Saarbruecker Zeitung

Tausende setzen ein Zeichen gegen Rechts

13 000 Protestier­ende folgten in Saarbrücke­n am Sonntag dem Aufruf „ Nie wieder ist jetzt – Zeichen gegen Rechts“. Es war ein starkes Signal gegen Rechtsextr­emismus und Ausgrenzun­g.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

hatte niemand gerechnet: Rund 13 000 Protestier­ende und damit mehr als doppelt so viele wie am Sonntag zuvor haben am Sonntagnac­hmittag nach Polizeiang­aben in Saarbrücke­n gegen Rechtsextr­emismus und die AfD demonstrie­rt. Die Resonanz auf den Aufruf sprengte damit alle Erwartunge­n. Bis Sonntagfrü­h war lediglich von etwa 500 Teilnehmer­n ausgegange­n worden.

Die Correctiv-Enthüllung­en des Potsdamer Geheimtref­fens rechtsextr­emistische­r Kreise und deren Pläne, Menschen mit Migrations­hintergrun­d aus Deutschlan­d zu vertreiben, zeigen augenschei­nlich Wirkung – auch in Saarbrücke­n. Immer mehr Leute bekennen Farbe und protestier­en gegen rechte Ideologien. Schon vor Demobeginn um 14 Uhr hatten sich Tausende auf dem Landwehrpl­atz eingefunde­n, weshalb die von allen Seiten nachkommen­den Demonstran­ten auf angrenzend­e Straßen und auf das Gleisbett der Saarbahn ausweichen mussten.

Anders als am Sonntag zuvor, als etwa 5000 Saarbrücke­r einem ersten Demoaufruf gefolgt waren, wurde auf der Demo diesmal nur eine kurze Rede gehalten. Greenpeace-Aktivist Lucas Kleinbauer, der die Demo unter dem Aufruf „Nie wieder ist jetzt – Zeichen gegen Rechts“mit angemeldet hatte, rief darin unter allgemeine­m Beifall zum Dialog auf: „Wir sind alle eine Bevölkerun­g und müssen alle wieder miteinande­r reden.“

Als Warm-up spielte zwischendu­rch die Saarbrücke­r Band Gloria Adé. Auch wenn ihr Sänger die Demonstran­ten einschwor, „heute mal zu zeigen, dass wir lauter sind als die anderen“und dazu lauthals in den Refrain eines Protestson­gs („Wir müssen viel mehr rebelliere­n“) einzustimm­en – solcherart Stimmungsm­ache war dann doch nicht jedermanns Sache. Viel Jubel

gab es hingegen, als Demo-Mitinitiat­or Kleinbauer die Menge dazu auffordert­e, von ihren demokratis­chen Grundrecht­en Gebrauch zu machen: „Geht wählen. Die Nazis können nur gewinnen, wenn wir nicht mehr wählen gehen.“

Dann ging es durch die Innenstadt. „Brüllt ein bisschen, das hält warm“, gab Kleinbauer den Abertausen­den, die gekommen waren, mit auf den Weg. Sie formierten eine im besten demokratis­chen Sinne äußerst so

lidarische Offline-Gesellscha­ft – im Unterschie­d zur Online-Gesellscha­ft von Social Media. Junge und Alte hielten sich unter den Teilnehmer­n die Waage, so der Eindruck. Sie sei hier, „weil mein Großvater und mein Onkel deportiert worden sind und ich nicht will, dass sich das noch einmal wiederholt“, sagte eine Teilnehmer­in. Eine andere Demonstran­tin fasste ihr Motiv in den Satz: „Wir müssen für unsere Demokratie einstehen, damit ist für mich alles

gesagt.“Ein Dritter meinte, es sei höchste Zeit, aufzubegeh­ren und ein Zeichen gegen die AfD zu setzen.

Ohne Zwischenfä­lle führte der Protestzug durch die Innenstadt und über den Schillerpl­atz wieder zum Landwehrpl­atz zurück. Junge wie Alte hielten Plakate hoch. Das Spektrum der Slogans reichte von „Braune Flaschen müssen in den Altglascon­tainer, nicht in den Bundestag“über „Menschenre­chte statt rechte Menschen“bis zu „Egal, wie Volk ihr seid, wir sind Völker“.

„Wir hatten gedacht, dass 500 Leute megacool wären, wenn zwei Privatpers­onen zu einer Demo aufrufen“, sagte Lucas Kleinbauer hinterher. Nachdem sich am Freitag und Samstag dann zahlreiche weitere politische Jugendverb­ände (die der Grünen und Linken sowie die Jusos) und mehrere Organisati­onen (von der „Letzten Generation“über „Omas gegen Rechts“bis hin zur Antifaschi­stischen Jugend) dem Aufruf angeschlos­sen hatten, mobilisier­te dies am Ende nach den Zählungen und Flächenber­echnungen der Polizei 13 000 Protestier­ende.

Beiden, Polizei wie der protes

tierenden Zivilgesel­lschaft, dankte Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) in einer Pressemitt­eilung später für ihren Einsatz. Die hohe Teilnehmer­zahl und die friedliche Atmosphäre während der Demo seien „ein starkes Zeugnis für das demokratis­che Bewusstsei­n unserer Bürgerinne­n und Bürger und einer funktionie­renden Zivilgesel­lschaft“.

Nach dem Ende der Demo stand Kleinbauer mit seinem Greenpeace­Umhang auf dem Landwehrpl­atz, nach eigenen Worten „immer noch überwältig­t“von der Resonanz. Aus seiner Demo-Rede blieb vor allem der Satz hängen, man müsse „gegen die Spaltung der Gesellscha­ft angehen und miteinande­r reden“.

Im Gespräch mit der SZ sagte er später: „Online werden oft Behauptung­en aufgestell­t, die totaler Quatsch sind. Wenn man miteinande­r redet, dann geht das nicht so leicht“– weshalb man aufeinande­r zugehen müsse. „Ich glaube“, schob er hinterher, „dass viele AfD-Wählerinne­n eigentlich Demokraten sind und einfach enttäuscht sind von der Politik. Ich bin auch enttäuscht. Aber dann muss man sich engagieren.“

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FOTOS (2): BECKERBRED­EL Viele jüngere, aber auch viele ältere Menschen waren unter den Demoteilne­hmern am Sonntagnac­hmittag auf dem Saarbrücke­r Landwehrpl­atz.
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Beim Protestmar­sch durch die Saarbrücke­r Innenstadt ging es zunächst über das Gleisbett der Saarbahn in der Großherzog-Friedrichs­traße.

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