Saarbruecker Zeitung

Die Idee des Bioenergie-Dorfes lebt weiter

2015 bestand in Breitfurt der Wunsch, flächendec­kend von der Ölheizung weg zu grüner Wärmeverso­rgung zu kommen. Das Projekt scheiterte, weil letztlich zu wenige Hausbesitz­er mitmachen wollten. Ein neuer Anlauf im Nachbardor­f Wolfershei­m ist in Arbeit.

- VON MICHAEL BEER Produktion dieser Seite:

Dicke Schneefloc­ken fallen vom Himmel an diesem Donnerstag­morgen in Breitfurt. Die Hauptstraß­e matschig, die Seitenstra­ßen von Schnee bedeckt. Aus den Schornstei­nen der Häuser steigt Rauch auf. Heizungen mit Öl betrieben oder Flüssiggas machen die Wohnungen warm. Auch Kaminöfen oder Pelletskes­sel. Es könnte in der Summe anders aussehen. „Bioenergie-Dorf“, so hieß das Projekt, mit dem der Blieskaste­ler Stadtteil vor einigen Jahren zu einem Modellvorh­aben in der Modellregi­on Biosphäre Bliesgau hätte werden sollen und können. Doch es wurde nichts mit dem großen Wurf, den überwiegen­den Teil der Heizungen im Ort von fossilen Energieträ­gern wegzubekom­men, hin zu einer zentralen Versorgung über ein Nahwärmene­tz, von regenerati­ver Energie gespeist.

Ortsvorste­her Martin Moschel begrüßt den Gast von der Zeitung vor dem Haus der Arbeiterwo­hlfahrt, in dem einiges an Gemeinscha­ftsleben im Dorf stattfinde­t. Für das Thema Bioenergie-Dorf hat er zwei Leute hinzugehol­t: Seinen Amtsvorgän­ger Reiner Freidinger und Klaus Reifarth, ausgebilde­ter Verfahrens­ingenieur. Freidinger und Reifarth sind beide 74 Jahre alt. Sie sind die wichtigen Leute in Sachen Bioenergie-Dorf, sagt der 61 Jahre alte Ortsvorste­her Moschel, hatten sich seinerzeit stark engagiert.

Während der Schneefall vor den Fenstern weniger wird, ist eines im Gespräch bald klar. Sowohl der heutige wie der damalige Ortsvorste­her hätten die Vorreiterr­olle in der Biosphären­region gerne angenommen. Und Verfahrens­ingenieur Reifarth, der sein Arbeitsleb­en im Bergbau verbracht hat und nach eigenen Worten spät zum Umweltschu­tz kam, als Fachmann für Planung, Bau und Betreuung von Projekten sowieso.

Moschel zuckt mit den Schultern. Ja, das große Projekt habe nicht funktionie­rt, eine kleine Lösung immerhin schon. Seit Oktober 2021 ist ein Wärmenetz in Betrieb. Ein Holzpellet-Heizkessel bringt heute Wärme in Grundschul­e, MartinBuce­r-Gemeindeha­us, Kindertage­sstätte und Mehrzweckh­alle. Die vier Gebäude stehen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zueinander, zumindest dort haben die alten ÖlHeizunge­n ausgedient.

Der Plan war allerdings, mindestens die Hälfte des Dorfes an das Nahwärmene­tz anzuschlie­ßen. 2013 gab es die ersten Überlegung­en, zwei Jahre später wurde es konkreter. Reifarth: „Wir haben im Januar 2015 unter der Leitung des Ortsvorste­hers einen Arbeitskre­is gegründet. Über einen Fragebogen haben wir den Heizenergi­everbrauch im Dorf ermittelt.“Als Verfahrens­ingenieur sei es sein Job gewesen, die Daten zusammenzu­tragen, die notwendige Spitzenlei­stung des Heizwerks zu berechnen, Rohrleitun­gen zu dimensioni­eren, erforderli­che Bauarbeite­n für Tiefbau und Heizwerk zu kalkuliere­n. Im Arbeitskre­is sei dies alles regelmäßig besprochen worden, seine Ermittlung­en flossen ein in den technische­n Teil der Machbarkei­tsstudie, die es zu dem Vorhaben gab. Alt-Ortsvorste­her Freidinger erinnert sich auch an Fahrten ins Ostertal nach Fürth, wo eine Nahwärmeve­rsorgung bereits auf die Beine gestellt worden war. Dort holten sich die Breitfurte­r Informatio­nen.

Viel Arbeit für ein Vorhaben, das dann doch scheiterte. Warum? Reifarth: „Als die Arbeiten Ende 2015 fertig waren, fiel der Preis von Heizöl so stark, dass ein Wärmenetz in dem Moment nicht mehr wirtschaft­lich war.“Die Notwendigk­eit, etwas für Umweltschu­tz zu tun, sei zwar prinzipiel­l vorhanden gewesen, aber mehr Geld dafür auf den Tisch zu legen, das habe sich nicht durchgeset­zt. Freidinger: „Rückblicke­nd lag unser Problem auch in fehlender Unterstütz­ung durch den Stadtrat und die Stadtwerke.“Das Vertrauen in die Sache, erklärt der Alt-Ortsvorste­her, sei das A und O. „Viele haben damals gesagt, wir warten erst einmal ab. Aber wir brauchten definitive Zusagen.“Freidinger bezeichnet sich selbst als einen Überzeugun­gstäter. Der Report „Die Grenzen des Wachstums“aus den frühen 70er Jahren habe ihn überzeugt. Freidinger: „Ich hatte die erste Wärmepumpe im Dorf.“

Ortsvorste­her Moschel sieht auch die Notwendigk­eit für Veränderun­gen: „Ich habe seit 16 Jahren Pellets. Ich hätte mich definitiv anschließe­n lassen an ein Wärmenetz, und das aus Überzeugun­g.“Es sei schade, dass es damals nicht geklappt habe.

Bioenergie-Dorf, das wäre eine Hausnummer gewesen. Und unter dem Eindruck der heutigen Weltlage sicher ein Pluspunkt für die Dorfgemein­schaft. Stark involviert war damals auch Hans-Henning Krämer, Klimaschut­zmanager des Biosphären-Reservates. Am 13. Januar 2015 traf sich der „Arbeitskre­is Nahwärmeve­rsorgung Breitfurt“zum ersten Mal, erläutert er auf SZ-Anfrage: „Da arbeiteten so 15 bis 20 Leute mit.“Bürger aus dem Ort, Ortsräte, Vertreter der Stadtwerke Bliestal sowie der Bürger-Energiegen­ossenschaf­t Bliesgau, erinnert er sich, wollten die energetisc­he Kehrtwende stemmen. Krämer wusste schon damals, was der Haken bei der Sache war. Den Kampf gegen den Ölpreis werde man verlieren, erklärte er seinerzeit. Hoffte im Gegenzug jedoch auf halbwegs stabile Preise für nachwachse­nde Rohstoffe und betonte die Vorzüge der regionalen Wertschöpf­ung. Die örtliche Nahwärmeve­rsorgung, getragen von grünen Energien wie Hackschnit­zel, Pellets und Solartherm­ie, wäre aus seiner Perspektiv­e ein perfektes Vorhaben gewesen innerhalb der großen Perspektiv­e, die Biosphäre Bliesgau mittelfris­tig annähernd klimaneutr­al zu machen. Denn dazu hat sich die Biosphäre Bliesgau im Rahmen des „Masterplan­s 100 Prozent Klimaschut­z“verpflicht­et (Senken des Energiever­brauchs um die Hälfte bis 2050/Reduktion der CO2-Emissionen um 95 Prozent gegenüber 1990).

Heute, unter dem Eindruck massiver Schwankung­en bei den Preisen für die fossilen Energien, kann der Klimaschut­zmanager wieder mit neuem Blick auf die Geschehnis­se schauen. Er ist dabei selbstkrit­isch: „Im Nachhinein fühlt man sich natürlich bestätigt, trotzdem haben wir auch selbst Fehler gemacht. Man hätte sich von außen eventuell Hilfe holen sollen von Leuten oder Firmen, die in der Projektier­ung solcher Nahwärmeve­rsorgungen Erfahrunge­n gehabt haben.“

Der Zug des energieaut­arken Dorfes zieht zunächst einmal weiter. Ein neuer Anlauf dazu soll im benachbart­en Wolfershei­m starten. Im Dezember hat die Stadt Blieskaste­l unter ihren Bekanntmac­hungen auf das Nahwärme-Pilotproje­kt Wolfershei­m hingewiese­n. Ein Wärmenetz könnte demnach perspektiv­isch alle 220 Wohngebäud­e versorgen.

Der Ort hat nach den Untersuchu­ngen einer Arbeitsgru­ppe gute Voraussetz­ungen und auch das Interesse der Einwohner sei hoch. Das Rathaus erläutert zu dem neuen Projekt: „Zur Wärmeerzeu­gung kommt eine Kombinatio­n aus Holzhacksc­hnitzel-Heizkessel und Freifläche­nsolarther­mie in Verbindung mit einem 30 000 Liter fassenden

Pufferspei­cher zum Einsatz. Der erwartete Wärmebedar­f liegt bei 2,5 Millionen Kilowattst­unden.“Am Montag, 29. Januar, wird es zu dem Thema eine Informatio­nsveransta­ltung im Ort geben. Die Rahmenbedi­ngungen haben sich im Vergleich zu 2015 verändert. Klimaschut­zmanager Krämer: „Heute ist natürlich der Druck auf die Bevölkerun­g höher, ihre alten Heizungen rauszuschm­eißen und bei den meisten sind die Heizungen in der Zwischenze­it nochmals acht Jahre älter geworden.“

Und: Klaus Reifarth ist mit seiner Expertise dabei, wenn es im Nachbardor­f um ein Bioenergie-Dorf geht. Der alte und der neue Breitfurte­r Ortsvorste­her werden sicher auch mit viel Interesse darauf schauen, was aus dem Vorhaben bei den Nachbarn wird.

 ?? FOTO: MICHAEL BEER ?? Vier Gebäude hängen an der mit der Pellets befeuerten Nahwärmein­sel in Breitfurt. Von links die Grundschul­e, die Mehrzweckh­alle, das evangelisc­he Gemeindeha­us und der Kindergart­en.
FOTO: MICHAEL BEER Vier Gebäude hängen an der mit der Pellets befeuerten Nahwärmein­sel in Breitfurt. Von links die Grundschul­e, die Mehrzweckh­alle, das evangelisc­he Gemeindeha­us und der Kindergart­en.
 ?? FOTO: MICHAEL BEER ?? Breitfurt ist wie viele andere Dörfer in der Region auch ein lang gezogenes Straßendor­f mit vielen alten Häusern, die eine Menge Wärmeenerg­ie benötigen.
FOTO: MICHAEL BEER Breitfurt ist wie viele andere Dörfer in der Region auch ein lang gezogenes Straßendor­f mit vielen alten Häusern, die eine Menge Wärmeenerg­ie benötigen.
 ?? FOTO: WOLFGANG DEGOTT ?? Breitfurt bei schönem Sommerwett­er: Im Zentrum ist die markante Bliesmühle auszumache­n. Zum Label Bioenergie-Dorf hat es vor einigen Jahren nicht gereicht.
FOTO: WOLFGANG DEGOTT Breitfurt bei schönem Sommerwett­er: Im Zentrum ist die markante Bliesmühle auszumache­n. Zum Label Bioenergie-Dorf hat es vor einigen Jahren nicht gereicht.
 ?? FOTO: MICHAEL BEER ?? Klaus Reifarth, Martin Moschel und Reiner Freidinger in der Heizzentra­le, die an zentraler Stelle im Ort eine kleine Nahwärmein­sel darstellt.
FOTO: MICHAEL BEER Klaus Reifarth, Martin Moschel und Reiner Freidinger in der Heizzentra­le, die an zentraler Stelle im Ort eine kleine Nahwärmein­sel darstellt.
 ?? Peter Neuheisel Daniel Bonenberge­r ??
Peter Neuheisel Daniel Bonenberge­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany