Die Idee des Bioenergie-Dorfes lebt weiter
2015 bestand in Breitfurt der Wunsch, flächendeckend von der Ölheizung weg zu grüner Wärmeversorgung zu kommen. Das Projekt scheiterte, weil letztlich zu wenige Hausbesitzer mitmachen wollten. Ein neuer Anlauf im Nachbardorf Wolfersheim ist in Arbeit.
Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel an diesem Donnerstagmorgen in Breitfurt. Die Hauptstraße matschig, die Seitenstraßen von Schnee bedeckt. Aus den Schornsteinen der Häuser steigt Rauch auf. Heizungen mit Öl betrieben oder Flüssiggas machen die Wohnungen warm. Auch Kaminöfen oder Pelletskessel. Es könnte in der Summe anders aussehen. „Bioenergie-Dorf“, so hieß das Projekt, mit dem der Blieskasteler Stadtteil vor einigen Jahren zu einem Modellvorhaben in der Modellregion Biosphäre Bliesgau hätte werden sollen und können. Doch es wurde nichts mit dem großen Wurf, den überwiegenden Teil der Heizungen im Ort von fossilen Energieträgern wegzubekommen, hin zu einer zentralen Versorgung über ein Nahwärmenetz, von regenerativer Energie gespeist.
Ortsvorsteher Martin Moschel begrüßt den Gast von der Zeitung vor dem Haus der Arbeiterwohlfahrt, in dem einiges an Gemeinschaftsleben im Dorf stattfindet. Für das Thema Bioenergie-Dorf hat er zwei Leute hinzugeholt: Seinen Amtsvorgänger Reiner Freidinger und Klaus Reifarth, ausgebildeter Verfahrensingenieur. Freidinger und Reifarth sind beide 74 Jahre alt. Sie sind die wichtigen Leute in Sachen Bioenergie-Dorf, sagt der 61 Jahre alte Ortsvorsteher Moschel, hatten sich seinerzeit stark engagiert.
Während der Schneefall vor den Fenstern weniger wird, ist eines im Gespräch bald klar. Sowohl der heutige wie der damalige Ortsvorsteher hätten die Vorreiterrolle in der Biosphärenregion gerne angenommen. Und Verfahrensingenieur Reifarth, der sein Arbeitsleben im Bergbau verbracht hat und nach eigenen Worten spät zum Umweltschutz kam, als Fachmann für Planung, Bau und Betreuung von Projekten sowieso.
Moschel zuckt mit den Schultern. Ja, das große Projekt habe nicht funktioniert, eine kleine Lösung immerhin schon. Seit Oktober 2021 ist ein Wärmenetz in Betrieb. Ein Holzpellet-Heizkessel bringt heute Wärme in Grundschule, MartinBucer-Gemeindehaus, Kindertagesstätte und Mehrzweckhalle. Die vier Gebäude stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, zumindest dort haben die alten ÖlHeizungen ausgedient.
Der Plan war allerdings, mindestens die Hälfte des Dorfes an das Nahwärmenetz anzuschließen. 2013 gab es die ersten Überlegungen, zwei Jahre später wurde es konkreter. Reifarth: „Wir haben im Januar 2015 unter der Leitung des Ortsvorstehers einen Arbeitskreis gegründet. Über einen Fragebogen haben wir den Heizenergieverbrauch im Dorf ermittelt.“Als Verfahrensingenieur sei es sein Job gewesen, die Daten zusammenzutragen, die notwendige Spitzenleistung des Heizwerks zu berechnen, Rohrleitungen zu dimensionieren, erforderliche Bauarbeiten für Tiefbau und Heizwerk zu kalkulieren. Im Arbeitskreis sei dies alles regelmäßig besprochen worden, seine Ermittlungen flossen ein in den technischen Teil der Machbarkeitsstudie, die es zu dem Vorhaben gab. Alt-Ortsvorsteher Freidinger erinnert sich auch an Fahrten ins Ostertal nach Fürth, wo eine Nahwärmeversorgung bereits auf die Beine gestellt worden war. Dort holten sich die Breitfurter Informationen.
Viel Arbeit für ein Vorhaben, das dann doch scheiterte. Warum? Reifarth: „Als die Arbeiten Ende 2015 fertig waren, fiel der Preis von Heizöl so stark, dass ein Wärmenetz in dem Moment nicht mehr wirtschaftlich war.“Die Notwendigkeit, etwas für Umweltschutz zu tun, sei zwar prinzipiell vorhanden gewesen, aber mehr Geld dafür auf den Tisch zu legen, das habe sich nicht durchgesetzt. Freidinger: „Rückblickend lag unser Problem auch in fehlender Unterstützung durch den Stadtrat und die Stadtwerke.“Das Vertrauen in die Sache, erklärt der Alt-Ortsvorsteher, sei das A und O. „Viele haben damals gesagt, wir warten erst einmal ab. Aber wir brauchten definitive Zusagen.“Freidinger bezeichnet sich selbst als einen Überzeugungstäter. Der Report „Die Grenzen des Wachstums“aus den frühen 70er Jahren habe ihn überzeugt. Freidinger: „Ich hatte die erste Wärmepumpe im Dorf.“
Ortsvorsteher Moschel sieht auch die Notwendigkeit für Veränderungen: „Ich habe seit 16 Jahren Pellets. Ich hätte mich definitiv anschließen lassen an ein Wärmenetz, und das aus Überzeugung.“Es sei schade, dass es damals nicht geklappt habe.
Bioenergie-Dorf, das wäre eine Hausnummer gewesen. Und unter dem Eindruck der heutigen Weltlage sicher ein Pluspunkt für die Dorfgemeinschaft. Stark involviert war damals auch Hans-Henning Krämer, Klimaschutzmanager des Biosphären-Reservates. Am 13. Januar 2015 traf sich der „Arbeitskreis Nahwärmeversorgung Breitfurt“zum ersten Mal, erläutert er auf SZ-Anfrage: „Da arbeiteten so 15 bis 20 Leute mit.“Bürger aus dem Ort, Ortsräte, Vertreter der Stadtwerke Bliestal sowie der Bürger-Energiegenossenschaft Bliesgau, erinnert er sich, wollten die energetische Kehrtwende stemmen. Krämer wusste schon damals, was der Haken bei der Sache war. Den Kampf gegen den Ölpreis werde man verlieren, erklärte er seinerzeit. Hoffte im Gegenzug jedoch auf halbwegs stabile Preise für nachwachsende Rohstoffe und betonte die Vorzüge der regionalen Wertschöpfung. Die örtliche Nahwärmeversorgung, getragen von grünen Energien wie Hackschnitzel, Pellets und Solarthermie, wäre aus seiner Perspektive ein perfektes Vorhaben gewesen innerhalb der großen Perspektive, die Biosphäre Bliesgau mittelfristig annähernd klimaneutral zu machen. Denn dazu hat sich die Biosphäre Bliesgau im Rahmen des „Masterplans 100 Prozent Klimaschutz“verpflichtet (Senken des Energieverbrauchs um die Hälfte bis 2050/Reduktion der CO2-Emissionen um 95 Prozent gegenüber 1990).
Heute, unter dem Eindruck massiver Schwankungen bei den Preisen für die fossilen Energien, kann der Klimaschutzmanager wieder mit neuem Blick auf die Geschehnisse schauen. Er ist dabei selbstkritisch: „Im Nachhinein fühlt man sich natürlich bestätigt, trotzdem haben wir auch selbst Fehler gemacht. Man hätte sich von außen eventuell Hilfe holen sollen von Leuten oder Firmen, die in der Projektierung solcher Nahwärmeversorgungen Erfahrungen gehabt haben.“
Der Zug des energieautarken Dorfes zieht zunächst einmal weiter. Ein neuer Anlauf dazu soll im benachbarten Wolfersheim starten. Im Dezember hat die Stadt Blieskastel unter ihren Bekanntmachungen auf das Nahwärme-Pilotprojekt Wolfersheim hingewiesen. Ein Wärmenetz könnte demnach perspektivisch alle 220 Wohngebäude versorgen.
Der Ort hat nach den Untersuchungen einer Arbeitsgruppe gute Voraussetzungen und auch das Interesse der Einwohner sei hoch. Das Rathaus erläutert zu dem neuen Projekt: „Zur Wärmeerzeugung kommt eine Kombination aus Holzhackschnitzel-Heizkessel und Freiflächensolarthermie in Verbindung mit einem 30 000 Liter fassenden
Pufferspeicher zum Einsatz. Der erwartete Wärmebedarf liegt bei 2,5 Millionen Kilowattstunden.“Am Montag, 29. Januar, wird es zu dem Thema eine Informationsveranstaltung im Ort geben. Die Rahmenbedingungen haben sich im Vergleich zu 2015 verändert. Klimaschutzmanager Krämer: „Heute ist natürlich der Druck auf die Bevölkerung höher, ihre alten Heizungen rauszuschmeißen und bei den meisten sind die Heizungen in der Zwischenzeit nochmals acht Jahre älter geworden.“
Und: Klaus Reifarth ist mit seiner Expertise dabei, wenn es im Nachbardorf um ein Bioenergie-Dorf geht. Der alte und der neue Breitfurter Ortsvorsteher werden sicher auch mit viel Interesse darauf schauen, was aus dem Vorhaben bei den Nachbarn wird.