Tausende setzen ein Zeichen gegen Rechts
13 000 Protestierende folgten in Saarbrücken am Sonntag dem Aufruf „ Nie wieder ist jetzt – Zeichen gegen Rechts“. Es war ein starkes Signal gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung.
hatte niemand gerechnet: Rund 13 000 Protestierende und damit mehr als doppelt so viele wie am Sonntag zuvor haben am Sonntagnachmittag nach Polizeiangaben in Saarbrücken gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert. Die Resonanz auf den Aufruf sprengte damit alle Erwartungen. Bis Sonntagfrüh war lediglich von etwa 500 Teilnehmern ausgegangen worden.
Die Correctiv-Enthüllungen des Potsdamer Geheimtreffens rechtsextremistischer Kreise und deren Pläne, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben, zeigen augenscheinlich Wirkung – auch in Saarbrücken. Immer mehr Leute bekennen Farbe und protestieren gegen rechte Ideologien. Schon vor Demobeginn um 14 Uhr hatten sich Tausende auf dem Landwehrplatz eingefunden, weshalb die von allen Seiten nachkommenden Demonstranten auf angrenzende Straßen und auf das Gleisbett der Saarbahn ausweichen mussten.
Anders als am Sonntag zuvor, als etwa 5000 Saarbrücker einem ersten Demoaufruf gefolgt waren, wurde auf der Demo diesmal nur eine kurze Rede gehalten. Greenpeace-Aktivist Lucas Kleinbauer, der die Demo unter dem Aufruf „Nie wieder ist jetzt – Zeichen gegen Rechts“mit angemeldet hatte, rief darin unter allgemeinem Beifall zum Dialog auf: „Wir sind alle eine Bevölkerung und müssen alle wieder miteinander reden.“
Als Warm-up spielte zwischendurch die Saarbrücker Band Gloria Adé. Auch wenn ihr Sänger die Demonstranten einschwor, „heute mal zu zeigen, dass wir lauter sind als die anderen“und dazu lauthals in den Refrain eines Protestsongs („Wir müssen viel mehr rebellieren“) einzustimmen – solcherart Stimmungsmache war dann doch nicht jedermanns Sache. Viel Jubel
gab es hingegen, als Demo-Mitinitiator Kleinbauer die Menge dazu aufforderte, von ihren demokratischen Grundrechten Gebrauch zu machen: „Geht wählen. Die Nazis können nur gewinnen, wenn wir nicht mehr wählen gehen.“
Dann ging es durch die Innenstadt. „Brüllt ein bisschen, das hält warm“, gab Kleinbauer den Abertausenden, die gekommen waren, mit auf den Weg. Sie formierten eine im besten demokratischen Sinne äußerst so
lidarische Offline-Gesellschaft – im Unterschied zur Online-Gesellschaft von Social Media. Junge und Alte hielten sich unter den Teilnehmern die Waage, so der Eindruck. Sie sei hier, „weil mein Großvater und mein Onkel deportiert worden sind und ich nicht will, dass sich das noch einmal wiederholt“, sagte eine Teilnehmerin. Eine andere Demonstrantin fasste ihr Motiv in den Satz: „Wir müssen für unsere Demokratie einstehen, damit ist für mich alles
gesagt.“Ein Dritter meinte, es sei höchste Zeit, aufzubegehren und ein Zeichen gegen die AfD zu setzen.
Ohne Zwischenfälle führte der Protestzug durch die Innenstadt und über den Schillerplatz wieder zum Landwehrplatz zurück. Junge wie Alte hielten Plakate hoch. Das Spektrum der Slogans reichte von „Braune Flaschen müssen in den Altglascontainer, nicht in den Bundestag“über „Menschenrechte statt rechte Menschen“bis zu „Egal, wie Volk ihr seid, wir sind Völker“.
„Wir hatten gedacht, dass 500 Leute megacool wären, wenn zwei Privatpersonen zu einer Demo aufrufen“, sagte Lucas Kleinbauer hinterher. Nachdem sich am Freitag und Samstag dann zahlreiche weitere politische Jugendverbände (die der Grünen und Linken sowie die Jusos) und mehrere Organisationen (von der „Letzten Generation“über „Omas gegen Rechts“bis hin zur Antifaschistischen Jugend) dem Aufruf angeschlossen hatten, mobilisierte dies am Ende nach den Zählungen und Flächenberechnungen der Polizei 13 000 Protestierende.
Beiden, Polizei wie der protes
tierenden Zivilgesellschaft, dankte Innenminister Reinhold Jost (SPD) in einer Pressemitteilung später für ihren Einsatz. Die hohe Teilnehmerzahl und die friedliche Atmosphäre während der Demo seien „ein starkes Zeugnis für das demokratische Bewusstsein unserer Bürgerinnen und Bürger und einer funktionierenden Zivilgesellschaft“.
Nach dem Ende der Demo stand Kleinbauer mit seinem GreenpeaceUmhang auf dem Landwehrplatz, nach eigenen Worten „immer noch überwältigt“von der Resonanz. Aus seiner Demo-Rede blieb vor allem der Satz hängen, man müsse „gegen die Spaltung der Gesellschaft angehen und miteinander reden“.
Im Gespräch mit der SZ sagte er später: „Online werden oft Behauptungen aufgestellt, die totaler Quatsch sind. Wenn man miteinander redet, dann geht das nicht so leicht“– weshalb man aufeinander zugehen müsse. „Ich glaube“, schob er hinterher, „dass viele AfD-Wählerinnen eigentlich Demokraten sind und einfach enttäuscht sind von der Politik. Ich bin auch enttäuscht. Aber dann muss man sich engagieren.“