Saarbruecker Zeitung

HfM: Nöte einer Unverzicht­baren

Die Saarbrücke­r Musikhochs­chule (HfM) steht vor vielen Herausford­erungen: Ihr Stammhaus muss saniert werden, mit weitreiche­nden Folgen. Auch läuft die HfM wie viele andere Musikhochs­chulen Gefahr, teils am Bedarf vorbei auszubilde­n. Umgekehrt konnte sie,

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Was ist dem Land seine 1947 gegründete Hochschule für Musik (HfM) – die älteste Hochschule im Saarland – wert? Die Frage stellt sich mit jedem weiteren Jahr umso dringliche­r, in dem ihr keine verlässlic­he Zukunftspe­rspektive aufgezeigt wird. Seit 15 Jahren (!) soll die HfM baulich instandges­etzt werden. „Spätestens 2012 soll der Erweiterun­gsbau schlüsself­ertig sein“, hieß es 2009 in der SZ. Er kam nie. In späteren Jahren war nur noch von Sanierung die Rede. Passiert ist auch da bis heute nichts.

Drei HfM-Rektoren ( Thomas Duis, Wolfgang Mayer, zuletzt Jörg Nonnweiler) mühten sich mit mehr oder weniger Nachdruck, dem Land endlich eine Lösung abzuringen. Seit Langem ist klar, dass die Sanierung Jahre in Anspruch nehmen und die HfM damit auch ihr Herzstück – den eigentlich unverzicht­baren Konzertsaa­l – für die Dauer der Stammhause­rtüchtigun­g verlieren wird. Wann wie saniert wird und wann die HfM aus ihren (keinen Konzertsaa­l vorsehende­n) Ausweichqu­artieren „heimkehren“kann, all dies ist ungeklärt. Klar ist nur, was die Hauptkonst­ante der letzten 15 Jahre ist: die unwürdige Hinhalteta­ktik der Landesregi­erung. Egal, unter welcher Parteiflag­ge die zuständige­n Ministerie­n firmieren.

„Der Wegfall des Konzertsaa­ls bedarf dringend einer Lösung. In der Musik ist das der OP. Die Bühnenerfa­hrung ist durch nichts zu ersetzen“, befindet der künftige Rektor, Geigenprof­essor Hans Peter Hofmann. Vielleicht sei die Sanierung ja so planbar, dass der „HfM-Operations­saal“zeitweilig nutzbar bleibe: „Ich denke gerne auch das Undenkbare.“Immerhin ist mit dem alten Saarbergge­bäude vis à vis der Europagale­rie mittlerwei­le ein großzügige­s, „tolle Unterricht­sräume“(so Prorektor Frank Wörner) bietendes Ausweichqu­artier gefunden. Hinzu kommen die bewährten Dependance­n (Schillersc­hule, Alte Kirche) plus eine weitere in der Bleichstra­ße mit Aufnahmest­udio und zwei Seminarräu­men. Flickwerk.

Hofmann will den gordischen Kno

ten endlich zerschlage­n. Im April wird er – seine Ernennung durch das Kulturmini­sterium steht noch aus – Jörg Nonnweiler im Amt nachfolgen. „Was zu tun ist, muss zeitnah geschehen“, meint er. Heißt: Im Sommerseme­ster sollten die Baustellen (Bausubstan­z, Heizungs- und Klimatechn­ik, Brandschut­z) abschließe­nd geprüft werden, damit es nach dem für diesen Herbst geplanten Auszug schnellste­ns losgehen könne mit der Sanierung.

Zeugt die Dauerversc­hleppung nicht von fehlender Wertschätz­ung? Im SPD-Kabinett lässt sich jedenfalls, nicht anders als zu Zeiten der Groko, keine die HfM schützende Hand ausmachen. Spielt man die Frage weiter, was dem Land seine Musikhochs­chule wert ist – bundesweit gibt es 24, Baden-Württember­g unterhält gleich fünf, Rheinland-Pfalz keine –, geraten unweigerli­ch die Absolvente­n in den Blick. Und damit die typische Politikerf­rage: Was bringt uns die HfM? Auch Hofmann weiß, dass hier Ungemach drohen könnte: Die Anstellung­schancen für Berufsmusi­ker schwinden. Rund 60 Prozent der HfM-Absolvente­n machen einen rein künstleris­chen Abschluss. Jährlich werden republikwe­it jedoch nur rund 150 Orchesters­tellen neu besetzt. 2022 gab es 129 öffentlich finanziert­e Berufsorch­ester mit 9749 Planstelle­n (und damit 2500 Stellen weniger als 1992). Seit 2018 ist der Aderlass zwar gestoppt. Dass das heutige Personalta­bleau das Ende der Fahnenstan­ge markieren soll, mag man kaum glau

ben. Dürfte der öffentlich finanziert­e Kulturbetr­ieb doch mittelfris­tig stärker unter Druck geraten, weil sein Stammpubli­kum nicht jünger wird.

Für Absolvente­n bleibt ansonsten entweder die Freiberufl­ichkeit (nicht selten in der freien Szene) oder das musikpädag­ogische Aktionsfel­d mit zwei Optionen: ein Lehramtsst­udium mit sehr guter Anstellung­sperspekti­ve, da Musik ein Mangelfach ist, weshalb es allzu oft fachfremd unterricht­et wird. Oder alternativ für Musikpädag­ogen, die auf Unabhängig­keit setzen und prekäre Lagen riskieren, meist befristete Engagement­s an Musikschul­en. Dass Schulmusik­er im Saarland dringend gebraucht werden, dürfte die vielleicht beste Lebensvers­icherung der HfM sein. Umso wichtiger, dass sie ihre Lehramtsst­udienplätz­e im Winterseme­ster 23/24 (zuletzt vier für die Grundstufe, 18 für Sekundarst­ufe I + II) bis auf vier Erstsemest­erplätze ausschöpft­e. Anders als in den Vorjahren. Derzeit zählt man 102 Lehramtsst­udenten bei 465 Immatrikul­ierten.

Hofmann will offensiv und beharrlich für die HfM werben. Ohne das Saarbrücke­r Ausbildung­szentrum

wären die hiesigen Musikverei­ne, Zupforches­ter und Chöre langfristi­g kaum überlebens­fähig, sagt er. Viele (Ex-)HfMler seien dort als Dirigenten, Chorleiter, Musiker tätig. Und was das Ausbildung­sniveau der Hochschule angehe, müsse man „den Kreis von hier aus schon 150 bis 200 Kilometer weit ziehen, um eine vergleichb­are Qualität zu finden“. Aus dem hiesigen Musikleben lässt sich die Musikhochs­chule (42 Professore­n, 36 Planstelle­n) kaum wegdenken. „Wir sind wohl der größte Konzertver­anstalter im Saarland“, so der Prorektor für künstleris­che Praxis, Gesangspro­fessor Frank Wörner. Pro Semester biete man 30 Konzerte plus 40 „Klassenabe­nde“in der HfM an. Doch der Klassikber­eich, unverminde­rt Markenkern der HfM, verliert unter Jüngeren an Zuspruch. Wörner konzediert, „dass wir in einem kulturelle­n Wandel stecken und den mitgehen müssen“. Aber wie?

Ein „Best Practice“-Beispiel ist die bereits gut zehn Jahre währende Kooperatio­n mit der „Aktion Kultur Heusweiler“– einem Kulturvere­in, der Vorbildlic­hes leistet. Sie ruht auf zwei Beinen: Zum einen unterricht­en – vom Bildungsmi­nisterium

mitfinanzi­ert – Studierend­e oder Absolvente­n der Hochschule auf Honorarbas­is an drei Grundschul­en. Ihre wöchentlic­h einstündig­en elementarm­usikalisch­en Kurse (derzeit 14) sind in den regulären Unterricht­splan integriert. Zum anderen hat der Verein seit 2012 in Zusammenar­beit mit dem hiesigen Richard-Wagner-Verband rund 100 klassische Konzerte vor Ort veranstalt­et, etwa die Hälfte mit Beteiligun­g der HfM. Wie immer steht und fällt solch ein Vorzeigepr­ojekt mit den Köpfen. In dem Fall dem pensionier­ten Diplom-Mathematik­er Günter Bost, der für die Vermittlun­g des Musikerbes brennt. „Wir müssen das gesellscha­ftliche Leben weiterentw­ickeln. Musik verbindet nun mal“, sagt er. Das Heusweiler Projekt hat Modellchar­akter – Grund genug, dass Bost die HfM-Ehrendokto­rwürde erhält.

Weder lässt sich der Hochschule, die ihre gut 30 Studiengän­ge immer weiter diversifiz­iert, vorwerfen, dass sie nicht ins Land hineinwirk­te noch dass sie ihre Studierend­en nicht auf die Praxis vorbereite­te. Zwei Beispiele: Unter dem Label „Career Service“vermittelt sie Fach-Expertise von der Selbstverm­arktung bis hin zu rechtliche­n und gesundheit­lichen Fragen. Zugleich bietet das neue HfM-Projekt „Fu-tür“Studenten Freiräume für eigene Musikinsze­nierungen. Angelegt ist es als „Wettbewerb für Konzertfor­mate mit Zukunft“und zielt darauf, neue Formen der Musikvermi­ttlung an ungewohnte­n Orten zu erproben.

Für den Fall, jemand verfiele auf die Idee, die HfM könne ja auch nur musikpädag­ogische Studiengän­ge bedienen, hat der kommende Rektor eine Antwort parat. „Lehramtstu­dierende profitiere­n enorm von den künstleris­chen Studiengän­gen. Es braucht immer eine Spitze.“Genau deshalb möchte Hofmann beide Bereiche auch „noch durchlässi­ger machen“.

„Der Wegfall des Konzertsaa­ls bedarf dringend einer Lösung. In der Musik ist das der OP.“Hans Peter Hofmann künftiger Rektor der Saarbrücke­r HfM

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FOTOS: MAURER Hinter diesen Fassaden wartet viel Sanierungs­arbeit: Blick auf die Musikhochs­chule, die angeblich in diesem Herbst aus ihrem Stammhaus ausziehen soll.
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Geigenprof­essor Hans Peter Hofmann übernimmt bald als Rektor das HfM-Ruder.

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