Hilfe, mein Herd redet „elektrisch“
Wir sind umgezogen. Und seither wird um mich herum zu viel geredet. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: kommuniziert. Denn mit Sprache im engeren, sprich verständlichen Sinne, hat das alles nichts mehr zu tun.
Das Problem ist, dass ich mir nach über 25 Jahren eine neue Küche gegönnt habe. Hätte ich geahnt, was auf mich zukommt... Meine alte Küche hat ohne großes Murren alles erledigt, was eine Küche so zu tun hat. Der Herd kochte, der Ofen backte, der Kühlschrank kühlte. Und darüber verloren weder die Geräte noch ich ein Wort. Warum sollten Küchengeräte auch reden?
Diese Frage haben sich die Hersteller meiner neuen Küche leider nicht gestellt, bzw. sie haben sie für sich anders beantwortet.
Ich lebe jetzt seit ein paar Wochen mit der Neuen, und ich frage mich allmählich: Wieso quatschen hier eigentlich immer alle? Und: Wer ist die Chefin im Haus?
Ich lasse die Kühlschranktür mal kurz offen, da pfeift der
Haben Sie auch manchmal das Gefühl, nicht Herrin oder Herr in der eigenen Küche zu sein? Dann haben Sie wahrscheinlich vor nicht zu langer Zeit eine neue gekauft.
mich schon an: „Energieverschwenderin... Energieverschwenderin...!“, piepst er ununterbrochen – jedenfalls vermute ich, dass es das ist, was er sagen will. Er spricht ja kein Deutsch, eher „Elektrisch“. Aber wenigstens ahne ich beim Kühlschrank, was er will. Und wenn ich ihn ignoriere, kühlt er trotzdem weiter. Der Backofen ist auch noch einigermaßen vernünftig. Der quatscht nur los, wenn die Temperatur erreicht ist, damit ich ihm nur ja die Pizza nicht zwei Minuten zu spät reinschiebe.
Aber der Herd? Der Herd hat natürlich keine Knöpfe mehr, das wäre ja auch zu praktisch. Nein, man muss ihn tätscheln, und dabei redet er ununterbrochen. Und ich verstehe einfach nicht, was er von mir will. Das beginnt ja schon damit, dass er jeden einzelnen Handgriff kommentiert. Ich mache den Herd an: piep. Ich schalte eine Platte ein: piep. Ich schalte die Platte höher: pieppieppiep.
Ich komme mir in meiner Küche allmählich vor wie in einer gut bevölkerten Voliere. Es zwitschert ständig um mich herum.
Das Schlimmste aber ist, dass der Herd auch losquasselt, wenn ich ihn gar nicht berührt habe. Ohne irgendeinen, zumindest für mich, erkennbaren Anlass ruft er
aus der Küche, er pfeift mich regelrecht bei. Meistens habe ich nicht die leiseste Ahnung, was er eigentlich von mir will. Ich lausche dem Piepsen, blättere sogar manchmal in der Bedienungsanleitung. Aber ich verstehe sein „Elektrisch“einfach nicht.
Leider sitzt mein Herd aber am
längeren Hebel. Wenn ich nicht errate, was er will, schaltet er einfach aus, und meine Nudeln hören auf zu kochen. Man könnte sagen, mein neuer Herd trägt einen Machtkampf um die Vorherrschaft in der Küche mit mir aus. Und ich stehe dann vor ihm und frage mich (und die Hersteller) verzweifelt: Was war so falsch an Knöpfen? An, aus, hoch, runter, fertig. Und vor allem: Schweigen!
Es soll ja Menschen geben, die träumen von einem sogenannten Smarthome, also einem Haus, das mittels künstlicher Intelligenz alles Technische alleine erledigt. Was für ein Albtraum. Wenn mein Herd meine Nudeln nicht kochen will, esse ich notfalls ein Brot. Aber was, wenn die intelligente Heizung findet, dass ich zu doof bin und schaltet sich bei Minus drei Grad ab? Oder die Rollläden sind der Meinung, mein Anblick sei der Nachbarschaft nicht zuzumuten und fahren dauerhaft runter? Womöglich würde sich das Haus eines Tages sogar komplett verschließen und mich draußen stehen lassen, weil ich es aus Versehen beleidigt habe. Da würden die ganzen „intelligenten“Elektrogeräte dann hinter verschlossenen Läden eine schöne Party feiern. Und mein Herd wäre endlich glücklich.