Perfekter Abschied für Dreßen
Der künftige Ski-Rentner erlebt in Kitzbühel ein emotionales letztes Rennen. Sieger Sarrazin sorgt für Staunen.
(dpa) Thomas Dreßen sagt auf den Schultern der Kollegen Servus, Cyprien Sarrazin rast in neue Abfahrts-Sphären – da staunt sogar der Terminator. An einem traumhaften Kitzbühel-Wochenende haben der deutsche Ski-Rentner und Frankreichs Shootingstar für eine große Streif-Show gesorgt.
„Das war der perfekte Tag für mich“, sagte Dreßen nach seiner emotionalen Abschiedsfahrt, für die es eine Schampus-Dusche im Zielauslauf gab. In die Höhe gehoben von den Routiniers Romed Baumann und Dominik Paris genoss der Oberbayer noch einmal die Ovationen von 45 000 Fans, Freunden, Weggefährten und Arnold Schwarzenegger. „Das war einfach geil.“
Auf den Tag genau sechs Jahre nach seinem Triumph auf der Streif beendete Dreßen am Samstag das Kapitel Skirennsport. Nach vielen Verletzungen und Operationen war ein noch längeres Quälen und Schinden für den 30-Jährigen nicht mehr vernünftig. Hadern wollte er im Tiroler Ski-Mekka bei strahlendem Sonnenschein aber nicht. „Es überwiegt die Freude“, sagte er, nachdem er kein Risiko eingegangen und mit Rückstand ins Ziel gekommen war. „Für mich war immer klar, dass ich noch mal eine schöne Fahrt haben will. Es ist so aufgegangen, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe nicht gedacht, dass es so intensiv ist.“Ein paar Freudentränen waren in Dreßens Augen zu erkennen, im Ziel fiel er Verwandten um den Hals.
Mit Frau Birgit und Töchterchen
Elena gab es Erinnerungsfotos auf dem roten Siegersessel, den der Oberbayer nach seinem KitzbühelCoup 2018 noch bei vier weiteren Rennen besteigen durfte. Kein Deutscher hat mehr Weltcup-Abfahrten gewonnen als Dreßen – die Lücke, die er hinterlässt, ist groß. Seine Kollegen sind aktuell weit davon entfernt, diese zu schließen: Bei den Abfahrten am Hahnenkamm sprang kein Top-Ten-Ergebnis heraus.
Dreßen freut sich nun auf die Freizeit daheim mit seiner kleinen Familie. „Ich habe überhaupt keinen Plan, was ich jetzt tun werde“, kündigte er an. Beim Heim-Weltcup am nächsten Wochenende in GarmischPartenkirchen mit den zwei SuperG wird er erstmals als Ski-Pensionär vorbeischauen. Die Ski-Welt freut sich dann auf den nächsten Auftritt des französischen Überfliegers Sarrazin, der mit seinem Doppelsieg von Kitzbühel verblüffte und sogar Weltcup-Dominator Marco Odermatt distanzierte. 0,91 Sekunden fehlten dem Schweizer zum ersehnten Sieg, der viermalige KitzbühelChampion Paris auf Rang drei hatte gar 1,44 Sekunden Rückstand auf
Sarrazin. Odermatt erwies sich als fairer Verlierer: Gemeinsam – und mit freien Oberkörpern – feierten die zwei Topathleten am Samstagabend in einem Kitzbüheler Pub, wie Videos zeigen.
„Er ist auf dem Mond gelaufen“, titelte die französische Sportzeitung „L`Équipe“am Sonntag nach Sarrazins atemberaubender Fabelfahrt in Anlehnung an die Mondlandung von Neil Armstrong. „Skifahrerisch von einem anderen Planeten“, sagte DSV-Athlet Andreas Sander zur Leistung von Sarrazin. Furchtloser, präziser und schneller als der 29-Jährige rast derzeit keiner die Abfahrten hinunter. Der langjährige Technik-Spezialist katapultierte sich innerhalb kürzester Zeit in die Weltspitze: Drei Siege und zwei zweite Plätze holte er in den zurückliegenden fünf Schussfahrten – dabei hat er bislang überhaupt erst 14 Weltcup-Abfahrten bestritten.
Doch momentan klappt scheinbar alles beim Franzosen. Nach seinem Streif-Double jubelte er mit ausgebreiteten Armen – ähnlich wie später Dreßen. Der eine Star geht, der andere erklimmt die Bühne.