HfM: Nöte einer Unverzichtbaren
Die Saarbrücker Musikhochschule (HfM) steht vor vielen Herausforderungen: Ihr Stammhaus muss saniert werden, mit weitreichenden Folgen. Auch läuft die HfM wie viele andere Musikhochschulen Gefahr, teils am Bedarf vorbei auszubilden. Umgekehrt konnte sie,
Was ist dem Land seine 1947 gegründete Hochschule für Musik (HfM) – die älteste Hochschule im Saarland – wert? Die Frage stellt sich mit jedem weiteren Jahr umso dringlicher, in dem ihr keine verlässliche Zukunftsperspektive aufgezeigt wird. Seit 15 Jahren (!) soll die HfM baulich instandgesetzt werden. „Spätestens 2012 soll der Erweiterungsbau schlüsselfertig sein“, hieß es 2009 in der SZ. Er kam nie. In späteren Jahren war nur noch von Sanierung die Rede. Passiert ist auch da bis heute nichts.
Drei HfM-Rektoren ( Thomas Duis, Wolfgang Mayer, zuletzt Jörg Nonnweiler) mühten sich mit mehr oder weniger Nachdruck, dem Land endlich eine Lösung abzuringen. Seit Langem ist klar, dass die Sanierung Jahre in Anspruch nehmen und die HfM damit auch ihr Herzstück – den eigentlich unverzichtbaren Konzertsaal – für die Dauer der Stammhausertüchtigung verlieren wird. Wann wie saniert wird und wann die HfM aus ihren (keinen Konzertsaal vorsehenden) Ausweichquartieren „heimkehren“kann, all dies ist ungeklärt. Klar ist nur, was die Hauptkonstante der letzten 15 Jahre ist: die unwürdige Hinhaltetaktik der Landesregierung. Egal, unter welcher Parteiflagge die zuständigen Ministerien firmieren.
„Der Wegfall des Konzertsaals bedarf dringend einer Lösung. In der Musik ist das der OP. Die Bühnenerfahrung ist durch nichts zu ersetzen“, befindet der künftige Rektor, Geigenprofessor Hans Peter Hofmann. Vielleicht sei die Sanierung ja so planbar, dass der „HfM-Operationssaal“zeitweilig nutzbar bleibe: „Ich denke gerne auch das Undenkbare.“Immerhin ist mit dem alten Saarberggebäude vis à vis der Europagalerie mittlerweile ein großzügiges, „tolle Unterrichtsräume“(so Prorektor Frank Wörner) bietendes Ausweichquartier gefunden. Hinzu kommen die bewährten Dependancen (Schillerschule, Alte Kirche) plus eine weitere in der Bleichstraße mit Aufnahmestudio und zwei Seminarräumen. Flickwerk.
Hofmann will den gordischen Kno
ten endlich zerschlagen. Im April wird er – seine Ernennung durch das Kulturministerium steht noch aus – Jörg Nonnweiler im Amt nachfolgen. „Was zu tun ist, muss zeitnah geschehen“, meint er. Heißt: Im Sommersemester sollten die Baustellen (Bausubstanz, Heizungs- und Klimatechnik, Brandschutz) abschließend geprüft werden, damit es nach dem für diesen Herbst geplanten Auszug schnellstens losgehen könne mit der Sanierung.
Zeugt die Dauerverschleppung nicht von fehlender Wertschätzung? Im SPD-Kabinett lässt sich jedenfalls, nicht anders als zu Zeiten der Groko, keine die HfM schützende Hand ausmachen. Spielt man die Frage weiter, was dem Land seine Musikhochschule wert ist – bundesweit gibt es 24, Baden-Württemberg unterhält gleich fünf, Rheinland-Pfalz keine –, geraten unweigerlich die Absolventen in den Blick. Und damit die typische Politikerfrage: Was bringt uns die HfM? Auch Hofmann weiß, dass hier Ungemach drohen könnte: Die Anstellungschancen für Berufsmusiker schwinden. Rund 60 Prozent der HfM-Absolventen machen einen rein künstlerischen Abschluss. Jährlich werden republikweit jedoch nur rund 150 Orchesterstellen neu besetzt. 2022 gab es 129 öffentlich finanzierte Berufsorchester mit 9749 Planstellen (und damit 2500 Stellen weniger als 1992). Seit 2018 ist der Aderlass zwar gestoppt. Dass das heutige Personaltableau das Ende der Fahnenstange markieren soll, mag man kaum glau
ben. Dürfte der öffentlich finanzierte Kulturbetrieb doch mittelfristig stärker unter Druck geraten, weil sein Stammpublikum nicht jünger wird.
Für Absolventen bleibt ansonsten entweder die Freiberuflichkeit (nicht selten in der freien Szene) oder das musikpädagogische Aktionsfeld mit zwei Optionen: ein Lehramtsstudium mit sehr guter Anstellungsperspektive, da Musik ein Mangelfach ist, weshalb es allzu oft fachfremd unterrichtet wird. Oder alternativ für Musikpädagogen, die auf Unabhängigkeit setzen und prekäre Lagen riskieren, meist befristete Engagements an Musikschulen. Dass Schulmusiker im Saarland dringend gebraucht werden, dürfte die vielleicht beste Lebensversicherung der HfM sein. Umso wichtiger, dass sie ihre Lehramtsstudienplätze im Wintersemester 23/24 (zuletzt vier für die Grundstufe, 18 für Sekundarstufe I + II) bis auf vier Erstsemesterplätze ausschöpfte. Anders als in den Vorjahren. Derzeit zählt man 102 Lehramtsstudenten bei 465 Immatrikulierten.
Hofmann will offensiv und beharrlich für die HfM werben. Ohne das Saarbrücker Ausbildungszentrum
wären die hiesigen Musikvereine, Zupforchester und Chöre langfristig kaum überlebensfähig, sagt er. Viele (Ex-)HfMler seien dort als Dirigenten, Chorleiter, Musiker tätig. Und was das Ausbildungsniveau der Hochschule angehe, müsse man „den Kreis von hier aus schon 150 bis 200 Kilometer weit ziehen, um eine vergleichbare Qualität zu finden“. Aus dem hiesigen Musikleben lässt sich die Musikhochschule (42 Professoren, 36 Planstellen) kaum wegdenken. „Wir sind wohl der größte Konzertveranstalter im Saarland“, so der Prorektor für künstlerische Praxis, Gesangsprofessor Frank Wörner. Pro Semester biete man 30 Konzerte plus 40 „Klassenabende“in der HfM an. Doch der Klassikbereich, unvermindert Markenkern der HfM, verliert unter Jüngeren an Zuspruch. Wörner konzediert, „dass wir in einem kulturellen Wandel stecken und den mitgehen müssen“. Aber wie?
Ein „Best Practice“-Beispiel ist die bereits gut zehn Jahre währende Kooperation mit der „Aktion Kultur Heusweiler“– einem Kulturverein, der Vorbildliches leistet. Sie ruht auf zwei Beinen: Zum einen unterrichten – vom Bildungsministerium
mitfinanziert – Studierende oder Absolventen der Hochschule auf Honorarbasis an drei Grundschulen. Ihre wöchentlich einstündigen elementarmusikalischen Kurse (derzeit 14) sind in den regulären Unterrichtsplan integriert. Zum anderen hat der Verein seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Richard-Wagner-Verband rund 100 klassische Konzerte vor Ort veranstaltet, etwa die Hälfte mit Beteiligung der HfM. Wie immer steht und fällt solch ein Vorzeigeprojekt mit den Köpfen. In dem Fall dem pensionierten Diplom-Mathematiker Günter Bost, der für die Vermittlung des Musikerbes brennt. „Wir müssen das gesellschaftliche Leben weiterentwickeln. Musik verbindet nun mal“, sagt er. Das Heusweiler Projekt hat Modellcharakter – Grund genug, dass Bost die HfM-Ehrendoktorwürde erhält.
Weder lässt sich der Hochschule, die ihre gut 30 Studiengänge immer weiter diversifiziert, vorwerfen, dass sie nicht ins Land hineinwirkte noch dass sie ihre Studierenden nicht auf die Praxis vorbereitete. Zwei Beispiele: Unter dem Label „Career Service“vermittelt sie Fach-Expertise von der Selbstvermarktung bis hin zu rechtlichen und gesundheitlichen Fragen. Zugleich bietet das neue HfM-Projekt „Fu-tür“Studenten Freiräume für eigene Musikinszenierungen. Angelegt ist es als „Wettbewerb für Konzertformate mit Zukunft“und zielt darauf, neue Formen der Musikvermittlung an ungewohnten Orten zu erproben.
Für den Fall, jemand verfiele auf die Idee, die HfM könne ja auch nur musikpädagogische Studiengänge bedienen, hat der kommende Rektor eine Antwort parat. „Lehramtstudierende profitieren enorm von den künstlerischen Studiengängen. Es braucht immer eine Spitze.“Genau deshalb möchte Hofmann beide Bereiche auch „noch durchlässiger machen“.
„Der Wegfall des Konzertsaals bedarf dringend einer Lösung. In der Musik ist das der OP.“Hans Peter Hofmann künftiger Rektor der Saarbrücker HfM