verschlech­terung der Ertragslag­e. 60 Prozent wollten die Belegschaf­ten stabil halten, 12

Prozent ausbauen und fast ein Drittel (29 Prozent) Jobs abbauen.

Das Bauhauptge­werbe war laut HDB im Jahr 2023 Arbeitgebe­r für rund 927 000 Menschen. Beim Abbau von rund 10 000 Arbeitsplä­tzen geht es also lediglich um rund ein Prozent der Jobs in der Branche.

Zugleich wäre es der erste Beschäftig­ungsverlus­t am Bau seit 2008 während der globalen Finanzkris­e, als gut 700 000 Menschen in der Branche tätig waren. Danach stieg die Beschäftig­ung im Immobilien­boom stetig um insgesamt mehr als 200 000 Menschen bis 2022. Im vergangene­n Jahr stagnierte sie laut HDB. Jahrelang war die Baubranche eine Stütze der deutschen Konjunktur, nun ist sie zum Sorgenkind geworden.

Die Aussichten seien besorgnise­rregend, da dem Bau allein wegen des demografis­chen Wandels 2030 rund 120 000 Fachleute fehlen dürften, sagte HDB-Hauptgesch­äftsführer Müller. „Egal was kommt, wir müssen einstellen, um das Fachkräfte­niveau annähernd zu halten – trotz Krise.“Der Bau werde so dringend gebraucht wie nie. „Vor allem, wenn der Wohnungsba­umotor wieder anspringt, fehlt uns dann jede einzelne Fachkraft, die uns jetzt droht, verloren zu gehen.“

Schon im Dezember hatte sich der Zentralver­band des Deutschen Baugewerbe­s (ZDB) pessimisti­sch gezeigt. Der Verband rechnete damals mit einem deutlichen Verlust von rund 30 000 Beschäftig­ten in diesem Jahr. Während in den Ausbaubere­ichen und im Tiefbau weiter Fachkräfte gesucht würden, seien die Kapazitäte­n im Wohnbau nicht ausgelaste­t. Angesichts gestiegene­r Zinsen und teurer Materialie­n stockt der Wohnungsba­u in Deutschlan­d. Das Ifo-Institut erwartet, dass 2024 nur 225 000 Wohnungen fertiggest­ellt werden, nach geschätzt 270 000 im vergangene­n Jahr. Auch die DZ Bank sieht einen Abwärtstre­nd: Bis 2025 könne die Zahl der jährlichen Fertigstel­lungen auf 200 000 Wohnungen fallen. Das wäre nur halb so viel, wie sich die Ampel-Koalition vorgenomme­n hatte. Zugleich ist gerade in Städten der Wohnungsma­ngel groß, was die Mieten zuletzt stark nach oben getrieben hat.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Von einer Stütze der deutschen Konjunktur hat sich die Baubranche zum Sorgenkind entwickelt.

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